K A P I T E L VI.
Religiöse Bedeutung einiger Spiele der Mahakam-Dajak — Spiele der Männer: Waffen tanz
Ringkampf, Wettlauf, Hoch- und Weitsprung, Ball- und Kreiselspiel, Scheinkämpfe (Wasserspritzen.
Blasrohrschiessen) — Spiel der Frauen: Tanz zwischen Reisstampfern —- Volksspiele —• Kinderspiele:
Spielzeug, Steinewerfen (aus freier Hand; mit Schleudern), Figurenbilden mittelst einer Schnur, Häuserbau
— Singtänze (ngarang) — Rezitationen — Musikinstrumente: Gonge, kfädi,- Flöten, Guitarre
(sape\ Mundharmonika (tong) — Singen und Pfeifen.
Die Spiele der Bahau-Dajak greifen, wohl ihres teilweise religiösen
Ursprungs wegen, tief in ihr Volksleben ein. Rechnet man zu ihren
Spielen nicht nur Vergnügungen an sich, wie Tänze, Ball- und Kreiselspiel,
sondern auch gymnastische Übungen und rein musikalische
Genüsse, so verdienen diese ihres Umfanges wegen hier eine besondere
Betrachtung.
Der Einfluss des Kultus, der das ganze Leben der dajakischen
Stämme beherrscht, lässt sich auch in ihren Spielen nachweisen. Dies
gilt hauptsächlich für die von allen Erwachsenen gemeinsam, meist zu
bestimmten Gelegenheiten vorgenommenen Vergnügungen, weniger für
die mehr individuellen, an keinen Termin gebundenen. Erstere finden
nur sehr selten zu gewöhnlichen Zeiten statt, auch erlangen sie ihre
volle Bedeutung eigentlich nur gelegentlich der Ackerbaufeste, die
einen streng religiösen Charakter tragen. Aber auch dann unterhält
man sich nicht nach Belieben, sondern zu bestimmten Festen gehören
auch bestimmte Spiele; so sind bei den Saatfesten (tugal) andere Belustigungen
üblich als beim kleinen Erntefest (la li p a rei ok) oder dem
grossen Erntefest {la li p a rei aja), beim Anfang der Ernte und beim
Neujahrsfest (dangei). Beim tugal wird Masken- und Kreiselspiel vorgenommen
; beim ersten Einholen des Reis {la li parei) beschiesst man
einander aus Blasrohren u. a . ; zur Neujahrsfeier gehören Gymnastik
und Wasserspritzen. Ist dieser Zusammenhang zwischen Festen und
Spielen nun ein zufälliger oder ein innerlich begründeter? Letzteres
erscheint mir wahrscheinlicher, denn bei einem der wichtigsten Männerspiele,
dem hudo käjo, habe ich eine religiöse Bedeutung direkt
nachweisen können (T. I p. 325); obgleich mir dies bei den anderen
nicht gelungen ist, vermute ich doch, dass auch allen übrigen, mit
bestimmten Festen verbundenen Spielen ein religiöser Gedanke zu Grunde
liegt. Bemerkenswert ist, dass Handlungen, welche von den Priestern
bei ihren Zeremonien verrichtet werden, bei den übrigen Stammesgenossen
nur zur Belustigung dienen. So werden die unter diesen dajakischen
Stämmen sehr verbreiteten Schwerttänze {kenja) auch von
Priestern beiderlei Geschlechts beim Neujahrsfest ausgeführt und zwar
hauptsächlich zur Abwehr der bösen Geister von den gebrachten Opfern;
ferner bietet, wie anderen Ortes berichtet worden ist (T. I p. 182), die
älteste Priesterin, mit Kriegsmütze und Schwert bewaffnet, zuerst das
Opfer, dann das Fruchtbaumholz der Dangeihütte tanzend den Himmelsgöttern
zum Geschenk an. Da beim kenja nicht nur Kriegsszenen, sondern
die verschiedensten Vorfälle aus dem täglichen Leben dargestellt
werden, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich dieser Tanz aus den
obigen religiösen Zeremonien entwickelt hat. Ähnlich verhält es sich mit
dem nangeian (Rundtanz T. I p. 176). Dieser gehört zu denjenigen
Zeremonien des Neujahrsfestes, die von den Priesterinnen eingeleitet und
von den Laien stundenlang auf die gleiche Weise fortgesetzt werden.
Berner wird der von jungen Männern und Frauen so gern gepflegte
ngarang auch von den Priestern getanzt, nur nach anderen Melodien.
Dasselbe gilt für die übrigen Vergnügungen; bei der m$lu z. B. trachtet
die dajung auf ihren Geist in Apu Lagan durch das Rezitieren der
Legenden von B e l a w a n B u r i n g , von B a k o n g oder von B u n Einfluss
zu gewinnen und ihn zum Niedersteigen zu bewegen. Den gleichen
Legenden lauscht aber auch bisweilen der ganze Stamm Nacht für
Nacht, wenn sie von einem geübten Rezitator vorgetragen werden.
Ist dieser in den umfangreichen dajakischen Ueberlieferungen gut bewandert,
so wird er gleich einem Künstler oder Priester für beseelt
angesehen. In diesem Fall ist zweierlei möglich: das däjung (Singen,
Rezitieren) der Priesterinnen kann das Ursprüngliche gewesen sein
und bei den Laien Nachahmung gefunden haben, oder die Priester
können versucht haben, die Geister auf die gleiche Weise zu unterhalten
und anzulöcken, wie es bei den Menschen üblich ist.
Von den Spielen der Erwachsenen habe ich das Masken- und Kreiselspiel,
den Kampf mit Blasrohren und das gegenseitige Bespritzen
mit Wasser ausschliesslich während der religiösen Ackerbaufeste vor