Kindern verlassen. Es lässt sich begreifen, dass die fortschrittlicheren
Häuptlinge nach einer Macht aussahen, welche ihre Untertanen von
der drückenden Angst, in der sie lebten, befreite. Hätte in Sörawak
nicht die Sitte geherrscht, sich in weit entlegenen Gebieten durch
plündernde Batang-Lupar-Banden Gehorsam zu; erzwingen, so hätten
sich viele Mahakam-Stämme gern dem Radja unterworfen. Von einer
niederländischen Herrschaft versprachen sie sich nicht viel Gutes, denn
in Kutei an der Ostküste übte der Assistent-Resident tatsächlich nur
eine sehr geringe Macht aus und vom Kapuas aus hatte man von
den Niederländern nicht viel mehr gemerkt als schwere Bussen, welche
den Bahau für die an Malaien verübten Morde auferlegt wurden,
durch welche sie sich der lästigen Ausbeuter zu entledigen getrachtet
hatten. Die durch die Malaien verbreiteten Vorstellungen von der
Unnahbarkeit, Anmassung und Roheit unserer Beamten fanden bei
diesen Stämmen leicht Glauben, und Versuche, die in späteren Jahren
von der Wester-Afdeeling aus ins Werk gesetzt wurden, um mit ihnen
in Berührung zu kommen, scheiterten.
Aus dem Vorhergehenden zeigt es sich, dass die Bahau am Mahakam
aus reinem Selbstinteresse den Schutz der'Niederländer 1897 anriefen,
nachdem die Gegenwart von uns Europäern ihnen die Furcht genommen
hatte. Dass ihr Blick sie nicht betrog, beweisen die Vorteile, welche
diese Stämme z. B. oberhalb der Wasserfälle aus der europäischen
Verwaltung, ziehen.
Zunächst rief der Radja von Sörawak. seine Dajak mit grösserem
Nachdruck als vorher aus dem Mahakamgebiet zurück, so dass bei
unserer. Reise ins Quellgebiet keine Spuren eines neueren Aufenthaltes
mehr , zu finden warefi. Welch eine Beruhigung diese Tatsache
und äusserdem die Einsetzung eines Postens mit bewaffneten Schutzsoldaten
oberhalb der Wasserfälle bewirkte, kann man sich nach dem
oben Gesagten leicht vorstellen. Die Gegenwart des Kontrolleurs in
Long Iram befreite sie überdies von ihrer Angst vor dem zunehmenden
Einfluss der Sultansfamilie in Kutei.
Durch Rachedrohungen und Hinweise auf die Machtlosigkeit des
niederländisch-indischen Gouvernements, das ohne den Sultan nichts
tun dürfe, suchte dieser die Einsetzung eines Staatsbeamten unter den
Bahau zu verhindern, auch beunruhigte er während unseres Aufenthalts
die Stämme beständig. Die Anwesenheit einer europäischen Verwaltung
übte auch auf das materielle Leben der Familien einen günstigen
SSrawak.
Einfluss. Während sie ihre Gebrauchsartikel früher entweder von bugine-
sischen Händlern aus Kutei kaufen mussten, die sie auf die gröbste
Weise betrogen, oder in Sörawak, nach langer Reise durch feindliches
Gebiet, besorgen sie sich jetzt alles Nötige nach relativ kurzer, sicherer
Reise auf den Märkten am Mittel-Mahakam, wo die jetzt freie Konkurrenz
der Kaufleute die Preise bedeutend herabgedrückt hat und
allzu grober Betrug bestraft wird. Die Eröffnung eines Salzlagerhauses
in Long Iram hat den Preis für Salz jetzt um ein Drittel oder die
. Hälfte erniedrigt.
Obgleich die grosse Ausdehnung des Landes und die geringe
Dichte seiner Bewohner eine ärztliche Behandlung sehr erschwert,
sind die Bahau jetzt, wo ihnen umsonst Arzneien ausgeteilt werden
und ein inländischer Arzt (dokter djawa) und ein inländischer Impfarzt
unter ihnen eingesetzt sind, weit besser daran als früher, wo sie bei
Krankheit auf die vielen Fremden angewiesen waren, die sich alle als
Medizinmänner bei ihnen aufspielten und manche Familie durch ihre
hohen Forderungen und schädlichen Mittel zu Grunde richteten. Auch
bei den so viel mächtigeren Kenja herrschen die gleichen Zustände
und der gleiche Wunsch'nach Verbesserung durch Einführung einer
niederländischen Verwaltung.
Was europäische Regierungsprinzipien und europäische Energie ohne
viel Hilfe von aussen in einem inländischen Gemeinwesen zu Stande
bringen können, dafür bietet uns auf Borneo das Fürstentum Sörawak
ein interessantes Beispiel. Dieses Reich, das den westlichen Teil der
Nordküste einnimmt, wird von der englischen Familie B r o o k e regiert.
Bei der Gründung dieses Reichs ist von einer Überwältigung der
Eingeborenen durch eine europäische Kriegsmacht keine Rede gewesen,
sondern wir haben es hier mit einem typischen Fall friedlicher Entwicklung
der einheimischen Bevölkerung unter europäischer Führung
zu tun. Die Geschichte dieses Reichs ist so eigenartig, dass sie hier
wenigstens kurz erwähnt zu werden verdient.
Im Jahre 1841 landete ein englischer Schiffskapitän, namens J a m e s
B r o o k e , an der Nordküste von Borneo, nachdem er vorher vergeblich
versucht hatte, sich in Ost-Celebes niederzulassen. Im Gebiet des
jetzigen Serawak lernte B r o o k e damals das äusserst schlechte Verhältnis
der verschiedenen Völkerschaften zu einander kennen. Der vom
Sultan in Brunei abhängige Radja des Landes, M u d a H a s s e in , war
trotz seines -guten Willens nicht im Stande, seine dajakischen und
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