Wissenschaft zu danken hat, denn welche Rolle, diese Epidemien in
einer unbeschützten Bevölkerung spielen können, lehrten mich einige
Beispiele unter den Stämmen Mittel-Borneos, wo diese Krankheiten
gewöhnlich um so seltener Vorkommen, je schwerer zugänglich die
Gegenden von der Küste aus sind.
Einige Jahre vor meiner Ankunft am Mendalam war in der damals
noch vereinigten grossen Niederlassung der Kajan von Tandjong Ka-
rang und Tandjong Kuda die Cholera ausgebrochen. Nicht weniger
als ein Vieitel der Bevölkerung muss ihr damals zum Opfer g'efallen
sein; die Bedingungen hierfür waren durch das Zusammenleben des
ganzen Stammes in einem grossen Hause gegeben. Inbezug auf eine
Pockenepidemie, die durch Uma-Lökön von der Küste nach Apu Kajan
eingeschleppt worden war, teilte man mir mit, ein Drittel der Bevölkerung
des infizierten Dorfes sei damals gestorben.
Es kann zahlenmässig nicht festgestellt werden, in welchem Grade
diese Faktoren die V ermehrung der Bevölkerung- hemmen; aber in
Anbetracht, dass alle übrigen schädigenden Einflüsse der Malaria und
den Genitalleiden gegenüber verschwindend klein erscheinen, glaube
ich nicht zu weit zu gehen, wenn ich die geringe Zahl und den Rückgang
der Bahau hauptsächlich diesen zuschreibe.
Zu dieser Überzeugung war ich bereits auf meiner Reise 1896—97
gekommen und habe sie in meinem Werke „In Centraal Borneo (1897)”
ausgesprochen. Einen Beweis für die Richtigkeit dieser Überzeugung
erhielt ich aber erst am Ende meiner letzten Reise, während meines
Aufenthaltes unter den Könjastämmen von Apu Kajan.
Seit Jahren daran gewöhnt, Malariafälle in meiner Praxis weitaus
die Mehrheit bilden zu sehen, fiel es mir sehr auf, in Apu Kajan ganz
andere Verhältnisse zu treffen. Eine grosse Zahl hydropischer alter ,
Leute beanspruchte hier meine Hilfe, was in tiefer gelegenen Gegenden
beinahe nie vorgekommen war, während Malariafälle sehr zurücktraten
und sich während meines Besuchs auf einige akute Fälle beschränkten.
Es erwies sich, dass die Veränderung im Krankheitsbilde
der Bevölkerung hauptsächlich durch das vielfache Vorkommen von
Bronchitis mit Emphysem und Herzfehlern hervorgerufen wurde, Erscheinungen,
die durch das rauhe Klima verursacht und durch das
Rauchen von sehr schlecht zubereitetem Tabak gefördert werden. Mit
dem Rauchen wird bereits in frühster Jugend begonnen, da man es
als Heilmittel gegen Husten betrachtet. Obgleich in Apu Kajan mit
dem Eintritt von rauhem, kaltem Wetter mit heftigen Regengüssen
mehr akute Malariaanfälle vorkamen, war doch von einer chronischen
Infektion der ganzen Bevölkerung, die sich in einer vergrösserten,
harten Milz bei der grossen -Mehrzahl der Kinder äusserte, (Teil I
pag. 427) überhaupt nicht die Rede. Dies stimmt mit der bekannten
Tatsache überein, dass in einem kälteren Klima die Malariainfektion
im allgemeinen an Heftigkeit abnimmt.
Da Bronchitiden und deren Folgen erst in späterem Alter einen
schwächenden Einfluss auf den Körper ausüben und hierin mit einer
starken Malariainfektion nicht zu vergleichen sind, so glaube ich in
dem Unterschied im Auftreten der Malaria, als eine Folge der Höhendifferenz
zwischen dem Lande der Bahau und dem der Könja, einen
Hauptgrund gefunden zu haben für die gegenwärtige Verschiedenheit
dieser beiden Stammgruppen inbezug auf ihre Dichte, ihre physische
und, wie wir später sehen werden, auch ihre psychische Konstitution.
Mit dieser kräftigeren Körperkonstitution der Könja steht ihr grösseres
Widerstandsvermögen anderen Krankheiten gegenüber in Verbindung
; so glaube ich z. B. diesem zuschreiben zu müssen, dass. Syphilis
bei den Könja zwar in derselben eigentümlichen Form wie bei den
Bahau, aber mit geringerer Heftigkeit auftritt. Während diese,Krankheit
unter einigen Bahaustämmen so allgemein vorkam, dass ich die
Tatsache, dass sich unter ihnen nur tertiäre Formen zeigten, durch
die Annahme einer ausschliesslich hereditären Ausbreitung erklären
zu müssen meinte, standen die Fälle unter den Könja viel zu vereinzelt
da, um an Erblichkeit überhaupt denken zu können. Die von mir
beobachteten Fälle schienen auf den Zustand der Könja lokal undaligemein
einen viel minder schädlichen Einfluss auszuüben als unter den
Bahau. Es waren meistens tuberöse Syphiliden der Haut, die das
Knochengerüst nicht angriffen und viele Jahre bestanden, ohne den
Körper des Betreffenden ernstlich zu schwächen.
Einen schlagenden Beweis dafür, in welchem Masse Apu Kajan, das
ebenso gross ist wie das Gebiet des oberen-Mahakam, ¡seiner Bevölkerung
günstigere Lebensbedingungen bietet als die tiefer gelegenen Flusstäler,
liefert die Tatsache, dass seit Jahrhunderten zahlreiche Stämme
aus dieser 600 m hoch gelegenen Gebirgsgegend nach allen Himmelsgegenden
in die benachbarten niedrigeren Flusstäler weggezogen sind
und die Bevölkerung dort doch noch dichter ist als irgendwo anders in
dajakischen Gebieten. Anstatt 300—800, wie am Ober-Mahakam, zählen