XVI. KAPITEL.
Die Dümwälder und die malerischen Berghöhen.
Endlich brach der Tag an, an welchem ich zu meinem
e rs e h n te n Ausflug nach Agades aufhrechen sollte. Denn obwohl
ich damals noch keineswegs der ganzen Bedeutung und
des ganzen Gewichtes des Interesses mir bewusst war, das
sich an diesen Platz knüpft, war er doch für mich ein
Punkt der grössten Anziehungskraft geworden. Denn was
kann wohl anziehender sein, als eine bedeutende Stadt, die
einst an Grösse Tunis gleichgestanden haben soll, mitten
unter gesetzlosen, barbarischen Horden gelegen, an der
Grenze der Wüste und der fruchtbaren Distrikte des fast
unbekannten Inneren eines grossen Kontinentes, gegründet
an solchem Platze von Alters her und beschützt als eine
Stätte friedlicher Zusammenkunft und des Handelsverkehrs
und Austausches der mannichfaltigsten Bedürfnisse zwischen
Nationen der verschiedensten Charaktere? — In der That
ist es nur ein Zufall, dass diese Stadt bei den Europäern
nicht so lebhaftes und romantisches Interesse erregt hat, als
ihre Schwesterstadt Timbuktu, obgleich die letztere natürlich
den Vortheil der Nachbarschaft eines Flusses hat. Timbuktu
ward in Europa berühmt durch die Menge Goldes, das einst
auf diesem Wege nach Marokko floss, während der Handel von
Agades, ja seihst der Name der Stadt während der Dauer
ihrer Blüthe in Europa unbekannt hlieh.
Es war ein schöner Morgen, der eine gesunde, erfrischende
Luft aushauchte und Körper und Seele stärkte. Der alte
Häuptling, •welcher zuvor unser Lager nie besucht hatte, kam
nun aus dem Dorfe heraus und stattete uns einen Besuch ab.
Er versicherte mich nochmals, „dass meine Sicherheit auf seinem
Haupte ruhe”. Unser Bestreben, die anderen einflussreichen
Männer seines Landes uns zu befreunden, von dem
er nun Zeuge ward, war seinem Herzen so wohlthuend, dass
selbst seine ihm zur Gewohnheit gewordene Kargheit zurücktrat,
und mit gefälliger Gastfreundlichkeit, die uns ganz in
Erstaunen setzte, üherliess er unserer Gesellschaft einen Bull-
ochsen aus seiner kleinen Heerde. Er hatte sich zu diesem
Besuch ganz feierlich angethan und trug einen reinen, weis-
sen Shawl um sein Haupt. Reinlichkeit der Kleidung war
sonst nicht gerade sein Hauptverdienst.
Die kleine Truppe, mit welcher ich gehn sollte, bestand
aus sechs Kameelen, fünfunddreissig Eseln und zwei Bullen,
von denen der eine nur seihst angewiesen wurde, bis mein
Beschützer Hamma ein Kameel für mich zu miethen im
Stande sein würde. Obgleich ich nun aber wohl gewohnt
hin, zu Pferde, sowie seihst zu Kameel zu reiten, so hatte ich
es doch noch nie versucht-, den .breiten, ungelenken Rücken
eines Rindes zu besteigen. Die Sache war um so schwieriger,
als weder ein Sattel, noch irgend eine andere Unterlage
vorhanden war, um darauf sitzen zu können, sondern nur
unregelmässige Gepäckstücke höchst ungenügend auf dem
Rücken des Thieres befestigt waren, die von einer Seite zur
anderen schwankten.
Nachdem der erste Bulle durch ganz rücksichtslose Weigerung,
mich oder überhaupt irgend etwas zu tragen, seiner
Pflicht sich entzogen hatte und im Genüsse voller Freiheit
eilends zu seiner Heerde zurückgekehrt war, wurde der zweite
endlich gezähmt, das Gepäck, wie es gerade möglich war,
auf seinen Rücken gebunden und ich ersucht, ihn zu besteigen.
Offen gestanden, ich würde ein Pferd oder selbst einen