Untugend, das spricht schon aus der'Tatsache, dass ich in Tandjong
Karang beinahe 11 Monate in einer völlig offenen, beinahe wandlosen
Hütte wohnte, in der Schätze nur so zum Greifen bereit lagen, und
dass während der Zeit nur ein einziges Mal ein kleines Kind einen
blinkenden Löffel fortnahm, der mir gleich darauf wieder zurückgebracht
wurde.
Unter ihnen selbst nimmt einer Früchte und Sirihblätter vom ändern
; jetzt wird das fast wie ein kleiner Diebstahl aufgefasst, wenn
man aber bedenkt, dass diese Sitte zu den ganz erlaubten Gewohnheiten
der Ivönja gehört und auch unter den Bahau vor hundert Jahren
noch herrschte, so kann man es schwer als Diebstahl betrachten. Ein
Aut bewahren wertvoller Gegenstände hinter Schloss ° , und Riecorel ist
nicht notwendig. Viele bergen einen Teil ihres Besitzes gegen Brand in
kleinen Scheunen, ähnlich den Reisscheunen vor ihren Häusern, und
einem geschickten Diebe würde es nicht die geringste Mühe kosten,
alle diese Lagerplätze zu plündern; aber diese Sitte selbst spricht für
die Seltenheit eines solchen Missbrauches.
Obgleich sich die Bahau im allgemeinen kein Gewissen daraus machten,
von mir und meinem Besitz nach Möglichkeit Nutzen zu ziehen,
zeigten doch einige ihrer Männer öffentlich, dass ihnen das Treiben
der Frauen und Kinder oft zu arg schien. Ein älterer Mann tröstete
mich einst damit, dass ich mir auf diese Weise lauter Freunde gewänne
und dass es viel schlimmer wäre, wenn die Leute auf Stehlen
statt auf Betteln ausgingen. Sie sehen nämlich aus nächster Nähe, wie
die Malaien stehlen und häufig sogar vor brutaler Grabschändung
nicht zurückschrecken.
Als bei meinem zweiten Aufenthalt in Tandjong Karang mein Zug
nach dem Mahakam beschlossen war, hielt es ä k a m I g a u für seine
Pflicht, mich vor allzu reicher Beschenkung seiner Stammesgenossen
zu warnen aus Furcht, dass für die später Kommenden nicht genug
übrig bleiben möchte. Selbst als die eigenen Töchter den Versuch
machten, jede noch ein schönes Stück Zeug zu kaufen, liess er seine
warnende Stimme hören und ich machte ihm, wie später noch öfters,
das Vergnügen, seinem Rate zu folgen.
In ihrer eigenen Gesellschaft wird ein solches Gerechtigkeits- und Ehrgefühl
hoch geschätzt; bei den Häuptlingen schätzt man es höher als
Tapferkeit oder Reichtum. Unter den Mahakam Kajan am Blu-u hatte
e in e r der Mantri, K w a i genannt, den Ruf ein vlake marong" (rechtschaffener
Mann) zu sein. Zwar kam ich wegen der grossen Entfernung
seines Wohnplatzes nur sehr wenig mit ihm in Berührung, aber
ich hatte doch einige Male Gelegenheit zu bemerken, wie gut er sich
den Ansprüchen der Seinen gegenüber in meine Verhältnisse zu versetzen
und zwischen beiden Parteien einen Vergleich zustande zu bringen
wusste. Er war es auch, mit dem ich wegen des Lohnes der
Kajan für die Fahrt den Mahakam hinunter verhandelte. Er fand
bei dieser Gelegenheit, dass es von mir zu viel verlangt heisse, ihnen
ausser allem, was sie von mir erhalten hatten, auch noch das grosse
Boot zu geben, um welches K w in g I r a n g mich gebeten hatte. Als
man mir einmal über die Könja zu viel aufbinden wollte, erklärte er,
dass man wenig anderes von ihnen wisse, als dass sie Menschen seien
wie sie selbst.
Die Ehrfurcht vor dem Alter und die Stellung, welche die Frau
im Bahau-Staate einnimmt, scheinen mir Äusserungen des sanften
Charakters dieser Menschen zu sein. Obgleich die Jugend auch bei
ihnen gern das grosse Wort führt, so schweigt sie doch in Gegenwart
älterer Leute. Bei öffentlichen Versammlungen des Stammes ergreifen
junge Männer daher nur ausnahmsweise das Wort, gewöhnlich
sagen sie Ja und Amen zu allem, was die Alten verlangen.
Die Frau spielt in der Kajan-Gesellschaft eine wichtige Rolle. Während
bei ändern Völkern die Frau oft die Beute des Stärksten wird
und in die Verhältnisse ihres Gemeinwesens nicht genug Einsicht besitzt,
um sich nicht durch die eine oder andere glänzende Eigenschaft
eines Mannes blenden zu lassen, steht die Frau im Staate&der
Kajan am Mendalam z. B. ebenso selbständig da wie der Mann bestimmt
mit derselben Einsicht wie dieser ihr Tun und Lassen’ und
bietet ihren Neigungen dadurch einen festeren Halt. Die besonders
bevorzugte Stellung der Frau unter den Mendalam-Kajan muss aber
wohl dem Nebenumstande zugeschrieben werden, dass die Männer
dieses Stammes besonders langdauernde Handelsreisen unternehmen,
wodurch die Frauen zu Hause mehr Einfluss bekamen als die der
Stämme am Mahakam.
Auch am Mendalam hat das stärkere Geschlecht die Neigung das
schwächere auf den zweiten Platz zu drängen. Bald nach mdn^’ Ankunft
sprach Ä k a m I g a u in einem Gespräche unter vier Augen sein
Bedauern darüber aus, dass die Frauen seines Stammes sich so viel
Geltung verschafft hätten. Der alte Herr war in seinem Leben Hel