bieten. Es war nicht mehr das fanatische Volk, dem wir
zuvor begegnet waren; die Meisten unter ihnen waren selbst
Sklaven und Heiden; ihre Bekleidung war einfach und
schlecht. Gewiss ist die Bekleidung eine kostbare Sache in
diesem Lande, das keine Baumwolle kervorbringt und wo
Kleidungsstoffe nur gegen das Landeserzeugniss eingetauscht
werden können.
Auf einem Felde zur Seite unseres Pfades lag das Korn
noch ungedroschen, obgleich die Erndte schon vor zwei
Monaten eingesammelt war. Das Dreschen geschieht hier
mit langen Stangen, wie fast über das ganze Innere hin. Die
ganze Landschaft von Damerghü bringt keinen Mais (Holcus
oder Sorghum) hervor, sondern nur Negerhirse (Pennisetum
typho'ideum), und zwar, so viel mir bekannt, vön der weissen Art.
Weiterhin ward eine angenehme Unterbrechung in den
Stoppelfeldern durch, ein wenig Weidegrund gebildet, auf
welchem eine ansehnliche Heerde Rindvieh weidete. Darauf
folgte ein Landstrich, der ausschliesslich mit der .einförmigen
Asclepias gigantea bedeckt war. Diese Pflanze hat
gegenwärtig keinen anderen Nutzen, als das Sparrwerk zu den
Strohdächern zu bilden, oder zu Zäunen zu dienen;’ zur
Feuerung ist das Holz zu schlecht und leicht, wiewohl das
Mark als Zunder benutzt wird. Auch macht der Eine oder
Andere Gebrauch von dem ausgehöhlten jüngeren Stamm zu
gelegentlicher Reisepfeife. Aber der Milchsaft, den dieses
gigantische Unkraut der Tropen in reichlicher Fülle enthält
und den die heidnischen Eingeborenen, wenn nicht dieser, so
doch anderer Gegenden des Sudans nur dazu benutzen, ihre
„gia” , „dickes Hirsenbier” in Gährung zu setzen, möchte
einst ein höchst wichtiger Artikel werden, wie er in Indien
die Aufmerksamkeit schon so vielfach auf sich gezogen hat.
Jetzt ist eben dieser Saft nur eine Plage des eingeborenen
sowohl wie des fremden Wanderers, der feldein zu gehn
hat, indem er nicht nur seine eigenen Kleider verdirbt,
sondern selbst das Haar der Pferde befleckt und ausgehn
macht. Jedoch von der weiten Verbreitung der Asclepias
im ferneren Verlaufe der Reise mehr, wenn wir die wüste
Asphodeloswiese um Kukaua erreichen. Hier will ich nur
noch bemerken, dass das Rindvieh, wenigstens in Gegenden,
wo ihm gutes Futter fehlt, die Blätter der Asclepias
nicht verschmäht.
Allmählich stiegen wir aufwärts und erreichten um tOji
Uhr, den Kamm des ansteigenden Terrains, dessen Boden
aus rothem Thon bestand. Es war, im Ganzen genommen,
hügeliges Land, das wegen des fast gänzlichen Mangels an
Bäumen etwas einförmig erschien, dennoch aber für den
Reisenden, welcher eben die kahlen Landschaften im Norden
hinter sich hatte, das höchste Interesse besass. Wir passir-
ten mehrere einzelne Meiereien, die einen höchst erfreulichen
Eindruck von Sicherheit und Frieden erregten, und erreichten
dann eine Gruppe mehrerer Brunnen, von denen einige ausgetrocknet,
andere jedoch voll Wasser waren. Hier wurde ausser
Rindvieh eine grosse Menge Pferde getränkt, was für uns eine
heitere Scene ganz neuer und anregender Art war. Aber auch
ringsumher auf den kleinen Strecken Weideland, wodurch die
Stoppelfelder unterbrochen wurden, konnte man noch eine grosse
Anzahl Pferde grasen sehn. Einige dieser Thiere waren in
recht gutem Zustande, wohlgenährt und stark, und mit schönem,
weichem Haarwuchs. Unsere Aufmerksamkeit ward jedoch
bald von diesen lebendigein Wesen auf einen anderen Gegenstand
gelenkt, auf den Trog am Brunnen. Er bestand nämlich
aus einer Schildkrötenschale von mehr als 2 Fuss Länge,
und wir erfuhren auf unsere Nachfrage, dass die Schildkröte
oder vielmehr Landschildkröte (Tylopoda) keineswegs
selten von solcher Grösse in diesem Gaue vorkomme, wie
sie denn schon vom gewandten und eifrigst forschenden An-
dalusischen Geographen Abu 'Obeidallah el Bekri als in
diesen Gegenden gewöhnlich erwähnt worden ist.