er Augenzeuge einiger unserer blutigsten Schlachtfelder, wie
der yon Leipzig und Waterloo, gewesen! Er würde sich mit
Abscheu und Verachtung von der gepriesenen Civilisation
Europa’s ahgewendet und mit Genugthuung der Räubereien
und kleinen Gefechte seines wilden Heimathlandes gedacht
haben.
[Montag, 2 5 November.] Der heutige Tag war für unsere
kleine Niederlassung ein bedeutender Markttag; denn
gestern war die lange erwartete Karawane von Damerghü
mit Lebensmitteln angekommen und alle Leute legten ihre
nöthigen Vorräthe ein. Wir jedoch hatten einige Mühe, unsere
Bedürfnisse zu befriedigen, da alle unsere Sachen, selbst
die wenigen Thaler, welche wir noch besassen, sehr entwer-
thet waren und zu mehr als 30 Prozent unter ihrem eigentlichen
Werthe weggegeben werden mussten. — Nachdem ich
in Agades die Schwäche meines Magens durch -Hülfe der
„fürstlichen Gerichte”, welche mir von rAbd el Kadiri gesandt
wurden, einigermassen beseitigt, hatte ich ungeachtet
des schönen, kühlen Wetters nochmals von der Wirkung
unserer beinahe rohen, bitteren Gerichte aus Negerhirse
zu leiden, namentlich da ich keinen Thee mehr hesass,
um diesen unschmackhaften und schwer verdaulichen Teig
hinunterzuspülen.
Ich fühlte denn ungewöhnliches Behagen, als wir am 27ste“
mit einer kräftigen Suppe bewirthet wurden; sie war von
dem Fleische eines Ochsen gekocht, den wir von Annür für
12,000 Kurdi gekauft hatten. -— Es war ein Tag der Freude
und eine neue Epoche in unserem einförmigen Dasein, und
ich fühlte meine Gesundheit wieder zurückkehren. —
Unsere Geduld wurde wirklich auf die härteste Probe gestellt
und ich schaute einige Augenblicke mit einer Art Verzweiflung
in Hamma’s Antlitz, der eben (28stm November)
von seiner Sendschaft zu den E-faday, welche nicht ganz erfolgreich
gewesen zu sein schien, zurückgekehrt war. Er
erklärte mir näinlich, dass wir immer noch einen Aufenthalt
von 25 Tagen hier haben würden; glücklicherweise pflegte er
aber die Dinge von ihrer schlimmsten Seite darzustellen, und
ich war froh, dass der alte Häuptling selbst, als ich ihn
nachmals fragte, mich versicherte, unser Aufenthalt würde
bestimmt nicht 15 Tage überschreiten. Ich überzeugte mich
indess in der Folge durch die ersten Tage unseres Schein-
reisens, dass die Angabe des wahrheitsliebenden Hamma,
der mich nie betrogen hatte, vollkommen begründet sei.
Mein Freund kam, um zeitweiligen Abschied von mir zu
nehmen, da er für wenige Tage sich entfernen wollte, um
eine seiner älteren Schwestern, welche in TelTschiet wohnte
(einem Orte weiter oberhalb im Thale von Tin-teggana), zu
besuchen, und natürlicherweise hatte ich ihn mit einem kleinen
Erzeugniss Europäischer Industrie als Geschenk für sie
zu versehen.
Wir hatten alle Ursache, die Energie des alten Häuptlings
zu bewundern. Am 30sten November nämlich ging er zu
einer „geheimen Rathssitzung” mit Mallem Asöri und Sultan
Astäfidet, die in einer einsamen Schlucht halben Weges
zwischen Tin-teggana und A-ssödi stattfand, und obgleich er
am l sten Dezember erst spät am Abend von da zurückgekehrt
war, sahen wir ihn doch schon früh am Morgen des 2*en
im Galop durch das Lager reiten, um den neuen Wasser-
-platz weiter unten im Hauptthale zu besuchen. Der ehemalige
Brunnen fing nämlich an auszutrocknen, oder es war
vielmehr nöthig geworden, ihn zu grösserer Tiefe auszugraben,
da die Feuchtigkeit, welche sich in der Regenzeit angesammelt
hatte, allmählich zurückwich. Dies war auch
die erste Gelegenheit, wo wir unseren Freund zu Pferde sahen,
und obwohl 76 Jahre alt, sass er doch sehr gut und
gerade im Sattel; man bemerkte jedoch, dass er sich zeigen
wollte.
Herr Overweg brach an einem der folgenden Tage auf, um
Barth's Belsen. I. , 7 1