Berücksichtigt man, dass bis vor wenigen Jahren weitaus die meisten
Forschungen unter den dajakischen Stämmen entweder flüchtig, .
auf der Durchreise, oder, wenn sie eine längerer Zeit umfassten, unter
Stämmen vorgenommen wurden, welche bereits lange unter dem malaiischen
Joch gelitten und deswegen von ihrer früheren Kultur nur
wenig mehr übrig behalten hatten, dann wundert es einen nicht, dass
die bei ihnen gewonnenen Resultate wenig' Übereinstimmung mit
denjenigen zeigen, welche man nach längerem Verkehr mit den ursprünglichen
Dajak erhält.
Nach dem Vorhergehenden erscheint es unzweifelhaft, dass der
Verkehr der malaiischen und der dajakischen Rasse für das Lebensglück
der letzteren verhängnisvoll geworden ist. Da diese Verhältnisse nicht
nur für Borneo charakteristich sind, sodern im ganzen Archipel wiederkehren,
gewinnt das Auftreten der Europäer unter diesen Völkern
eine besondere Bedeutung. Um ihr Ansehen im indischen Archipel
dauernd behaupten zu können, ist eine europäische Nation schon in
ihrem eigenen Interesse verpflichtet, der fortwährenden Unruhe, welche
durch die Erpressungen seitens der malaiischen Fürstensprösslinge und
durch die ständig drohenden feindlichen Überfälle unter den ursprünglichen
Stämmen hervorgerufen wird, ein Ende zu machen. Dass dies
einer europäischen Regierung sehr wohl möglich ist, beweist die plötzliche
Veränderung, die in den höchst nachteiligen Zuständen am
Mittel-Makaham durch die Einsetzung eines Kontrolleurs zu 'Stande
gekommen ist. Wir erkennen hier den grossen Einfluss, den auch ein
mit wenig Mitteln ausgerüsteter Europäer durch verständiges, taktvolles
Auftreten ausüben kann. In einem derartigen Falle erscheint
ein Eingriff eines europäischen Volkes in das Lebenslös eines niedri-,
ger entwickelten durchaus gerechtfertigt; beruht dagegen die Ausbreitung
der europäischen Macht auf Gewalt, und mangelhafter Einsicht in
die herrschenden Überzeugungen und die Verhältnisse der Bevölkerung
und tritt noch Mangel an Takt seitens der zuerst auftretenden Europäer
hinzu, so erwachsen hieraus für beide Teile verhängnisvolle
Folgen.
Auf Borneo spürt man sowohl im englischen als im niederländischen
Teil den segensreichen Einfluss, den seine Bevölkerung durch die Berührung
mit einer europäischen Nation erfahren kann-, die Beispiele
sind dort treffender als in den noch halb unabhängigen malaiischen
Nachbarreichen, wo die alten verrotteten Zustände noch fortdauern. Auf
Grund ihres Vertrauens in die niederländische Regierung fügten sich
vor einigen Jahrzehnten alle Stämme des Kapuasgebiets oberhalb
Bunut unter ihre Herrschaft, sobald sich nur einige Male ein Staatsbeamter
aus dem sehr entlegenen Sintang bei ihnen zeigte; Kontrakte
wurden hierbei nicht geschlossen, doch wurden die Verordnungen treu
befolgt und später eine mässige Abgabe bezahlt; Widerstand kam in
diesen Gebieten bis jetzt überhaupt nicht vor. Sobald die Stämme am
Mahakam ihre Angst vor den Niederländern, welche, hauptsächlich durch
die zu ihnen geflüchteten malaiischen Missetäter geweckt worden war,
verloren hatten, wagten auch die Bewohner am Ober- und Mittellauf
die' beschirmende Hand der niederländischen Verwaltung anzurufen.'
Wie gern auch die Stämme im Quellgebiet des Mölawie die malaiische
Herrschaft gegen die niederländische vertauschen möchten, sahen wir
bereits oben. Das Stromgebiet des Pinau, des südlichen Nebenflusses
des Mölawie, bietet hierfür ein weiteres Beispiel; es bildete bereits seit
langem einen Zankapfel zwischen den Fürsten von Sintang und Kota-
waringin an der Südküste und demzufolge herrschten dort unter der
Bevölkerung von Malaien und Dajak höchst ernste Missstände. Nach
Übereinkunft der indischen Regierung • O O mit den betreffenden Fürsten,I
wobei beide ihre vermeintlichen Rechte abtraten, genügte die Ankunft
des Kontrolleurs B a r t h und einiger bewaffneter Schutzsoldaten, um
die Fehden zwischen den Malaien und Dajak dort zu schlichten und
die Zustände mehr nach europäischen Begriffen zu 0 regeln. Dies entsprach
so sehr dem Wunsche der Bevölkerung, dass bei der Kunde von
der grossen Reise, welche B a r t h in meiner Gesellschaft 1898 antreten
sollte, ein vornehmer Häuptling von dort, R a d e n I n u , und zwei seiner
Verwandten uns baten, unseren Zug mitmachen zu dürfen.
Der Eindruck, den unsere friedsame Besetzung des Mahakamgebiets
auf diese Malaien machte, äusserte sich nachher auf eigentümliche
Weise: als ihnen nach ihrer Heimkehr 1899 anlässlich ihrer uns bewiesenen
Dienste von der niederländischen Regierung das vorteilhafte Anerbieten
gemacht wurde, sich an einem Feldzuge gegen die Sonkong- . -g, o * 0 0 0 b
Dajak am oberen Sökajam zu beteiligen, schlug R a d e n I n u diese
Ehre ab mit der BegOr ündunög ,* er wisse nun aus eiOg ener Erfahrunög,'
dass ein gewalttätiges Auftreten gegen die dajakischen Stämme nicht
die richtige Methode sei, um einen heilsamen Einfluss auf sie auszuüben.
Für eine friedliche Regelung der Zustände, wie sie B a r t h am
Mahakam aufgetragen wurde, empfand er grössere Sympathie und so