nicht sogleich, dass die Erde rund ist und sich bewegt, ebensowenig,
dass nicht ein Ungetüm .bei der Finsternis Sonne oder Mond verschlingt,
aber sie begriffen doch wenigstens meine Erklärung.
Praktisch sehr wertvoll für uns waren das grössere Interesse, das
die Könja ihrer Umgebung entgegenbrachten, und die besseren Kenntnisse,
die sie von ihr besassen. Während wir von den Bahau bei der
topographischen Aufnahme des Mahakam nicht einmal die Namen der
wichtigsten Berge und Flüsse in der Umgegend erfahren konnten,
führte mich der Kenjafürst Bui D ja l o n g auf den Gipfel eines Berges
und nannte mir bis zum Horizont, zu alle Namen der Bersor e,> auch
derer im Mahakamgebiet, die wir unterscheiden konnten; er gab die
zu den verschiedenen angrenzenden Gebieten führenden Wege an,
ebensogut als dies ein Europäer getan haben würde.
Bei niedrigstehenden Völkern ohne Schrift geht die Erinnerung an
frühere Ereignisse gewöhnlich schnell verloren, so wussten die Bahau
kaum noch etwas über ihre Vorfahren, die Kenja dagegen kannten
sogar noch die Überlieferungen der Bahau aus der Zeit, wo auch sie
noch in Apu Kajan wohnten.
Mit ihrer stärker entwickelten Psyche stehen bei den Könja auch Erscheinungen
in Verbindung, die auf eine^kräftigere Behauptung der Persönlichkeit
ihrer Umgebung gegenüber schliessen lassen. So sind sie
mutiger als die Bahau und üben daher nicht deren hinterlistige, feige
Art der Kriegsführung. Sie kämpfen, wie bereits gesagt, in Banden,
Mann gegen Mann, wobei hauptsächlich das Schwert gebraucht wird und
erst der Tod vieler Kämpfer die Schlacht beendet. Obgleich auch bei
ihnen Kopfjagden üblich sind, so treten sie doch mehr in den Hintergrund
und zeugen auch mehr von persönlichem Mut. Ich erinnere hier
an den Fall, wo ein junger Könjahäuptling bei einem Besuche am Mahakam
während eines Kriegstanzes einem der zahlreichen Zuschauer plötzlich
den Kopf abschlug und mit diesem die Flucbt ergriff. Verräterisch
war diese Tat sicher, aber es gehörte doch Mut dazu, um sie auf einer
srossen Galerie unter vielen Menschen auszuführen.
Wohnt man unter den Bahau, so ist es einem ärgerlich mit anzusehen,
wie sie- sich von den Malaien ausbeuten lassen, die auf ihre
Kosten von Betrug, Diebstahl und Grabschändung leben. Die Könja
sind weniger langmütig; wenn die Malaien es zu arg bei ihnen trei
ben, werden sie einfach niedergemacht.
Infolge ihres grossen Misstrauens gegen uns und die eigenen Stammesgenossen
brachten wir die Bahau nur ab und zu einmal unter 4
Augen zu einer freien Äusserung ihrer Gedanken ; einen unvergesslichen
Eindruck auf uns Eluropäer machte dagegen das offene Auftreten
der Kénja bei ihren politischen Versammlungen, wo so wichtige
Angelegenheiten wie das Zusammengehen mit dem Radja von Séra-
wak oder der niederländischen Regierung öffentlich behandelt wurden.
Eigentümlich ist es zu verfolgen, welchen Einfluss das lebhaftere,
mutigere, rohere und weniger empfindliche Wesen der Kénja auf deren
Zusammenleben geübt hat. Während die Bahau am Mahakam eine
ganz unzusammenhängende Gruppe von Stämmen bilden, in welchen
jedes Individuum - sich frei und berechtigt fühlt, den eigenen Vorteil
als das Höchste zu betrachten, wodurch die Häuptlinge machtlos sind
und auf die gemeinsamen Stammesinteressen keinen Einfluss ausüben
können, bilden die Könjastämme ein zusammenhängendes Ganzes unter
der anerkannten Oberherrschaft eines Stammes und eines Oberhäuptlings
und jedes Glied fühlt sich abhängig und verantwortlich für die
Interessen der anderen.
In der geordneteren Gesellschaft der Kénja machte sich auch deren
höhere -Moral mehr geltend. Ihre Häuptlinge waren selbstloser, be-
sassen mehr sittlichen Mut und genossen mehr Vertrauen seitens ihrer
Untertanen. Wagten die Bahauhäuptlinge z. B. nicht, bèi einer Löhnung
ihrer Stammesgenossen in Form von verschiedenen Artikeln die Austeilung
vorzunehmen, so rechneten die Könjahäuptlinge ohne Furcht
vor Unzufriedenheit und Streitigkeiten selbst aus, wieviel jedem zukam,
und führten dann die Verteilung im eigenen Hause aus.
Als sich bei meiner Rückkehr zum Mahakam Hunderte von Kénja
zu meiner Begleitung vorbereiteten, mussten die meisten von ihnen
wegen schlechter Vorzeichen zurückkehren; auch die Häuptlinge hätten
dies- tun müssen, doch schickten sie nur ihre Untertanen zurück
und gingen selbst mit wegen der Wichtigkeit einer Fortführung der
Unterhandlungen.' Bei den Baha#: hätte kaum je ein Häuptling sich
verpflichtet gefühlt, die allgemeinen Interessen zu vertreten, vollends
bei ungünstigen Vorzeichen.
Auch das Betragen ihrer Untertanen unterwegs war ganz anders
als bei den Bahau. Die 80 Kénja, denen es doch noch gelang, alle
guten Zeichen zu finden und mitzufahren, bildeten, obgleich sie aus
verschiedenen Dörfern stammten, auf der Reise eine Gemeinschaft,
die ihre Lebensmittel gemeinsam verbrauchte und sogar mit uns und