zeigte der Berg Kadamellet, von dem bisher nur das Doppel-
hom sichtbar gewesen, seine yolle Gestalt, eine breite Basis,
von der das kurze Zweihom emporstieg.
Die Strasse wurde so überaus rauh und unwegsam, dass
unser Marsch nur sehr langsam vorwärts ging. Da wir hier
bestimmte Nachricht erhalten hatten, dass unsere Muthmas-
sungen nur zu begründet gewesen, und dass ein anderer
Baubzug gegen uns veranstaltet sei, zogen wir in Schlachtordnung
weiter. Unser Freund Annür war in grösser Aufregung
; denn man hatte Drohungen gegen seine eigene Person
ausgestossen, weil e r es sei, der Christen in’s Land gebracht
habe. Er kam zu uns und bat uns inständig, uns in der
Mitte der Karawane zu halten und auf unserer Hut zu sein.
In langer, dicht geschlossener Reihe über den rauhen Felsboden
dahinziehend, erreichten wir in der rauhen, engen
Einsenkung Taroi *) einen kleinen Pfuhl Regenwassers , aus
dem wir uns mit Wasser versorgten. Auch hier wieder fiel
uns die treffliche Rasse der Esel auf, die zur Tränke hergetrieben
waren.
Als wir uns wieder in Bewegung setzten, ward das Land
interessanter, ja zu Zeiten selbst malerisch;' mehrere schöne
Schluchten stiegen eine hinter der anderen von den herrlich
ausgezackten Bergen zur Linken herab, und die Höhen entwickelten
nun die ganze Erhebung ihres Abhanges, da die
Vorhöhen allmählich sich zurückzogen.
Wir waren nur etwa 8 Meilen von Selüfiet entfernt, wo
wir uns für ziemlich sicher halten konnten. Wir hegten nicht
den geringsten Zweifel, dass wir dort schlafen würden, als
plötzlich schon vor Mittag, angeführt von einem hochgewach-
*) Richardson nennt den Tümpel ¿Anamghur”. Es mag dies wirklich der
Name dieses Wasserpfuhls sein, obgleich, . wenn ich nicht irre, anamaghur
oder anemäghera im südlichen Berberdialekt die allgemeine Bedeutung von
„Tränke” hat. Denn auch unser Halteplatz nahe bei Tä-rha-djTt ward so
genannt. Das Thal heisst entschieden Taroi.
senen Tarki, der von Kopf bis zu Fuss in eine glänzend - neue
Kleidung des dunkelsten Schwarz gehüllt war, unser alter
Asgar-mädogü Aued-el-Cher von der Strasse abbog und
Halt machte; am Rande, eines breiten Thaies mit herrlichem
Graswuchse ward der Lagerplatz gewählt. Wie unbewusst
und in ominösem Stillschweigen folgte die ganze Karawane;
nicht ein Wort war zu hören. Da ward es denn ganz klar,
dass wir eine neue Prüfung bestehen sollten, die allem Anschein
nach von ernsterer Art als alle vorigen sein würde.
Es war unverkennbar, dass ein teuflisches Einverständniss
zwischen mehreren Gliedern der Karawane obwaltete. Ohne
Zweifel wären Einige mit im Geheim n is«; Annür indess war
nicht weniger in unserem Interesse und hatte den aufrichtigsten
Wunsch, dass w ir . sicher durchkommen möchten.
Aber der unruhige Zustand des Landes erlaubte diesem
schwachen, kraftlosen Manne nicht, seinen Wunsch zu erfüllen.
Wir waren schon von den Grenzstämmen ausgesogen worden,
und nun war eine andere starke Partei zu befriedigen. Es war
die der Meräbetln oder Anisslimen, welche im Lande grossen
Einfluss gemessen und in gewisser Beziehung dem unumschränkten
Ansehn des alten Häuptlings Annür in Tintellust
feindlich gegenüberstehn. Eben jetzt lag dieser Mann, der
ganz allein einige Macht besitzt, den unruhigen Geist
unter diesen wilden, gesetzlosen Stämmen im Zaum zu halten,
krank darnieder. In Agades war kein Sultan und mehrere
Parteien standen sich noch in Streit gegenüber, während
bei der grossen Expedition gegen die Ueläd Slimän alle
Leidenschaften des kampflustigen Volkes aufgeregt worden
und seine Gier nach Beute und Raub bis zum höchsten
Grade gesteigert war. Um unsere Lage und die Weise, auf
welche wir preisgegeben wurden, richtig zu schätzen, muss
man all’ diese Umstände in Betracht ziehen.
Die ganze Verhandlung hatte von Anfang an einen sehr
Barth’s Reisen. I. 4 4 .