Umgebung die Rohstoffe, aus denen sie zu Hause hergestellt wird.
Der zur Verfügung stehende Webstuhl ist sehr primitiv; der Stoff,
den man webt, besteht entweder aus selbst gebauter Baumwolle, die
man mit der Hand reinigt und zu Fäden spinnt, oder aus den langen
Fasern der auseinander geraffelten Lianenstämme, die aneinander geknüpft
oder zu Fäden ineinander gedreht werden. Hieraus webt man
grobe Stoffe, deren Herstellung viel mehr Arbeit und Zeit kostet als
die viel brauchbareren Gewebe, die in. Europa verfertigt werden.
Ferner eileidet eine Bevölkerung auf so niedriger Kulturstufe noch
einen besonderen Nachteil durch ihre mangelhafte Arbeitsteilung. Es
zeigt sich nirgends besser als in unserem modernen Gesellschaftsleben,
wie geeignet dieses Mittel ist, der so geringen körperlichen und
geistigen Fähigkeit des Individuums in der Beherrschung und Verwendung
der Materie nachzuhelfen. Wo aber jede Familie darauf angewiesen
ist, sich selbst durch Ackerbau, Jagd und Fischfang zu versorgen,
wo sie ihre Kleidung selbst hersteilen, ihre Wohnung selbst baufen
und bisweilen alle hierfür erforderlichen Gerätschaften selbst verfertigen
muss, da stehen ihre Glieder notwendigerweise infolge mangelnder
Übung an Fertigkeit weit hinter denen zurück, die aus einer dieser
Tätigkeiten ihren Lebensberuf machen.
Fasst man diese oben geschilderten Lebensverhältnisse ins Auge,
so nimmt es nicht Wunder, dass die Bahau nicht zu den kräftigen
Menschenrassen gehören; weder sie noch die meisten anderen daja-
kischen Stämme, denen ich begegnete, machten den Eindruck von Menschen
mit grösser Lebensenergie.
Damit hängt es auch zusammen, dass ein solches Volk sich in
höherem Masse als einen Spielball ausser ihm stehender Mächte fühlt,
als dies bei einem entwickelteren Gemeinwesen der Fall wäre. Daher
wird auch die Gedankenwelt der Dajak in viel höherem Grade von
einem Gefühl der Abhängigkeit gegenüber der Umgebung beherrscht
und einige ihrer gesellschaftlichen Einrichtungen sind ein unmittelbarer
Ausfluss hiervon.
Bezeichnend dafür sind ihre Vorstellungen von sich selbst und der
Stellung, die sie ihrer Umgebung gegenüber einnehmen. Jene kommen
z. B. in ihrer Schöpfungsgeschichte zum Ausdruck, nach der sie selbst
gleichzeitig mit ihren Haustieren aus Baumrinde gebildet wurden; auch
schreiben sie diesen Tieren und einigen anderen wie sich selbst zwei
Seelen zu, und die ganze Umgebung ist von ähnlichen Seelen belebt,
welche auch menschliche Eigenschaften besitzen (Teil. I pag. 103).
keiner äussert sich dieses Ohnmachtsgefühl in ihrer Überzeugung
dass mit grösserer Macht als sie selbst begabte Geister sie von allen
Seiten umlagern, um sie auf Befehl ihres Hauptgottes bei einem Vergehen
mit Unglück, Krankheit oder Tod zu strafen. Ihre Angst vor
diesen bösen Geistern hat den lebhaften Wunsch in ihnen erweckt,
diesen keinen Anlass zu einem Eingreifen in ihr Los zu bieten; hieraus
ging ihr Streben hervor, Gesetze zu finden, nach denen sie in
allen Lebenslagen zu handeln hätten, und so entstanden die zahllosen
Bestimmungen, die als pqmUli ihr Tun und Lassen in so hohem Masse
beschränken. Die Bahau klammern sich mit um so grösserer Ängstlichkeit
an diesen Glauben, als sie einen Schutz gegen die höheren
Mächte nicht in sich selbst, sondern in den pgmäli zu finden meinen.
Da diese ein Ausfluss ihrer Einbildung sind und so wenig auf der
richtigen Kenntnis ihrer wahren Interessen beruhen, wird ihre Freiheit,
nach den Forderungen des Augenblicks zu handeln, auf sehr unpraktische
Weise gebunden. Aäich leitet dieser Glaube ihr Streben nach
einer besseren Existenz in falsche Bahnen und verhindert eine freie
Untersuchung der natürlichen Verhältnisse. In Krankheitsfällen z. B.
verhindert er den Bahau, Krankheiten wie wir durch Naturprodukte
oder auf der Naturkenntnis beruhende Massregeln erfolgreich bekämpfen
zu lernen.
Ihrem Mangel an Selbstvertrauen, ihrer Hoffnung auf Hilfe von
aussen, ihrer Unkenntnis des Begriffs Kausalität, infolge deren bei
ihnen alles aus willkürlichen Taten der Geister hervorgeht, die nicht
anders, sondern nur mächtiger als sie selbst sind, ist es zuzuschreiben,
dass der Glaube an Vorzeichen sich unter ihnen so entwickelt hat
und mit den eigentlichen pemali ihrer Handlungsfreiheit ein doppeltes
Hindernis in den Weg stellt. Geht aus diesem allem bereits hervor,
unter welchen höchst ungünstigen Bedingungen der Bahau durch die
Eigentümlichkeiten seiner Umgebung und durch seinen Mangel an
Kenntnis lebt, und welch einen Hemmschuh letzterer für seine Handlungen
und seine Entwicklung bildet, so ist es wissenschaftlich interessant
und von kolonialem Standpunkt wichtig, nachzuforschen, wie
der geistige Mensch sich in ihm unter diesen Verhältnissen ausee-
bildet hat.
Es hiesse die Tatsachen auf den Kopf stellen, wollte man die physische
Schwäche der Bahau, die sie zu Sklaven der umgebenden Natur