beherrscht. Auch auf ihr stand früher ein vierecktes befestigtes
Gebäude. Zur Zeit unseres Besuches war die Burg der
Stützpunkt der Türken zur Unterdrückung der Bergbewohner
und hielt eine Besatzung von 400 Mann mit fünf Tamburis.
Im Juni vorigen Jahres ward sie ihnen entrissen und ist seitdem
der Sitz des abenteuerlichen, unternehmenden Häuptlings
Khöma oder Ghöma *). Sie hat nur eine Bastion mit drei
Kanonen an der südlichen Ecke und liegt nach der hypsometrischen
Beobachtung Dr. Overweg’s 2150 Fuss über der
Oberfläche des Meeres.
Die hohe, steil abschiessende Thalwand ist wunderbar schön
und regelmässig in Geschieben von Gyps und Kalkstein von
verschiedener Farbe gelagert. Fast ist es möglich, den ganzen
Rand der Schlucht auf derselben Kalksteinschicht zu umkreisen,
da von den herabstürzenden Regengüssen der weichere
Gyps ausgewaschen ist und die härtere Felsschicht frei
stehen gelassen hat.
Von der kleinen Anhöhe, welche oben erwähnt wurde, hat
man einen sehr freien Blick über die Thäler und Hochebenen
im Süden. Es war hier, dass wir ein ganz anderes Interesse
für diese Gegenden gewannen, als wir bisher durch die mageren,
unverständlichen Berichte früherer Reisenden hatten
erhalten können.
Nachdem unser Zelt aufgeschlagen war, erhielten wir einen
Besuch vom Keimakam oder Statthalter. Er gilt als die zweite
Person im Baschälik und hat die ganze Landschaft von Soära
bis Ghadames in SW. und bis zum Tar-höna in SO. unter
seinem militärischen Befehl. Sein Gehalt beläuft sich auf
4600 Mahbuben. Da dieser Mann, der Hadj Raschid hiess,
ehemals im Cilicischen Adana Gouverneur gewesen war, so er*)
Diesen Satz habe ich nicht verändern wollen, obgleich gegenwärtig (Mitte
1856) der aufständische Häuptling besiegt und die Burg wieder in den Händen
der Türken ist.
ging ich mich mit demselben in Erinnerungen aus Kleinasien,
nach dem er lebendige Sehnsucht fühlte. In der That, wenn
diese Ossmanli etwas regen Sinn für Völkerleben besässen, so
hätten sie Gelegenheit genug, bei den weitgeschichteten Provinzen
ihres Reiches einen lebendigen Blick in die Welt zu thun;
aber sie denken nur an ihre Pfeife und ihren Geldsack.
[Sonnabend, 9*®» Februar.\ Am frühen Morgen machte ich
einen Spaziergang nach einem höheren Hügel in einiger Entfernung
östlich vomKasr, welcher meine Aufmerksamkeit schon
am gestrigen Tag auf sich gezogen hatte. Auch diese beherrschende
Anhöhe war früher mit einem Thurm oder einer kleinen
Feste gekrönt, aber sie ist zerstört worden, und nur ein
einzelnes Pachtgehöft unterbricht die Einsamkeit. Der Blick
beherrscht ein weites Gebiet dieses Hochlandes, aber der starke
Wind erlaubte mir nicht, genaue Kompassbeobachtungen anzustellen.
Von diesem höheren Punkte sieht man, wie die ganze
Oberfläche dieses Hochlandes sehr rauh ist und aus lauter
kleinen konischen Hügeln besteht; da diese aber meist zu
gleicher Höhe sich erheben, so sieht die Oberfläche aus der
Ferne ganz eben aus.
Während Herr Overweg bei der Türkenfeste zurückblieb, um
seinen geologischen Forschungen nachzugehn, unternahm ich
mit unserem Reiter und einem Sintäni-Burschen, welchen ich
hier aufgriff und der nachmals auf unserer Reise nach Fesän
sich sehr nützlich erwies, eine Ausflucht in westlicher Richtung.
Ich hegte ein lebendiges Verlangen in mir, diesen so
schroffen und durch massenhaft in die Ebene .vortretende
Bergspomen so überaus malerisch gestalteten Abfall des Pla-
teau’s ein wenig näher kennen zu lernen.
Anfänglich machten wir eine kleine Abschweifung nach Norden
zu, um Ta-gerbüst zu besuchen, einen Ort, welchen zu
sehn ich starkes Verlangen trug. Er liegt nördlich vom Kasr
Djebel, an der Seite einer kleinen Schlucht, die sich von dem
Gebirgsausläufer westwärts in das grosse Thal hinabsenkt.