Die Bevölkerung von Sambas steht indessen, wahrscheinlich weil
sie zur Zeit der Seeräuberei stark mit Bandjaresen und anderen Elementen
vermischt worden ist, noch auf einer höheren Entwicklungsstufe
als diejenige am Kapuas, deren baufällige, schmutzige Häuser
sofort ins Auge fallen. Noch schlimmer steht es bei den malaiischen
Bewohnern in Kutei mit den Wohnungsverhältnissen.
Somit scheint der Malaie, wo er nicht mit anderen Rassen sich
vermischt hat, wenig entwicklungsfähig; in Gegenden dagegen, wie
die „Zuider-Afdeeling von Borneo, wo in früheren Jahrhunderten
eine grosse Anzahl Javäner in der malaiischen Bevölkerung auf-
ging, ist diese durch fleissigen Betrieb von Ackerbau und Industrie
wohlhabend und. dicht geworden. Die tüchtigsten Elemente findet
man auf Borneo stets da, wo Bandjaresen sich niedergelassen haben.
Hat es sich im Vorhergehenden gezeigt, dass die Malaien auf
Borneo an Bildung und Wohlstand nicht besser daran sind als die ursprüngliche
Bevölkerung, so stehen wir jetzt vor der Frage, in wie
weit jene als Moslemin einem höheren Glauben huldigen, als die Dajak,
da es für diese von grösser Bedeutung wäre, wenn sie durch die
Berührung mit den Malaien wenigstens zum Teil von ihrem äusserst
nachteiligen Glauben an Geister, pgmäli- u. s. w. befreit würden.
Selbst unter den höchstentwickelten Völkern des indischen Archipels,
z.B. den Javanern, hat die Einführung des Islams auf die Wohlfahrt
der grossen Masse nur einen geringen Einfluss ausgeübt,-weil diese
selbst dort noch in ihrem Tun und Lassen stark von animistischen
Vorstellungen über sich selbst und ihre Umgebung beherrscht wird,
die aus der malaio-polynesischen Periode vor der Ausbreitung des
Hinduismus und später desUslams herstammen. Nur sind dort gegenwärtig
beim Gottesdienst Hindu- und mohammedanische Namen und
Zeremonien gebräuchlich, während man in heidnischen Gegenden mehr
malaio-polynesische antrifft. Hierdurch ist es möglich, dass die grosse
Masse der Bevölkerung, die den wahren Islam nicht kennt, sich nichtsdestoweniger
als seine treuen Bekenner betrachtet. Diejenigen, die
sich in einem hochstehenden indischen Gemeinwesen, wie das der
Javaner, mehr oder weniger mit dem Studium mohammedanischer
Schriften befasst • •• haben. , besitzen hierüber rich, tiog ere Vorstellunoge nJ
aber die Überzeugung dieser wenigen übt auf die Auffassung des geriri-:
geren Mannes und auf seine Handlungen nur einen unbedeutenden
Einfluss aus.
Unter den Malaien auf Borneo hat der Hinduismus länge nicht
so stark geherrscht als auf Java; obgleich sie sich als echte Moslemin
betrachten, entbehren die Malaien sogar in den Küstenstaaten der
Wohlhabenheit, um einen gelehrten Stand aufkommen zu lassen, und der
entwickelnde Einfluss, den die Religion der Hindu und Mohammedaner
hätte ausüben können, fehlt hier in noch höherem Masse als
auf Java. Berücksichtigt man ferner das oben über die Blutmischung
der Borneo-Malaien Gesagte, so erregt es keine Verwunderung, dass
die Mohammedaner, wenigstens die im Innern Borneos, auch durch
ihren Gottesdienst keinen zivilisierenden Einfluss auf die Dajak ausüben
können und in der Tat auch nicht ausgeübt haben. Der zum
Islam übergetretene Dajak wird im Gegenteil sehr bald wie die übrigen
Mohammedaner und verachtet seine noch Schweinefleisch essenden
Stammesgenossen, glaubt sich berechtigt, diese auf die gewissenloseste
Weise zu betrügen, jn d folgt seinen neuen Glaubensbrüdern bald in
der Leidenschaft für Spiel, Hahnenkämpfe und dergleichen.
Für das Verhältnis, in welchem die unterworfenen dajakischen Stämme
zu den malaiischen stehen, ist die Regierungsform der letzteren von
■ besonderem Gewicht. Jedes malaiische Reich auf Borneo, auch wenn
es, wie am Mittel-Kapuas, nicht viel mehr Niederlassungen umfasst als
ein oder mehrere Dörfer, wird von einem P ürstenhaus regiert. Die Fürsten
tragen verschiedene Namen wie Sultan, Panembahan, Pangeran u. s.
w., doch leiten diese sowie ihre Familienglieder aus ihrer Würde alle das
Vorrecht ab, dass sie auf Kosten der Masse des Volks so faul und
üppig leben dürfen, als die Umstände es einigermassen zulassen. In
diesen Reichen hat sich der Begriff einer Verantwortung von Fürst
oder Regierung dem Volk gegenüber noch nicht herausgebildet, von
einem Regieren in dem Sinn von Verwalten, von einer Leitung der
Volksentwicklung ist denn auch nicht die Rede und als Richtschnur
m allen Regierungsangelegenheiten gilt nur die Erpressung eines
möglichst grossen -Einkommens aus der Bevölkerung.
Trotz der in der Regel grenzenlosen Verschwendung und dem ungezügelten
Leben der Fürstenfamilien hätte deren Regierung nicht
den höchst verderblichen Einfluss auf jeden Fortschritt ausüben können
wie. es in Wirklichkeit der Fall ist, wenn nicht in Folge der mohammedanischen
Vielweiberei die Nachkommenschaft der Fürsten so
zahlreich geworden wäre, die auch, wenn -sie bereits den untersten
Gesellschaftsschichten angehört, ihrer Verwandtschaft noch Rechte