XIX. KAPITEL.
Allgemeines. Agades und Tümbutu.
Wir würden wahrscheinlich, wären wir im Besitz jenes historischen
Werkes*), auf dessen Autorität hin Mohammed el
Bälriri den Sultan Bello versicherte, dass das Volk von Gö-
ber, das früher im Besitz des Landes Air war, zum Stamme
der Kopten gehörte, eine ununterbrochene Geschichte von
Agades haben. Ich zweifle nicht daran, dass dieses Buch einst
an’s Licht kommt, wenn anders ein zukünftiger Reisender
unter ruhigeren Verhältnissen die nöthigen Forschungen anstellen
will. Bis dahin jedoch sind wir genöthigt, die wenigen
Lichtstrahlen, welche von anderen Seiten dieses geschichtliche
Dunkel durchbrechen, zusammenzufassen, um eine Art leichten
Umrisses der Hauptzüge der Geschichte dieser bemer-
kenswerthen Stadt zu entwerfen.
Ich will nur mit wenig Worten auf die durchaus unkritische
Annahme hinweisen, nach welcher vor Cooley’s ausgezeichneten
Untersuchungen über das „Negerland der Araber”
Agades mit Aüdaghost identificirt wurde, und zwar nur wegen
einer vermeintlichen Namensähnlichkeit, die nicht einmal besteht.
Agades, oder vielmehr Egedesh, ist ein reines, unab-
*) Sultan Bello’s „E n fä k el Mi-ssüri f i twnch beläd e1 TeJcrüri” in Denham’s
und Clapperton’s Travels, II, Appendix, p. 162. Ich selbst habe eine Kopie
einiger Auszüge von Bello’s interessantem Werke, worunter auch mehrere
wichtige Stellen sind, die der Herausgeber in seiner Übersetzung überganhängiges
Berber-Wort und hat nicht das Geringste mit Aü-
daghost zu thun; es ist ein gewöhnlicher Ortsname, namentlich
bei den Auelimmiden, und bedeutet „Familie”. Ein solcher
Name war gewiss für eine aus so verschiedenen Elementen
zusammengesetzte Stadt, wie Agades, wie wir sogleich
sehn werden, es war, passend gewählt. Es genügt schon,
anzuführen, dass, während wir Aüdaghost schon im zehnten
Jahrhundert im fernen Westen finden, wo wir seine ungefähre
Lage und seine ganze Lebenssphäre mit der grössten
Gewissheit nachweisen werden, wir die bestimmte Angabe
Marmol’s*) haben, dass Agades 160 Jahre vor der Zeit, wo
er schrieb, gegründet ward, das heisst im Jahre 1460. Diese
feste Zeitbestimmung, die mit Leo’s allgemeinerer Angabe, es
sei eine neue Stadt, vollkommen übereinstimmt**), haben wir
keinen Grund zu bezweifeln. Es ist' nur zu bedauern, dass
weder der Eine noch der Andere dieser beiden Schriftsteller
uns sagt, wer die Stadt baute. Da wir aber wissen, dass
der grosse Sonrhay-Eroberer Hadj Mohammed Askia, der
die Stadt Agades im Jahre der Hedjra 921 oder 1515 unserer
Zeitrechnung ***) eroberte, die fünf Berber-Stämme vertrieb,
welche, nach den Angaben der Einheimischen, die ich im
Stande war während meines Aufenthalts in Agades zu sammeln
und die ich sogleich meinen Lesern vorlegen werde,
zu schliessen, seit langer Zeit in der Stadt ansässig gewesen
*) Marmol, descripción delV Africa, vol. m , fol. XXIVb : ,, Agadez es una
provincia — — ay en ella una ciudad del proprio nombre, que a sido edificada
de ciento y sesenta años a este p a r te "
**) Leo Africanus, 1. YU, c. 9: „edificata dai modemi r e (?) ne1 confini
di Libia." Das Wort „re" ist sehr verdächtig.
***) Siehe die Auszüge von Baba Ahmed’s „tarich e1 Ssudän" in der Zeitschrift
der Deutschen Orientalischen Gesellschaft, 1855. Damit stimmt vollkommen
überein eine interessante Stelle in Sultan Bello’s „E n fä k el Mi-ssürl’, welche
unaufmerksamerweise von Siläme in der Übersetzung hinter Denham’s und Clapperton’s
Travels, vol. II, ausgelassen worden ist.