men der Bahau und Könja keine Rede sein. Auch mag bemerkt werden,
dass auch in Gebieten, die bereits seit vielen Jahrzehnten unter englischer
oder niederländischer Verwaltung stehen und wo mithin eine
gegenseitige Ausrottung unmöglich ist, die dajakischen Stämme durchaus
nicht stark zunehmen.
Die Lebensbedingungen der ursprünglichen Dajak erscheinen, oberflächlich
betrachtet, günstig genug. Bei einer früheren Gelegenheit ist
bereits die allgemeine Gestalt der Insel Borneo mit ihrer überwältigend
dichten Pflanzenbedeckung, die auf einen Überfluss an Wärme,
Licht und Regen sowie auf eine grosse Fruchtbarkeit deutet, beschrieben
worden (Teil I pag. 50).
In dieser Treibhausatmosphäre leben die Stämme der Dajak schon
seit Jahrhunderten. Ihr Kampf ums Dasein beschränkt sich auf die
Sorge für Nahrung und die relativ sehr geringen Schutzmittel gegen
das Klima. Für die Beschaffung der Nahrung bietet die Üppigkeit
der Vegetation und die Fruchtbarkeit des Bodens eben gefällter Wälder
sehr günstige Gelegenheit und der Wald liefert für eine primitive Herstellung
von Wohnung und Kleidung reichliches Material. So scheint
alles zusammenzuwirken, um dem Menschen die Vorbedingungen zu
einem üppigen Gedeihen zu schaffen — und doch vermisst man die erste
Folge von solchen Umständen, eine dichte und wohlhabende Bevölkerung.
Sowohl am Kapuas als am Mahakam lebt nur eine geringe Anzahl
Menschen, deren zerstreute Wohnplätze sich auf die Flussufer beschränken
und deren Dasein im allgemeinen nichts weniger als üppig ist.
Infolge ihrer geringen Kenntnisse verstehen sie. die günstigen Faktoren
in ihrer Umgebung nicht auszunutzen und gegen die ungünstigen sich
nicht zu wehren. Welche Folgen hieraus für die Existenz des Volkes
hervorgehen, kann aus dem Nachstehenden ersehen werden.
Am meisten macht sich diese Unkenntnis auf dem Gebiet der Gesundheitspflege
fühlbar, indem diese Menschen nicht wissen, wann und
wodurch sie krank werden und keine Mittel zur Heilung ihrer Krankheiten
kennen. Im Kapitel VIII des ersten Teils sind bereits die wichtigsten
unter dieser Bevölkerung herrschenden Krankheiten angeführt
worden. Von diesen sind inbezug auf das Bestehen des Volkes am
einflussreichsten die in Borneo endemischen Krankheiten und zwar in
erster Linie die Malaria, in zweiter die sehr verbreiteten venerischen
Leiden. Wann sich die letzteren eingebürgert haben, ist vorläufig nicht
festzustellen, aber von der Malaria kann man sicher annehmen, dass
sie geherrscht hat, so lange das Land von diesen Dajakstämmen bewohnt
wird. Um den schädlichen Einfluss zu ermessen, den die Malaria
auf das Allgemeinbefinden der Bevölkerung ausübt, muss man bedenken,
dass diese dem weit und breit herrschenden Uebel gegenüber
völlig machtlos ist. Die meisten Individuen sind daher während einer
grösseren Lebensperiode mehr oder weniger leidend, ein Umstand,
der. auch auf die noch ungeborene Nachkommenschaft schwächend einwirken
muss (Teil I pag. 425).
Von hervorragender Bedeutung, besonders in Bezug auf die Vermehrung
der Rasse, sind die venerischen Krankheiten, die, wie ein
zweiter Fluch, auf den Bewohnern von Mittel-Borneo lasten. Sowohl
unter den Stämmen des Kapuas als unter denen des Mahakam hat die
Verbreitung von Syphilis einen entsetzlichen Umfang erlangt ; am stärksten
tritt sie bei den Kajan vom Blu-u auf, wo ein 1 1 monatlicher
Aufenthalt als praktizierender Arzt mich davon überzeugte, dass keine
einzige Familie von dieser Krankheit verschont geblieben war. Wie
lange sie unter ihnen schon geherrscht haben muss, lässt sich daraus
ersehen, dass sie unter ihnen nur in einer Form vorkommt, die von
Mutter auf Kind übertragen wird (Teil I pag. 431).
Die Häufigkeit des Vorkommens von Genitalkrankheiten bei den
Frauen der Mendalam-Kajan setzte mich in Erstaunen. Da ich inmitten
der grossen Bevölkerung von Tandjong Karang lange Zeit allein wohnte,
überwanden die Frauen ihre anfängliche Scham und suchten gegen
allerhand Leiden meinen ärztlichen Beistand. In den malaiischen Wohn-
plätzen am oberen Kapuas hatte ich ebenfalls hinreichend Gelegenheit,
mich von dem Umfange zu überzeugen, den auch hier diese Leiden
erreicht haben.
Auch den venerischen Leiden gegenüber wissen die Eingeborenen
nichts anderes anzuwenden als Beschwörungen. Von der Syphilis wissen
sie nicht einmal, auf welchem Wege sie in der Regel entsteht.
FüU die von der Küste bequem erreichbaren Gebiete, also am Unter-
und Mittellauf der grossen Flüsse, tritt noch ein anderer wichtiger
Faktoi hinzu, der auf die Dichte der Bevölkerung einen überwiegenden
Einfluss ausübt, nämlich die Infektionskrankheiten wie Choléra und
Pocken, die, soweit ich habe verfolgen können, stets längs der grossen
Flüsse von auswärts in die Insel eingeschleppt werden. In zivilisierten
Ländern bildet die Bekämpfung dieser Krankheiten eine der
grössten Segnungen, die man dem Fortschritt in der medizinischen