hier nicht eben ein sehr furchtbares Thier zu sein. Nach
den bestimmten Aussagen der Eingeborenen hat derselbe in
dieser ganzen Grenzzone keine, d. h. nur eine sehr kurze
Mähne und ist also dem Löwen von Guserat verwandt.
Das Wetter war indessen schwül geworden, und als wir die
Ebene hinter uns hatten und durch enge Schluchten uns hindurchwanden,
brach der Sturm lo s; es war der letzte in dieser
Regenzeit. Die einfältige Anordnung der Sklaven verursachte,
dass nicht nur wir selbst, sondern auch all’ unser Gepäck
gänzlich durchnässt wurde, indem sie, anstatt weiter zu gehn,
das Gepäck von den Thieren abluden und unter Matten sich
zu schützen suchten. Sobald indess Hamrna, der zurückgeblieben
war, herankam, setzten wir unseren Marsch fort. Der
war nun freilich weniger erfreulich als vorher, da Alles nass
und der Boden selbst zu ansehnlicher Tiefe mit Wasser be-'
deckt war; die trockenen Rinnsale hatten sich in mächtige
Ströme umgewandelt. So betraten wir die düstere, wild zerrissene
Thalebene von Ta-rhist, ganz mit Basaltstücken von
der Grösse eines Kinderkopfes bedeckt und rings von ernst
aussehenden Felsenerhebungen begrenzt.
Düster und öde, eine schauerliche Wildniss erschien die
Gegend; selbst hier aber zeigte sich, ausser dem interessanten
Vorkommen des Basaltes, ein Gegenstand, der die ganze Aufmerksamkeit
eines Reisenden auf sich ziehen musste, welcher
in jedem Lande die Spuren verfolgt, die, oft kaum bemerkbar,
die allmählige Entwickelung der jedesmaligen Bildungsstufe
seiner Bewohner andeuten.
Hier nämlich ist der Betplatz, ganz so, wie er von eben
dem Manne gestiftet wurde, welcher den Isslam nach den
Ländern des mittleren Sudan*) verpflanzte und dadurch jenen
*) Ich bezeichne als;" westlichen Sudan die Länder von I’utä bis Sokoto,
als Mittel-Sudan die von Sökoto bis Bagirmi und als östlichen Sudan die
Landstriche Wadai, Dar-Eör, Kordofan und Ssennär. Sudan ist gewiss eigentlich
ein unvollständiger Ausdruck, als Verstümmelung von „beled e’ ssndän”, aber er ist
mächtigen Kampf begründete, welcher, immer weiter und
weiter dringend, dazu bestimmt scheint, die Nationen bis
über den Äquator hinaus zu ergreifen — wenn nicht die
Christlichen Nationen jetzt ernstlich auf den Kampfplatz treten,
Um ihm seinen Preis streitig zu machen. Dieser Mann
war der berühmte Mohammed ben 'Abd el Kerim ben Marhili,
ein Bürger Büda’s, in Tauät, Zeitgenosse und vertrauter
Freund des Scheich e’ Soyüti, dieser lebendigen Encyklo-
pädie und dieses Schlusssteines, wenn ich so sagen darf,
Mohammedanischer Gelehrsamkeit. Er war gleichfalls ein
vertrauter Freund des Ssidi Ammer e’ Scheich, eines der
berühmtesten Männer in West - Afrika und Ahn meines
Freundes Ssidi Ahmed el Bakay.
Marhili lebte zur Zeit, als das grosse Sonrhay - Reich von
jener Höhe der Macht und des Ruhmes, die es unter der
energischen Herrschaft von Sonni .'Ali und Mohammed el
Hadj Askia erlangt hatte, herabzusinken anfing. Beleidigt
durch die Ungerechtigkeit des Askia Imäil, der ihm die Bestrafung
der Mörder eines seiner Söhne verweigerte, wandte
er sich jenem Lande zu, welches zuerst der Alles verschlingenden
Macht der Asäii oder Askia’s erfolgreichen Widerstand
entgegengesetzt und das, noch jugendlich und frisch, neuen
Glanz zu erlangen versprach, wenn es mit dem Samen einer
reineren Religion befruchtet würde. Aus solchen Beweggründen
theils rein persönlicher, theils aber wohl auch edlerer
Natur soll 'Abd el Kerim seine Schlitte nach Katsena
gewandt haben, wo wir ihm wieder begegnen werden. Auf
seinem Wege dorthin nun gründete er an dieser Stätte einen
Betplatz, um dem Reisenden ein Erinnerungszeichen zu bleibei
den Nord-Afrikanern in allgemeinem Gebrauch. Ich wiederhole, was ich
schon oben gesagt, dass ich Sudan ganz wie ein eingebürgertes Wort gebrauche
und anderen Ausdrücken vorziehe. — Wenn ich jedoch hier sage, dass
Marhili den Isslam in Mittel-Sudan einführte, so schliesse ich Borno aus, wo
derselbe viel älter ist.