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VII. KAPITEL.
A u f e n t h a l t i n Mu r s u k .
Unglücklicherweise war alle Aussicht vorhanden, dass unser
Aufenthalt in Mursuk sich in ansehnliche Länge ziehen
würde, da die Häuptlinge von Rhät*), welche uns in ihren
Schutz nehmen sollten, erst eingeholt werden mussten. Der
Eilbote mit dem Briefe, welchem ein Schreiben des zeitweiligen
Statthalters beigegehen war, in dem den Häuptlingen
vollkommene Sicherheit versprochen wurde, ging nicht eher
als am 8ten Mai Abends ah. Gewiss, um das Land Air, das
noch nie die Schritte eines Europäers betreten hatten, mit
einiger Aussicht auf Sicherheit zu besuchen, war es noth-
wendig, unter dem Schutze eines mächtigen Häuptlings zu
stelm. Es war indess sehr fraglich, oh einer der Häuptlinge
von Rhät einen solchen Schutz zu gewähren wirklich im
Stande wäre. Auf der anderen Seite musste es die Ansprüche
dieser Leute bedeutend steigern, wenn man ausdrücklich
nach ihnen sandte, um nach Mursuk zu kommen,
uns ahzuholen; und nicht allein ihre eigenen Ansprüche, sondern
auch die anderer Häuptlinge, durch deren Gebiet unser
weiterer Weg ging, mussten gesteigert werden. Wie dem aber
auch sei, da dies Verfahren einmal für unumgänglich nöthig
*) Ich bemerke ein- für allemal, dass die Schreibung dieses, sowie vieler
anderer Namen in Europäischer Sprache höchst schwierig ist. Die Aussprache
des den Namen beginnenden Kehllautes ist entschieden dem r näher als dem (f.
Aufenthalt in Mursuk. 173
befunden wurde, so war die nächste Frage, ob wir alle drei
nach Rhät gehn sollten.
Diese Frage wurde am nächsten Morgen entschieden, indem
nach unserem Besuche hei Hadj El Amin, dem Bruder
des Gouverneurs von Rhät, bestimmt wurde, dass nur der
Direktor der Expedition nach jenem Platze gehn solle, um
wo möglich mit den Tuareg - Häuptlingen einen Vertrag zu
schliessen. Indessen sollten Herr Overweg und ich mit der
Kafla auf der südlichen Strasse geraden Weges nach dem
Brunnen ArukTm gehn, um dort Herrn Richardson zu erwarten.
Da war ein Mann, in der That wie von der Vorsehung gesandt,
welcher als Vermittler zwischen uns und den zunächst
zu betretenden Ländern dienen konnte; er war uns auf’s Angelegentlichste
von Hassan Baschä empfohlen, dem früheren
Statthalter von besän, den wir häufig in Tripoli gesehn
und der die politischen Verhältnisse des Sudans und die
dort an Macht und Einfluss angeseheneren Männer sehr wohl
kannte. Dieser Mann war Mohammed Boro mit dem Titel
„serki n turaua”, „Herr der Weissen”, Er wohnte gewöhnlich
in Agades, hatte aber auch ein Haus und viele Verbindungen
in Sokoto und war gegenwärtig auf seiner Heimreise
von einer Wallfahrt nach Mekka begriffen. Er bekleidete
augenblicklich nicht das Amt, dessen Titel er trug, sondern
hatte es mehrere Jahre zuvor bekleidet, zur Zeit, als
Mohammed Gumma Sultan -war, der in der Folge von den
Kelgeres zwischen Asben und Katsena getödtet wurde. Mohammed
Gumma war der Vater von Mohammed e’ Rufäy,
der im Jahre 1853 an Stelle rAbd el Kader’s die Sultanswürde
von Agades erhielt und ein grösser Freund von Boro war.
Dennoch aber war Mohammed Boro auch zur Zeit ein Mann
von grossem Einfluss und von höchst wichtigen Verbindungen
und konnte uns als solcher ebensowohl von grossem
Nutzen sein, als im entgegengesetzten Falle höchst schädlich