K A P I T E L X V I I .
Verhältnis ^ zwischen der dajakischen, malaiischen und europäischen Rasse auf Borneo — Malaiische
Regierungspnnzipien Einfluss der Malaien auf ökonomischem und religiösem Gebiet — Unterdrückung
und Ausbeutung der dajakischen Stämme durch die malaiischen Fürstenfamilien — Degeneration
der ursprünglichen Bevölkerung - Furcht der Dajak vor den sürawakischen Stämmen -
Segensreicher Einfluss einer europäischen Verwaltung — Gründung des Fürstentums Sörawak unter
J a m e s B r o o k e und die günstigen Resultate von dessen Wirksamkeit.
Die an den W^est- Süd- und Ostküsten von Borneo wohnenden
Stämme gehören der malaiischen Rasse an. Obgleich sie in manchen
Gegenden sich stark mit fremden Elementen vermengt haben, wie mit
Javanern (Südküste), Buginesen und Arabern (Westküste), Buginesen
und Toradjas (Ostküste), treten bei den Bewohnern der an den
Küsten gelegenen Fürstentümer in Sprache, Sitten und Gebräuchen
die malaiischen Eigentümlichkeiten noch stark hervor. Anders verhälF
es sich an den grossen Strömen, längs welchen sich die Malaien,, die
vorzugsweise Händler sind, bis tief ins Innere niedergelassen haben.
An diesen Handelswegen gründeten sie an der Mündung grösserer
se Niederlassungen, so entstanden am Kapuas Tajan, Sanggau,
Sekadau, Sintang, Bunut und zahlreiche andere.
Die kleinen, durch ständige Fehden unter einander entzweiten dajakischen
Stämme waren den energischeren Malaien, unterdenen die Einheit
der Sprache und des Gottesdienstes ein festeres Band bildete, nicht gewachsen,
und die Lage ihrer Niederlassungen ermöglichte es den Malaien,
bei der Abwesenheit von Landwegen, den Handelsverkehr mit
den flussaufwärts wohnenden Dajak vollständig zu beherrschen. Die
malaiischen Fürsten erhoben auf die ein- und ausgeführten Handelswaren
hohe Steuern, auch unterwarfen sie sich die benachbarten Dajak-
stämme, so weit als dies ohne grosse Kosten geschehen konnte. Da
die malaiischen Fürsten. sich ausschliesslich zum pekuniären Vorteil
mit dem eigenen Volk und den unterworfenen Stämmen befassen,
reicht die Unterwerfung der dajakischen Stämme in der Regel nicht
hoch an die Nebenflüsse hinauf; kostet es keine Opfer, so werden
die Dörfer der Eingeborenen oft genug gebrandschatzt, obgleich
sich die Dajak bereits auf möglichst grosse Entfernung von den Malaien
zurückgezogen haben.
Von Interesse ist, dass sich die Malaien die Ausbreitung des
Islams unter den Dajakstämmen sehr wenig angelegen sein lassen;
den Fürsten wäre sie sogar sehr unerwünscht,, da sie aus heidnischen
Untertanen ein viel grösseres Einkommen ziehen können
als aus ihren eigenen Glaubensgenossen. Doch trägt die Anwesenheit
der Malaien trotzdem viel zur Verbreitung des Islams bei, weil
sie sich oft mit dajakischen Frauen verheiraten, die zu diesem Zweck
Mohammedanerinnen werden müssen ; ferner denken die Dajak, dass
auch die Religion von Menschen, denen eine grössere Weltkenntnis
eigen ist und die im Besitze der Produkte -höherer Kulturvölker sind,
mehr wert sein müsse als die ihrige; das hochmütige Benehmen der
Malaien gegenüber den Heiden bestärkt diese noch in dieser Meinung.
So kommt es, dass die Dajak ziemlich lhicht zum Islam übergehen,
was für sie auch sehr einfach ist, da von einer inneren Überzeugung
von den höheren Vorstellungen, welche dem Islam zu Grunde liegen,
nicht die Rede zu sein braucht und sie beim Übertritt eigentlich nur
auf den Genuss von Schweinefleisch verzichten und die Glaubensformel
nachsprechen müssen. Dem gegenüber geniesst der Dajak den Vorteil,
nicht nur Mohammedaner, sondern nach der Volksauffassung zugleich
Malaie geworden zu sein.. Der Name Malaie erhält hierdurch
für die borneoschen Binnenlande eine besondere Bedeutung, insofern
als in der dortigen Bevölkerung alle Blutmischungen von rein malaiischer
bis zu rein dajakischer Rasse vertreten sind. Natürlich verhält
es sich ebenso mit den Sitten und Gewohnheiten und dem Glauben.
Die Ausbreitung der malaiischen Fürstentümer ist an den verschiedenen
Küsten nicht gleich weit in die Binnenlande vorgedrungen. Am
weitesten ist dies an der Westküste geschehen, ‘ wo die Malaien sich
so hoch den Kapuas hinauf niederliessen, als der Fluss das ganze Jahr
über für Handelsfahrzeuge schiffbar ist. Im Süden nehmen sie nur das
Mündungsgebiet der Flüsse ein, ausser am Barito, wo das einst mächtige
Reich der Sultane von Bandjarmasin sich sehr weit am Unterlauf
ausstreckte und wo die in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts
von den Niederländern gegen diese Fürstenfamilie geführten