Ich schloss aus dem Umstande, dass unsere Kel-owi hier
Gras für die Kameele schnitten, dass nun unser Weg durch
einen gänzlich unfruchtbaren Strich fuhren würde; aber obwohl
hier Kraut- und Graswuchs unendlich reich, ja bis zum
Überwuchs gedieh, so war doch auch weiterhin kein Mangel
daran. Denn nachdem wir eine Weile nach Westen zur
Thalsohle hinausgetreten waren, betraten wir dieselbe wie-
derum und durchschnitten mehrere ihrer Arme, alle reich
an Pflanzenwuchs. Jenseits des südlichsten Armes, auf einem
offenen Platze, lagerten wir am Ahend, unmittelbar an einer
Begräbnissstätte der Imrhäd, die ein kleines Dorf in einiger
Entfernung gegen Osten bewohnen. Ausser diesem Orte, der
Tauar Nueidjüd heisst, besitzen sie noch weiterhin andere
Dörfer, Namens Tendau, Tin-tabörak und Emelloli.
Während wir mit den Übrigen unserer Gefährten uns auf
dem harten Boden und unter freiem Himmel so gut wie
möglich einzurichten suchten, gingen Hamma und Mohammed,
um ihr Quartier bei den Imrhäd zu nehmen, und wurden,
ihrer eigenen Aussage bei ihrer Rückkehr am anderen
Morgen zufolge, recht gastfreundschaftlich nicht allein
von der männlichen, sondern auch von der weiblichen Bevölkerung
aufgenommen. In der That können die Kel-owi
nicht eben als Beispiele einer strengen Lebensart gelten;
gewöhnlich lebt der Mann an einem ganz anderen Orte als
die Frau und besucht letztere nur gelegentlich, was denn
kaum etwas Anderes hervorbringen kann, als Untreue auf
beiden Seiten.
Die Imrhäd, welche in diesen fruchtbaren Thälem um
Agades her leben, zerfallen in eine Menge Abtheilungen, von
welchen ich die Namen folgender zu erfahren Gelegenheit
hatte :• die Eherheren, die Kel-tschi-ssem, die Taranaidji, die
Edärreban, die Yowüsswossan, die Efelengras, die Üheten*),
*) Dieser Name mag wohl mit dem Sonrhay-Stamm in Verbindung stehn;
die Tariwäsa, die Ihin - gemängh, die Egemen, die Edelen,
die Kel-tedele und die Shohanen.
[M i t t w o c h , 9ten Oktober.] Unser Weg führte uns anfänglich,
über rauhes Terrain, bis wir eine andere begünstigte
Lebensader in dieser Felsmasse erreichten, nämlich das Thal
Tefärrakad. In diesem Thale ist die Vegetation dadurch, dass
die Wasserader sich in mehrere Arme getheilt hat, auf einem
grösseren Raum ausgebreitet. — Während unsere Kel-owi
etwas zurückblieben, machten sich zwei zu Kameel berittene
Imrhäd an mich und wurden etwas lästig; die Leute sahen
jedoch so ausgehungert und abgezehrt aus, dass sie eher
Mitleid als irgend ein anderes Gefühl erregten; auch ihre
Kleidung und ihr ganzer Aufzug sammt der Besattelung
ihrer Thiere waren von der dürftigsten Art.
Weiterhin, nachdem wir aus dem Thale wieder auf Felsboden
gestiegen waren, begegneten wir einer kleinen Reisegesellschaft,
die in derselben mannichfaltigen Weise wie die
unsrige aus Kameelen, Bullen, Eseln und Fussgängern zusammengesetzt
war. Sie waren auf der Heimkehr nach ihrem
Dorf begriffen, mit Vorrath von Negerkorn, das sie in Agades
gekauft hatten.
Kaum hatten wir 3 Meilen zurückgelegt, als wir wiederum
in eine andere prachtvolle Einsenkung hinabstiegen, nämlich
in das Thal Borh-el. Dasselbe verdient ein ganz besonderes
Interesse ; denn hier sah ich auf unserem Rückwege,, als wir
in seinem unteren Theile lagerten, ausser einem schönen
Dümbaumwäldchen ein sehr grosses und höchst bemerkens-
werthes Exemplar einer durchaus tropischen, auf Haussa
„baure” *) genannten Ficus-Art, einen umfangreichen Baum
wenigstens werden die Sonrhay von den westlichen Imöscharh „Ehetane” genannt.
*) Ich. muss hier bemerken, dass dieser Baum nichts mit der Adansonia
gemein hat, mit welcher man ihn nach meiner allgemeinen Beschreibung für
identisch hielt.