XXIII. KAPITEL.
Die Landschaft Air. Übergang über das Plateau Abaddrdjen.
[Freitag, 27**™ Dezember.] Endlich sollte unser Scheinreisen
ein Ende nehmen und der wirkliche Marsch angetreten werden.
Früh am Morgen hatte eine sehr ernste Berathung mit
den Älterleuten der Kel-tafidet statt, die von ihren Dörfern
zur Begrüssung „des Alten” von Tintellust herbeigekommen
waren. Dann brachen wir auf, nahmen Abschied von diesem
Ländchen, wo wir länger verweilt, als wir gewünscht,
und schauten voll Vertrauen und Hoffnung den unbekannten
oder nur halbgekannten Landschaften vor uns entgegen.
Ehe ich jedoch vom Lande Asben Abschied nehme, das in
Wirklichkeit hier aufhört, wenn auch seine Grenze häufig
bis an den Brunnen Tergulauen ausgedehnt wird, will ich in
wenigen Worten die Hauptzüge dieses kleinen Gebirgsländ-
chens mitten in der Wüste zusammenfassen.
Erst als wir die wüste, kahle Hochfläche betraten, welche
dieses Land im Süden begrenzt, erkannten wir seine wahre
Natur, indem wir uns überzeugten, dass nicht seine südlichere,
schon in den Bereich der tropischen Begen fallende Lage,
sondern nur die mannichfaltige Konfiguration seiner Oberfläche
es vor dem übrigen Theile der Wüste auszeichnet.
Von Tidik an gerechnet, erstreckt sich das eigentliche Land
Air in einer Länge von zwei Grad und in einer durchschnittlichen
Breite von 40 bis 60 geogr. Meilen, im Ganzen genommen,
zwischen dem 19t™ und 17*™ Grade nördl. Breite und
dem S*™ und 9ten Grade östl. Länge (von Greenwich). Sein
eigentlicher 'Kem wird gebildet von einer Erhebung, die, in
verschiedenen höheren Berggruppen aufsteigend, zu beiden
Seiten tiefe Furchen bildet, in denen das in den Berghöhen
hei den tropischen Regen besonders im September und Oktober
gesammelte Wasser seinen Abfluss findet und durch die in
diesen engen Thälern zusammengepresste Hitze einen grossen
Reichthum von Pflanzenwuchs erzeugt. Die Fruchtbarkeit wird
dadurch bedeutend erhöht, dass Basalt in starkem Verhältniss
mit Granit gemischt ist; wo Sandstein vorwaltet, ist die Natur
am ärmsten. Die durchschnittliche Erhebung der Thäler können
wir auf 1800 Fuss, die der bedeutenderen Berggruppen
auf 4000 — 5000 Fuss angeben, und die höchsten Gipfel, besondere
der Tengik oder Timge, werden wohl jedenfalls über
5500 Fuss emporeteigen. Der noch unausgebildete Charakter
des Landes zeigt sich darin, dass diese zahllosen grösseren
und kleineren Thäler kein gemeinsames Flussbett bilden, ln
der That ist es fast unbegreiflich, wo die zu Zeiten in den
breiten Strombetten hinabgewälzte Wassermasse bleibt, und
es kann kaum ein Zweifel sein, dass sich gelegentlich kleine
Seebecken bilden müssen.
Im Ganzen senkt sich die Abdachung des Landes auf der
westlichen Seite der höchsten Berggruppen allerdings nach
Westen; aber selbst liier finden wir Ausnahmen, und alle
jene nach Westen abziehenden Thäler erweitern, sobald sie
aus den höheren Bergmassen heraustreten, und verlaufen
sich allmählich, ohne sich zu vereinigen. Ganz dasselbe soll
in der ähnlich organisirten Landschaft Wadjüuga in Borgu
und in anderen bevorzugten Landschaften der östlichen Hälfte
der sogenannten Wüste der Fall sein. Auf der östlichen Seite
der Hauptberggruppen scheint der RergMäri eine Art Wasserscheide
zu bilden. Sehr nahe liegende Thäler aber ziehen
in ganz entgegengesetzten Richtungen, da ihr Gefälle im Allgemeinen
gering ist, so dass das Ganze für den aufmerk