XVIII. Kapitel.
des Sultans nicht mehr nöthig sei, zurückhaltend zu sein.
Es war in der That unterhaltend, zu sehn, welche Schlüsse
diese Sünderinnen aus dem Motto „sserki yätafi” zogen und
mit welcher Frivolität sie mich unter vielem Gelächter um
ein zweideutiges „mägani-n-tscheki” baten.
Zwei von ihnen waren leidlich hübsch und gut gebaut,
mit schwarzem, in Flechten herabhängendem Haar, ohne Überfluss
von Fett, mit lebhaften Augen, heller Gesichtsfarbe und
angenehmen Zügen. Die stattlichste unter ihnen war ganz in
Weiss gekleidet. Sie gehn unverschleiert, ziehen aber gelegentlich,
mehr aus Coquetterie als aus Schamhaftigkeit, ein
Obergewand über den Kopf; die Brust ist vollkommen bedeckt*).
Es wäre zu gefährlich gewesen, eine genaue Untersuchung
aller Einzelheiten ihres Gewandes vorzunehmen,
aber, so viel ich bemerkte, war es gegürtet und überhaupt
sehr verschieden von dem bei den westlichen Sonrhay und
in Tümbutu üblichen, an der Brust etwas aufgeschlitzten
weiblichen Kleide oder Hemde.
Diese Emgedesier Fräulein oder Frauen gingen in ihrem
Übermuthe jedenfalls etwas zu weit, und ich war zu sehr
überzeugt von der Nothwendigkeit, in der ein Europäer sich
befindet, der unangetastet und angesehn diese Länder durchwandern
will, sich mit äusserster Vorsicht und Zurückhaltung
in Bezug auf das weibliche Geschlecht zu benehmen, als dass
diese ausgelassenen, keineswegs abstossenden Personen mich
hätten wankend machen können. Es würde ohne Zweifel für
einen Reisenden in diesen Ländern besser sein, wenn er eine
Gefährtin mit sich nehmen könnte, sowohl hinsichtlich seiner
eigenen Bequemlichkeit, als auch wegen der Achtung, in der
er dann bei den Eingeborenen steht, die in ihrer Einfalt nicht
*) Leider erscheinen in der Ansicht von Agades die auf der Terrasse dargestellten
Frauen mit unbedecktem Busen; dies ist aber nur eine Freiheit, die
sich Herr Beraatz bei der Ausführung meiner Skizze genommen hat.
begreifen, wie ein Mann möglicherweise ohne weibliche Genossenschaft
leben kann. Die westlichen Tuareg, besonders
die freien, reinblütigen Auelimmiden, die in ihren Sitten ungleich
strenger sind, als die Kel-owT, hatten nichts gegen
mich einzuwenden, als dass ich als Junggesell und ohne Genossenschaft
einer Frau lebte. Da es aber mit einiger Schwierigkeit
verknüpft sein würde, eine Gefährtin, wenigstens eine
einigermassen liebenswürdige, für solche Reisen zu finden,
und man sich durch Heirath mit einer Eingeborenen vielfachen
Unannehmlichkeiten, besonders in Bezug auf die Religion,
aussetzen würde, so wird der Europäische Reisende in den
Ländern des nördlichen Central -Afrika’s ^pich schliesse natürlich
die unter Egyptische Herrschaft gefallenen und von
dem Auswurf Europa’s täglich durchzogenen oberen Nillän-
der aus — gewiss am besten thun, so streng in seinem Wesen
gegen das ändere Geschlecht sich zu zeigen, als möglich,
obwohl er sich dadurch mancherlei Spötteleien von Seiten der
leichtsinnigeren Eingeborenen aussetzen mag — wie es mir
mit meinen Kel-owi ging. Dennoch wird mir der strenge
Leser erlauben, zuweilen einige scherzhafte Unterhaltungen
mit dem zarteren Geschlechte einzuflechten, die man dem verlassenen
Reisenden schon gönnen muss.
Die übermüthigen Emgedesierinnen wurden mir indessen
in der Abwesenheit des Landesherm so lästig, dass ich es
für'bösser hielt, einige Tage zu Hause zu bleiben, wodurch
ich in den Stand gesetzt wurde, den mannichfaltigen Stoff
der Belehrung, den ich zu sammeln Gelegenheit gehabt hatte,
zu ordnen. Während dieser Beschäftigung erfreute mich
die Gesellschaft einer kleinen, niedlichen Art von Finken,
welche in grösser Anzahl alle Zimmer in Agades .heimsuchen
und dort ihre Nester bauen, ganz ebenso wie in dem in
in allen Beziehungen Agades so schwesterlich zur Seite stehenden
Tümbutu. Namentlich ist das Männchen mit seinem
rothen Halse überaus niedlich. Die Jungen wurden jetzt
Barth’s Reisen. I. ' 6 2