6o Besteigung des Lasan Tujang.
brennenden Sonne, benahmen uns aber jede Aussicht. Nachdem wir
800 m tief ins Tal des Söliku hinuntergestiegen waren, betraten
wir zu unserer Freude am rechten Ufer eine kleine Lichtung, die
dadurch entstanden war, dass alle vorüberziehenden Gesellschaften
hier ihr Lager aufschlugen und die nächsten Bäume fällten. Da hier
in der Nähe wenig brauchbares Holz zu finden war, begnügten wir
uns mit einer Punan-Hütte, die nur aus einer in einem Winkel von
60 geneigten Wand bestand. Indem wir diese mit Segeltuch bedeckten
und auch seitlich, zum Schutz gegen den Regen, ein Segeltuch
spannten, stellten wir uns in kürzester Zeit ein Nachtasyl her. Wir
beiden Europäer schliefen in der Mitte, unsere Malaien an der einen
und die Kajan an der anderen Seite. Zur grossen Beruhigung letzterer
war mein Hund, der wie immer neben meinem Klambu schlief, diese
Nacht sehr wachsam und schlug mehrmals an. Sein Gebell, das wahrscheinlich
den um unser Lager schleichenden Tieren des Waldes galt,
betrachteten unsere farbigen Reisegenossen als ein ausgezeichnetes
Abschreckungsmittel für eventuelle Feinde, die uns in diesem gefürchteten
Gebiet beschleichen konnten.
Als wir am anderen Morgen dem Bette des Shliku bis zum Fuss
des Lasan Tujang folgten, begriffen wir, warum die JBahau lieber den
Weg über den Lasan Towong einschlugen: das nur 10—12 m breite
Flussbett ist nämlich entweder sehr tief und von senkrechten Wänden
eingeschlossen, oder flach und dann voller Felsblöcke. Wenn die tiefen
Stellen nicht durchwatet werden können, ist man gezwungen, längs
des Ufers über hervorragende, glatte Schieferfelsen zu gehen, was gefährlich
und anstrengend ist. Nicht nur wir beschuhten Europäer und
unsere ungeschickten Küstenmalaien, sondern auch die schwer beladenen
Kuli waren froh, dass wir bald den Fuss des Lasan Tujang
erreichten. Dies ist ein steiler Kegel, der sich 1 50 m hoch über einen
Grat erhebt und daher als Aussichtspunkt sehr geeignet ist. Auf dem
steilen Pfade nahmen uns aber die Bäume jeden Ausblick, auch war
die ganze Landschaft noch um 1 1 Uhr morgens in Nebel gehüllt.
Auf dem Gipfel angekommen ruhten wir uns im Sonnenschein auf
der kleinen Rasenfläche, die dem Gipfel wahrscheinlich seinen Namen
gegeben hat (lasan = Fläche; tujang = grün) erst aus und liessen dann
die Männer die Bäume an den südlichen, östlichen und westlichen Abhängen
des Gipfels fällen ; nach Norden, nach Sörawak hin, war eine Aussicht
weniger notwendig, auch war die Arbeit ohnehin schwer genug.
Aussicht vom Lasam Tujang.
Vor ungefähr 20 Jahren hatte zwar K w in g I r a n g , als er sich während
eines m%lo njaho auf dem Lasan Tujang auf hielt, einen Teil des Waldes
am östlichen Abhang, um Aussicht auf den Batu Tibang zu gewinnen,
fällen lassen; doch hatten die. Bäume jetzt bereits alle die gleiche,
nicht bedeutende Dicke; leider war das Gebirgsholz hier wieder besonders
hart.
Dip Männer machten sich mit dem Eifer, den sie während der
ganzen Reise zeigten, ans Werk; um 12 Uhr fielen bereits die ersten
Bäume. Diese systematisch von unten an halb durchhacken und dann
von oben ein paar grössere Exemplare so hinunterstürzen zu lassen,
dass sie die unteren zugleich niederrissen, gelang nicht vollständig,
weswegen die Kuli zwischen halb und ganz gestürzten Bäumen die
noch stehen gebliebenen fällen mussten, eine schwierige Arbeit. Gegen
Abend war der östliche Abhang doch so weit ausgehauen, dass wir
eine freie Aussicht' auf den Batu Tibang gemessen konnten. Der gewaltige
Eindruck, den dieser Berg auf die Eingeborenen macht, beruht
vielleicht ebenso sehr auf seinem Äusseren als auf der Tatsache,
dass er ihren grössten Flüssen den Ursprung gibt. In der dunkelgrünen
Masse der Urwälder, die alle bis 1800 m hohen Rücken bedecken,
sind weder Felsen noch Bergstürze zu sehen, nur der Batu
Tibang erhebt seinen spitzen Gipfel mitten in einem Gebirgsmassiv,
dessen sehr steile weisse Wände sich aus der finsteren Umgebung,
mit der sie in keinem direkten’ Zusammenhang stehen, leuchtend, abheben.
Es schien mir, dass dieses Massiv von den Bergrücken des
Kettengebirges, das, von hier aus in südlicher Richtung gesehen, den
gleichen Charakter wie am oberen Kapuas trägt, unabhängig ist. Das
Massiv erhebt sich genau östlich vom Lasan Tujang in Form eines
Kegels mit sehr steilen, grauweissen Wänden, die sich in einer Höhe
von 1400 m nach innen neigen und dann mit schwacher Abdachung in
1800 m hohe, sehr spitze Gipfel verlaufen. Nach Norden, Nord-Westen
und Ost-Süd-Osten entsendet das Batu-Tibang-Massiv Ausläufer; der
südöstliche scheint mit einem hohen Rücken, der die Wasserscheide
zwischen dem Gebiet des Kajan und des Oga bildet, zusammen
zu hängen. Nach Süd-Osten kamen, getrennt von ihrer Umgebung,
kleinere Massive von gleichem Charakter zum Vorschein. Der höchste
Gipfel eines dieser Massive heisst Batu Tibang Ok (= kleiner Batu
Tibang).
Wir sahen deutlich, dass das Flusstal des Tökön in den Batu Tibang