anderer Kultus als das diesen Leichen eigentümliche Begräbnis selbst.
Von ihrem Mitgefühl für das Leiden eines Familiengliedes lassen sich
alle Angehörigen so weit fortreissen, dass bei einem einigermassen
ernsten Krankheitsfall alle Arbeiten vernachlässigt, die Felder schlecht
bebaut werden und für das Essen kaum gesorgt wird; daher bedeutet
die Krankheit eines Gliedes ein Unglück für die ganze Familie. Öfters
kommt es vor, dass diese sich durch den Kauf von allerlei schlechten
dajakischen, malaiischen und chinesischen Heilmitteln zu Grunde richtet;
es war daher sehr begreiflich, dass ich mir durch die Behandlung ihrer
Kranken ihr \ ertrauen in einem Mass erwarb, wie ich es durch kein
anderes Mittel erreicht hätte.
Handelt es sich jedoch um Personen, die nicht zur Familie gehören
oder sogar von einem anderen Stamme sind, dann tritt ein kleinlicher
Charakter und gänzlich Fremden gegenüber grosses Misstrauen und
selbst Feindschaft bei den Bahau zum Vorschein. Bei der Beurteilung
dieser Eigenschaft darf nicht' vergessen werden, dass die Gesellschaft,
in der diese Stämme leben, zu einem solchen Misstrauen gegen Fremde
viel Anlass gibt. Bei Fremden der eigenen Rasse müssen sie sich meistens
vor Verrat in Acht nehmen, bei fremden Malaien sind sie am
stäi ksten Schwindel, IDigbstahl und Grabschänderei ausgesetzt, so dass
ihre Zurückhaltung Fremden gegenüber bereits hieraus erklärlich ist.
Ausserdem ist ihie Furcht vor Krankheiten, welche die Fremden als
böse Geister begleiten, einem sympathischen Empfang bei ihnen auch
nicht förderlich.
Um den Charakter der Bahau anderen gegenüber zu studieren, bot
mir der Einkauf von Ethnographica gute Gelegenheit. Eigentümlich
war z. B. die Beobachtung bei den Mendalam Kajan in Tandjong
Karang, dass kleinlicher Neid und Eifersucht sich geltend machten,
sobald es sich um Konkurrenten aus dem eigenen Dorf handelte, dass
sich die Leute meines Wohnplatzes jedoch denen von Tandjong Kuda
gegenüber solidarisch verhielten.
Wenn die Jüngeren nicht durch Verfolgung gleicher Interessen auseinander
gehalten wurden, waren sie untereinander solidarisch, um einer
Freundin zu helfen, mich etwas so teuer als möglich bezahlen zu lassen,
und dann war die Bande mit berechtigten und unberechtigten
Anpreisungen auch nicht sparsam. Besonders machte die Verlegenheit
junger Mädchen solche Hilfe der Freunde und Freundinnen wünschenswert.
Sobald ein Vorübergehender merkte, dass jemand aus einer anderen
Ursache als um zu schwatzen oder seine Neugier o zu befriedigoten in
meiner Hütte stand, trat er ein, ohne dass die beinahe jeden Kauf
begleitenden Auseinandersetzungen durch das Hinzutreten interessierter
Zeugen irgendwie gestört worden wären. Wenn die Neuangekommenen
auch in der Lage waren, selbst Gleiches oder Ähnliches zu liefern,
so bewahrten sie doch tiefes Schweigen, und erst wenn die Besprechungen
ohne Ergebnis endigten, versuchten sie, nach Fortgang des
Verkäufers, dieselben Gegenstände anzubieten oder erklärten sich bereit,
sie für mich herzustellen. Hierbei gewährte ihnen die Geheimhaltung
des Auftrages, vor allem aber des Preises, eine grosse Genugtuung
und spornte sie an, das Beste zu leisten. Den Preis jedoch
lernte ich bald, erst nach Empfang des Kaufgegenstands zu bestimmen ;
denn die Kajan zeigten eine starke Neigung, sich ihrer Verpflichtungen
auf möglichst bequeme Weise zu entledigen. Eigentlich lag in ihrer
Geheimtuerei viel Naivität; denn ihre Umgebung, in der jeder von
seinem Nächsten alles sehen und hören kann, ist dazu nichts weniger o
als geeignet. So lange jedoch der vereinbarte Preis noch nicht allgemein
bekannt war, machte es den Kajan besonderen Spass, durch
Angabe- eines höheren Betrages beim Hausgenossen Neid zu erwecken,
vor allem aber, als grösser Geschäftsmann oder als besonders in meiner
Gunst stehend zu gelten.
Denen, die mit besonderen Talenten begabt waren, stellte ich auch
besondere Aufgaben und dabei war es auffallend, wie selten ein schön
gearbeitetes Stück bei den anderen Beifall oder Lob erntete. Viele
schwiegen, doch manche fanden bald einen Tadel heraus und der
Preis erschien ihnen stets zu hoch. Die gegenseitigen Beziehungen
der Beteiligten spielten dabei eine grosse Rolle, und man musste über
sie genau unterrichtet sein," um den Wert ihres Urteils über Personen
oder Sachen richtig einzuschätzen.
Galt es Personen, die in meiner Gunst standen und hieraus ihren
Vorteil zogen, so geschah es nicht selten, dass der eine oder andere
nach harmloser Einleitung darauf hinaus zielte, meine Aufmerksamkeit
auf deren nachteilige Seiten zu richten, und einige unter ihnen verstanden
dabei sehr geschickt von ihrer Kenntnis europäischer Auffassung
gewisser Dinge Gebrauch zu machen. So suchte einst ein bereits
betagter Mann ein paar junge Mädchen, die ich gerade gut. leiden
mochte, dadurch in meinen Augen herabzusetzen, dass er mich auf