gereist und sah die Zustände seines Stammes mit anderen Augen an
als die meisten; die bevorrechtete Stellung, welche die Männer bei
den Malaien einnehmen, gefiel ihm weit besser.
Bemerkenswerter Weise scheint diese Gleichstellung der Geschlechter
mit einer beinahe vollständigen Abwesenheit geschlechtlicher Entartungen,
wie man sie in den Stämmen vom Barito beobachtete, zusammenzufallen.
Auch wenn die heftigsten menschlichen Leidenschaften, wie die Liebe,
im Spiele sind, kommt es in der Bahaugesellschaft nicht zu Händeln.
Man erzählte mir, dass die Kajanfrauen, wenn sich ihre Neigungen
kreuzen, bisweilen mit einander in heftigen Konflikt geraten; während
meines Aufenthaltes bemerkte ich aber nichts davon.
Es wäre jedoch falsch, diesen Mangel heftiger Äusserungen einer
gegenseitigen Gleichgültigkeit der Geschlechter zuzuschreiben. Ich hatte
im Gegenteil öfters, Gelegenheit zu beobachten, dass sowohl Männer
als Frauen in ihren Neigungen eine grosse Standhaftigkeit' zeigen und
imstande sind, ihnen viele und langdauernde Opfer zu bringen.
So gab mir einst ein junger Häuptling seine Entrüstung darüber
zu erkennen, dass sein Mädchen sich während seiner Abwesenheit zu
viel mit einem ändern abgegeben hatte; für ihn war dies Grund genug,
mit ihr zu brechen.
Als A k a m I g a u einst das Bedürfnis fühlte, sein bedrücktes Gemüt
von einem Teil seiner Sorgen zu entlasten, erzählte er mir die rührende
Liebesgeschichte seiner zweiten Tochter P a ja . Diese, ein auffallend
schönes, ungefähr 18 jähriges Mädchen, liebte seit 4 Jahren einen
jungen Häuptling, T e k w a n , dessen Haus sich in der Nähe der Ma-
Suling am Oberlauf des Mendalam befand. Es war mir s'chon auf
unserem Zuge nach dem Mahakam aufgefallen, wie sehr sich der junge
Mann bemühte, dem alten I g a u bei jeder Gelegenheit behilflich zu
sein. Leider standen der Vereinigung der jungen Leute grosse Hindernisse
im Wege. T e kw a n s Vater gehörte bedauerlicher Weise nicht
zu den Gescheidten seines Stammes; und so wollte seine Mutter P in g
nicht zugeben, dass er, die wichtigste Stütze des Haushalts, die elterliche
Wohnung verlasse, um bei seiner jungen Frau Einzug zu halten.
Nach ihrer Beredsamkeit zu urteilen, war sie übrigens sehr wohl imstande,
ihre ganze Umgebung allein zu beherrschen ; wenigstens wohnte
ich einer Unterhandlung zwischen ihr und A k a m I g a u über diesen
Gegenstand bei, die 3 Stunden dauerte und für die meine Hütte, als
neutrales Gebiet, zum Zusammenkunftsort gewählt wurde. Aber I g a u
sah sich als Häuptling noch besonders verpflichtet, die alten Gebräuche
hoch zu halten, und duldete daher nicht, dass P a ja gegen alle gute
Sitte sogleich ihrem Manne in sein Haus folgte. T e kw a n wiederum
war zu arm, um die Busse für die Übertretung der adat zu bezahlen.
Die Familien beider Parteien hatten bereits die Geduld verloren,
aber P a ja und ihr Liebhaber Hessen nicht von einander und widerstanden
ällen Verlockungen von anderer Seite.
Adat und Liebestreue gewannen aber zum Schluss doch den Sieg;
denn T e kw a n zog in A k a m I g a u s Wohnung und bei meinem 2. Besuche
fand ich das Paar vereint in Tandjong Karang; kurz vor meiner
Abreise wurde T e kw a n glücklicher, aber etwas unbeholfener Vater
eines kräftigen Sohnes.
An starkem und tiefem Liebesempfinden fehlt es den Kajan also
nicht. Wenn die Leidenschaft sie nicht zu ernsten Konflikten mit ihren
Nächsten hinreisst, so ist der Grund dafür in ihrem Charakter zu suchen,
der wenig zu heftigen Ausbrüchen geneigt ist.
Mit den Äusserungen der Dankbarkeit den vielen Wohltaten gegenüber,
welche sie von mir genossen, hatte es unter diesen Stämmen
eine besondere Bewandtnis.
Die Erklärungen, die die Bahau über Zweck und Ziel meiner Reisen
und meines Lebens in ihrer Mitte gaben, waren für ihre Denkweise
sehr charakteristisch. Den wissenschaftlichen Zweck meiner Reisen und
das Sammeln "ihres Hausgerätes und anderer Artikel konnte ich ihnen
absolut nicht begreiflich machen. Trotz meiner Gegenversicherungen
blieben sie bei dem Glauben, dass ich auf einem Handelszuge begriffen
sei und» dass mir die Sammlungen bei meiner Rückkehr grossenpeku-
niärem Gewinn bringen würden. Mit der Zeit merkten sie jedoch, dass
ich mich anders als die malaiischen Kaufleute betrug, und da fügten
sie dem ersten Reisemotiv noch ein zweites, spezifisch Bahauisches
hinzu, dass mir daran gelegen sei, bei meiner Heimkehr als grösser
Reisender gefeiert zu werden. Dass jemand auf die Idee kommen
konnte, sich Menschen und Natur aus Interesse an- sich anzusehen,
ging über ihren Horizont.
Logischer Weise heuchelten sie auch keine Dankbarkeit dem Fremden
gegenüber, der nach ihrer Überzeugung aus den ihnen erwiesenen
Wohltaten später genügend Vorteil ziehen würde. Sie boten mir auch
auffallend wenig-, materielle Zeichen ihrer Anerkennung. Das ungewöhn