gab der Niederlassung einen lebendig bewegten Charakter.
Der Brunnen ist ansehnlich tief, nicht weniger als 17 Klaftern.
Kaum hatten wir uns gelagert, als wir einen Besuch von
der männlichen Bevölkerung des Dorfes erhielten; sie ritten
Pferde von kleiner, unansehnlicher Kasse. Sie waren zudringlich
und lästig, da sie nicht nur von der Neugierde,
sondern auch von ihrem Hang zum Betteln zu diesem Besuch
veranlasst worden waren; um jedoch keine Gelegenheit
vorübergehn zu lassen, etwas zu lernen, hielt ich es für
besser, der Behaglichkeit des Zeltes zu entsagen und mich
mit ihnen in eine Unterhaltung einzulassen. Die Meisten
waren hochgewachsene Männer und von weit hellerer-Farbe
als die Kel-owi, aber in ihren Sitten zeigten sie sich durch
uralten Verkehr mit Fremden von ihrer ursprünglichen Sitten-
reinheit sehr herabgekommen und gaben eben dadurch zu
erkennen, dass sie das schwache Bruchstück eines alten,
aber von seinem Adel und von seiner Macht herabgesunkenen
Stammes sind. loh überzeugte mich sehr bald,
dass, wer eine vorübergehende Verbindung mit einer ihrer
Frauen einzugehn wünschte, nicht erst an den Brunnen zu
gehn braucht, wie Ebn Batüta von den Berdäma erzählt*),
sondern dass sie sogar seihst kamen, um sich anzubieten, ja
dass sie selbst von ihren Anverwandten feilgeboten wurden.
Selbst diejenigen unter den Männern, deren Benehmen nicht
ganz so verächtlich war, als das der Meisten, liessen nicht
ab, in mich zu dringen, mit den Frauen mich einzulassen, und
diese verfehlten nicht, kurz nachher sich zu zeigen. Es war
kaum möglich, dieses ganze Gerede für blossen Scherz zu
nehmen, und auch von anderer Seite her ward mir dieser
*) Wir haben den betreffenden Abschnitt von Ebn Batüta’s Reise noch
nicht im Original. Der Baron de Slane (im Journal Asiatique a. a. 0.) erklärt
ihn etwas verschieden.
lose Charakter der Sitten der Tagäma bestätigt. Übrigens
hat dieser nicht allein uns, sondern selbst dem guten Moslem
höchst anstössige Zug wohl entschieden einen ganz anderen
Ursprung als den blosser Frivolität.
Einige der Frauen waren nicht ganz hässlich, aber übermässig
beleibt, namentlich in Bezug auf die Hinterviertel,
für welche bei so übertriebenen Dimensionen, wie ich
schon erwähnt, die Tuareg den besonderen Namen „tebüllo-
den haben. Die Gesichtszüge dieser Frauen waren regelmässig,
aber nicht scharfgeschnitten, sondern von Überfülle
des Fleisches abgerundet und aufgedunsen; die Farbe ihrer
Haut war hell. Die Ausgezeichnetsten unter ihnen gaben
mir Sch&bö und Tämatu als ihre Namen an; das letztere Wort,
obwohl der Gattungsname für Frau, wird doch auch als
Eigenname gebraucht. Diese Vornehmeren unter den Schönen
von In-assamet waren in schwarze Türkedi’s und einen Überwurf
— „senne” — gekleidet, die Ärmeren einfacher in weissen
Baumwollenstoff. Die Kleidung der meisten Männer war
ebenfalls weiss,, aber die grösste Eigenthümlichkeit derselben
war, dass mehrere von ihnen das Haar in langen Zöpfen
herunterhängen liessen. Dies ist ein Zeichen, dass sie Aniss-
limen oder Meräbetm (heilige Männer) sind, welchen Charakter
sie trotz ihrer wenig strengen Sitten behaupten. Sie
haben keine Schule, sind aber stolz darauf, einen Mallem an
ihrer Me-ssälladjeh (Bethaus), die nicht eben sehr grossartig
sein kann, angestellt zu haben.
Nachdem ich einmal den Leuten erlaubt hatte, in mein
Zelt zu kommen, wurde es den ganzen Tag nicht leer. Dies
gab mir Gelegenheit, Manches zu hören,’ aber es verhinderte
mich auch, mehr Notizen niederzuschreiben. Die Namen der
Angeseheneren unter den Männern waren: Kille, El Chassen,
Efarret, Tschai, Kassa, Chändel und Amagär (eigentlich „der
Alte” oder „Ältermann”). Alle, diese Leute, Männerund Frauen,
brachten eine Menge Gegenstände zum Verkauf mit und ich