ihre Lebensbedingungen hintangehalten worden. Dass auch ihr Charakter
hiervon das Gepräge trägt, davon überzeugten wir uns bereits bei der
Betrachtung ihrer religiösen Überzeugungen und Gebräuche. In den
Charaktereigenschaften der Bahau macht sich hauptsächlich ein durch
die Verhältnisse hervorgerufener Mangel an Energie geltend, wovon
wir uns im folgenden bei einer Vergleichung mit den Charaktereigenschaften
der Könja überzeugen werden.
Natürlich darf hierbei nicht übersehen werden, dass unter den vielen
Individuen eines Stammes grosse Unterschiede Vorkommen, die allerdings
nicht so gross sind wie in einem höher entwickelten Gemeinwesen, das
seinen Gliedern verschiedenere Verhältnisse zum Leben und zur Entwicklung
bietet; doch treten auch bei den gleichförmigeren Existenzbedingungen
der Bahaugesellschaft einzelne Persönlichkeiten stark vor
der Umoof ebungof hervor.
Der Bahau ist im allgemeinen nicht tapfer; nie bin ich jemand begegnet,
der sich für irgend etwas aufgeopfert hätte, 'und sobald mit
einer Sache grosse Gefahr einer Verwundung oder gar Lebensgefahr
verbunden ist, zieht er sich zurück. Charakteristisch ist sein Ausdruck
für einen Mut, der keine Gefahren kennt, nämlich „ lakin tijoiv
(dummer oder verrückter Mut).” Am besten lässt sich der Mut der
Bahau an dem ermessen, was er selbst für besonders mutig und männlich
hält. Vor allem das Unternehmen einer Kopfjagd gegen feindliche
Stämme,-wobei unter grossen Entbehrungen durch das versteckte
Leben im Walde und mit Aufopferung von viel Zeit mit einer Übermacht
einzelne Individuen, bisweilen Frauen und Kinder, überfallen
werden und der Angreifer selbst ein Minimum an Gefahren riskiert.
Das Unternehmen einer Kopfjagd an und für sich könnte schon
als eine mutige Tat angesehen, werden, wenn man nicht wüsste, .dass
diese Stämme hierzu durch ihren Glauben und ihre Liebe zu verstorbenen
Häuptlingen, denen sie einen Schädel ins Grab geben müssen,
Op ezwunöp en würden. Schon die BerührungO- eines solchen Schädels ist
ein Beweis von grossem Mut, den nur wenige zu erbringen wagen
(178 u. 180). Das Unternehmen einer solchen Kopfjagd ist einigermas-
sen mit der freiwilligen Verbrennung der Witwen der Hindufürsten
auf Bali vergleichbar, aus der ersichtlich ist, wie weit der Glaubensfanatismus
führen kann. Der Abscheu vor Blutvergiessen ist bei den
Dajak im Grunde so gross, dass selbst ein auf die feigste Weise ausgeführter
Mord noch als eine besonders mutvolle Tat betrachtet wird.
Für Häuptlingssöhne am oberen Mahakam ist es bei ihrem Eintritt
ms Mannesalter wünschenswert aber nicht absolut notwendig, einen
Menschen getötet zu haben; deshalb werden häufig alte Sklavinnen
am oberen Murung gekauft und dann unversehens niedergemacht.
(L asa T eicwan Tl. 1 pag. 399 und Ibau L i pag. 82). Sehr bezeichnend
ist auch die Tatsache, dass bei Gefechten, die zwischen diesen Stämmen
geliefert werden, der Tod oder die ernsthafte Verwundung nur
eines Mannes den ganzen Stamm in die Flucht treiben kann. Dies
wird allerdings auch als ein Zeichen von Zorn seitens der Geister aufgefasst,
doch beweist es nicht minder den starken Eindruck, den ein
derartiger Vorfall auf den ganzen Stamm ausübt.
Einigermassen im Widerspruch hiermit steht, dass -relativ häufig
Fremde von Bahau ermordet werden, wenn auch auf verräterische
Weise. Bei näherer Betrachtung erweist es sich aber, dass die Eingeborenen
dann durch ihr Schlachtopfer oder dessen Stammesverwandte
aufs äusserste gereizt worden waren und die geübte Rache, von ihrem
Standpunkt aus, durchaus nicht übertrieben ist (Fall in Long Töpai).
Diesem furchtsamen Charakter und Mangel an Selbstvertrauen ist
es denn auch zuzuschreiben, dass man unter den Bahau so wenig Wahrheitsliebe
antrifft. Zwar ist auch hierin die individuelle Verschiedenheit
gross und ein Kind und ein Sklave flunkert z. B. viel leichter als ein
Eiwachsener und Höherstehender, aber weitaus die meisten Personen
können der Versuchung nicht widerstehen, eine Lüge vorzubrino-en
falls sie sich hierdurch leicht aus einer Verlegenheit retten zu können
glauben. Hierdurch wird natürlich der Umgang mit ihnen sehr erschwert
und beim Einholen von Nachrichten muss man hierin stets auf der
Hut seih, und besonders die Person, an die man sich richtet, in Rechnung
ziehen.
In Übereinstimmung mit ihrer Abneigung gegen Gewaltsakte steht auch
die Tatsache, dass, obgleich das gegenseitige Verhältnis zwischen den
Stammen z. B. am Ober-Mahakam nichts weniger als harmonisch ist,
dennoch ein Kampf zwischen ihnen zu Lebzeiten der gegenwärtigen
Bewohner nicht mehr vorgekommen ist. Überdies sei hier daran erinnert,
dass in einem Stamm selbst ein Zank oder gar ein ernsthafter
Zwist unter normalen Verhältnissen nicht vorkommt. Anfälle
von Heftigkeit oder Wut sind bei den Bahau nur als Äusserungen
Geisteskranker bekannt; daher ihre Angst vor Europäern, die leichter
heftig werden.