Borneo beziehen zieh zwar nur auf die Stammgruppen der Bähau und
Könja, geben aber doch eine-allgemeine Vorstellung von der Rolle,
welche Perlen bei Stämmen spielen können, die auf einer niedrigen
Entwicklungsstufe stehen.
Die Perlen, die sich bei den genannten Stammgruppen allgemeiner
Beliebtheit erfreuen, sind beinahe alle in früheren Zeiten oder in der
Gegenwart aus Glas, Porzellan und Fayence hergestellt und eingeführt
worden. Solche Perlen (Siehe Taf. 59 Fig. 1 — 10, 12—14, 17,
20, 27 und 36) stellen diese Stämme nie selbst her. Diejenigen Perlen,
welche sie selbst als neu bezeichnen, werden hauptsächlich aus Singa-
pore eingeführt, während die alten Perlen, die man von Alters her
auf der Insel findet, in sehr frühen Zeiten aus unbekannten Gegenden
zu ihnen gelangt sein müssen.
Das Alter der Perlen bestimmt zwar hauptsächlich ihren Wert, aber
nicht ihre Verwendung. Die Rolle, welche die Perlen im Lebenslauf
eines Dajak zu erfüllen haben, hängt mehr von ihrer Form als von
ihrem Alter ab; Häuptlinge und Reiche verwenden im allgemeinen
häufiger alte Perlen, Unbemittelte neue. Für religiöse und andere Zeremonien
sind bestimmte Perlenarten vorgeschrieben, bemerkenswerterweise
bestehen hierin selbst unter verwandten Stämmen Unterschiede.
Alte und neue Perlen der gleichen Art tragen keine scharfen Erkennungszeichen.
Von den Perlen, welche die Eingeborenen als sehr
alt und kostbar bezeichnen, führen zahlreiche Übergänge zu den minder
alten und wertvollen und von diesen wiederum zu den neusten
Perlen, die ihnen noch heutigen Tages zugeführt werden.
Da die neueren Perlen nach dem Muster der älteren aus dem gleichen
Material und mit den gleichen Zeichnungen hergestellt werden und
die alten Perlen der gleichen Art durchaus nicht immer unter einander
völlig übereinstimmen, besitzen die neuen keine charakteristischen Formen
oder Farben, die sie von den alten scharf unterscheiden. Dennoch
ist es unmöglich, neue Perlen als alte zu verkaufen, weil diese
infolge des langen Gebrauchs an der Oberfläche verschlissen, vom Fett
der Haut durchzogen und, wenn sie in der Erde gelegen haben, an
der Oberfläche verwittert sind. Die neuen Perlen können daher, trotzdem
sie in Form und Farbe den alten gleich sind, von Sachverständigen
doch unterschieden werden; eine genaue Nachahmung würde
dem Fabrikanten wahrscheinlich zu teuer zu stehen kommen. Da bestimmte
Perlenarten nur von bestimmten Stämmen geschätzt werden
und wiederum bei den anderen oft so gut als wertlos sind, und da
ferner das Kaufvermögen der Eingeborenen sehr gering ist, kann dem
Fabrikanten, wenigstens für Borneo, eine genaue Nachahmung einzelner
alter Perlen, die viel Zeit und Mühe erfordert, keinen Vorteil
bieten. Einer Perle, die nach einem gegenwärtig unbekannten Verfahren
hergestellt worden wäre, bin ich unter vielen Hunderten von
Perlensorten in Borneo nicht begegnet. Der Preis einer Perle richtet
sich nicht nur nach ihrem Alfer, sondern auch nach ihrer Art. Eine
verbreitete Art alter Perlen (lekut sekala) wurde in den Jahren 1896—
1900 am Kapuas und oberen Mahakam für 100 fl das Stück verkauft;
dagegen zeigte mir der Sultan von Kutei eine Perle, die, nach
seiner Aussage, 40 000 fl wert war. Sie war doppelt kegelförmig,
2 cm gross und bestand aus gelbem Porzellan, durchzogen von Bündeln
verschiedenfarbiger Glasurstreifen. Die Malaien hätten jedoch einen
so hohen Preis für die Perle nicht bezahlen wollen und von den Dajak-
Häuptlingen wären nur wenige hierzu im Stande gewesen. Jede der
verschiedenen alten Perlenarten besitzt ihren bestimmten festen Preis.
Wie bei allen derartigen Artikeln ist aber auch bei diesen Perlen der
Preis von Nachfrage und Angebot abhängig. Da, wo sich malaiischer
Einfluss geltend macht, findet ein starkes Sinken der Preise statt. Gegenwärtig
schätzen unter den Bahau und Könja auf holländischem
Gebiet nur noch die Stämme am Oberlauf des Kapuas, Mahakam und
Kajan den Besitz alter Perlen höher als den von Geld. Am Mittelund
Unterlauf dieser Flüsse dagegen, wo die Eingeborenen oft mit
Malaien in Berührung kommen, veräussern sie ihren Perlenbesitz, was
einen lebhaften Handel zwischen Binnenland und Küste veranlasst.
Für die ursprünglichen Dajak bildet der Einkauf von Perlen den
wichtigsten Anlass zur Unternehmung monat-, ja selbst jahrelanger
Reisen aus dem einen Gebiet ins andere. Vom Kapuas aus machen
hauptsächlich die bei Putus Sibau lebenden Taman-Dajak Züge zum
mittleren Mahakam, wo alte Perlen stark im Preise gefallen sind. Sie
beo-eben sich an den oberen und mittleren Mahakam, um dort Gutta- o -
percha und Rotang zu suchen, die sie in Udju Tfepu an den Mann
brinefen. Für den Erlös kaufen sie bei den benachbarten Stämmen
alte Perlen, die sie als einzigen Besitz nach einer Reise von 6 Monaten
bis zu i 1/, Jahren in ihre Heimat am oberen Kapuas mitbringen,
wo sie mit den Perlen unter den eigenen Dorfgenossen und benachbarten
Stämmen sehr vorteilhaften Handel treiben. Auch die Kajan