Die Freien und Sklaven bringen diese Opfer nicht selbständig, zu
beliebigen Zeiten dar, sondern sie warten hierfür grosse religiöse Zeremonien
in der Häuptlingsamin ab. Wird dort ein ajo (Kopfjagd) bei der
Ablegung der Trauer oder beim Einzug in ein neues Haus gehalten oder
ein dangei gefeiert, so gehen sie im bet la li des Kindes einen Schritt
vorwärts. Bevor dieses erwachsen ist, dürfen seine Kleider nicht be-
seitigt oder verkauft werden, seht- wahrscheinlich, damit die noch schwache
bruwa des Kindes den Kleidungsstücken nicht folge, wodurch es krank
werden würde. Aus demselben Grunde will man auch die käwät der
Kinder nicht verkaufen; nur einige Male gelang es mir, die Tragbretter
lang verstorbener Personen zu erstehen. Die Kajan trennen
sich auch nicht von ihren Tragkörben, vngan dawan; die Long-Glat
dagegen verkauften mir einige, aber zu hohem Preise.
In anderen Punkten sind die Long-Glat übrigens viel abergläubischer
als die anderen Stämme; so verschieben sie z. B. das la li parei wegen
eines hadm (== mgla) bei Krankheit oder eines ajo für ein neues Häuptlingshaus
so lange, bis der Reis überreif auf der ladang abfällt. Ferner
wagen sie auch beim grössten Nahrungsmangel nicht zu ernten, wenn
auf dem Felde der Tragriemen eines Reiskorbes bricht oder dieser
umfällt.
Krankheiten suchen die Mahakambewohner teils durch Schreckfiguren
aus Holz, teils durch Beschwörungen zu vertreiben. Betrifft es
einen ganzen Stamm, so werden über i m hohe menschliche Figuren
beiderlei Geschlechts am Flussufer aufgestellt, um die bösen Geister
in die Flucht zu jagen. Auch in jedem Privathause werden dann
solche tqpatong, wenn auch in kleinerem Massstabe, verfertigt.
Wird nur eine Familie durch sehr schwere Krankheit getroffen, so
wendet nur diese die tgpatong an.
Gefürchteter als die aus der Umgegend stammenden bösen Geister
sind die aus fernen Gegenden, welche die Reisenden begleiten. Als mich
im Jahre 1 897 eine Gesellschaft vom mittleren Mahakam bei den Blu-u
Kajan besuchte, zeigte sich keine Frau ausserhalb ihres Hauses ohne
ein brennendes Bündel Plehidingbast, dessen stinkender Rauch die bösen
Geister vertreibt.
Dass diese für besonders verhängnisvoll gehalten werden, wenn sie
aus der Ferne kommen, ist begreiflich, denn von weitem heimkehrende
Bewohner bringen häufig Infektionskrankheiten in ihr Dorf mit, hauptsächlich
influenzaartige. Die Kajan bezeichnen denn auch Husten und
Schnupfen, die wichtigsten Symptome dieser Infektion, mit demselben
Namen wie die fremden Geister, nämlich mit „bengün". Da auch Cholera
und Pocken auf diese Weise verbreitet werden, erscheint die Furcht
der Eingeborenen vor den Geistern aus der Fremde völlig berechtigt.
Die Krankenbeschwörungen am Mahakam beruhen auf derselben
Idee wie am Mendalam, nur sind die Äusserungen desselben Glaubens
bei den Priestern der einen und anderen Stämme ■ eigentümlich verschieden.
Während der grobe Betrug, den die da ju n g am Blu-u treiben,
indem sie krankheiterzeugende Tiere und Gegenstände aus dem
Körper der Patienten zum Vorschein bringen, sofort ins Auge springt,
beobachtete ich nichts ähnliches am Mendalam, auch äusserte sich
eine Beseelung hier niemals in Begleitung von Zittern und Krämpfen.
- Zur Veranschaulichung des Gesagten mag hier die Beschreibung eines
grossen Beschwörungsfestes folgen (Beschwörung halten = enah abei), das
K w in g I r a n g , als seine Familie durch Krankheit heimgesucht wurde,
zur Beschwichtigung der Geister im Jahre 1897 vornehmen liess.
Den eigentlichen Festtag leiteten 3 der obersten weiblichen und Bo
B a w a n , der oberste männliche Priester mit einem Opfer an die unter
dem Flusse wohnenden Geister ein. In netter, aber gewöhnlicher Kleidung
begaben- sich die Vier zum Blu-u, unter Vortritt von 4 jungen
Männern, von denen zwei grosse Gonge, die anderen Priesterbecken
ertönen Hessen, um die Geister auf die kommende Zeremonie auf:
merksam zu machen. An der Ufertreppe stehend boten alle zugleich
in altem Busang den Geistern ein Küchlein, ein Bambusgefäss mit Salz,
Reis und essbare Blätter, sowie einen weissen Kattunlappen zum Opfer
an. Nachdem alle die Gegenstände in die Hand genommen hatten,
schleuderte Bo B a w a n sie über den Fluss. Eine der däjung schnitt
dem Küchlein den Hals durch, alle Anwesenden bespieen das Tier,
damit die Geister am Geruch die Geber erkennen sollten, dann warf
der Priester auch dieses ins Wasser. Nur der Kattunlappen wurde unter
Beckenschlag ins Haus zurückgetragen.
Etwas später erklangen die Becken aufs neue, diesmal in der Häuptlingswohnung,
zum Zeichen, dass eine andere Zeremonie begonnen hatte.
Bei meinem Eintritt, der die versammelte Menge nicht zu stören schien,
sah ich unter dem geöffneten Dachfenster 8 däjung sitzen, vorn 2
männliche, hinten 6 weibliche, Erstere waren damit beschäftigt, unter
dem ohrenzerreissenden Gebrumm der Gonge den guten Geistern in
singendem Tone die von K w in g und den Seinen gebotenen Opfer