flugunfähigen $ 9 . Aber auch die meisten anderen fliegen am Tage bei geringster Störung auf, um
sieb bald wieder niederzulassen; manche Arten sind jedoch außer ihrer normalen Flugzeit so träge,
daß sie sich fallen lassen und im Grase verbergen. Vor allem gilt dies von den 9 9 vieler Arten, die
höchst ungern fliegen, obschon sie normale Flügel besitzen. Der Flug ist rasch und energisch, aber
schwankend und taumelnd, geht selten gerade aus, sondern in unregelmäßigen Wendungen; nur beim
Umschwärmen der 9 9 oder beim Umflattern der Pflanzen zur Eiablage ist er mehr pendelnd oder
rüttelnd.
Freiwillig entfernen sich die Wickler nicht leicht vom Orte ihrer Entwicklung resp. den
Nahrungspflanzen der Raupen; nur wo diese größere Bestände bilden, oder in Menge über größere
Flächen zerstreut sind, oder wo die Raupen hochgradig polyphag leben, sind sie weniger an die Örtlichkeit
gebunden. Als Ruheort wählen viele die Blätter der Bäume und Gebüsche, und dabei gewöhnlich
die Unterseite, wo sie verborgen sitzen können. Manche aber ruhen mit Vorliebe frei auf der Oberseite
der Blätter, so viele Acolla-, Argyroploce- und manche Tortrix- und Epiblema-Arten. Andere
ruhen an den Stengeln der Pflanzen, zwischen den Blättern versteckt, noch andere stets an Baumstämmen;
nach heftigen Winden kann man oft an Bretterzäunen, die in der Nähe von Bäumen stehen,
gute Ausbeute machen auch von Arten, die für gewöhnlich in größerer Höhe sich auf halten; denn
auch in Bezug auf die Höhe des Ruheplatzes sind einige Arten von sehr ausgesprochener Gewohnheit;
Epiblema, ophthcdmicana z. B. wählt den Fuß der Baumstämme, Epibl. nisella und Ena/rmonia corticana
etwa Manneshöhe, Acalla rosddana aber Haushohe an Baumstämmen und mehr.
Beim Ruhen sind die Hinterflügel gefaltet über dem Hinterleibe und seitlich davon nach hinten
gelegt und die Vorderflügel decken sie dachförmig in sehr verschiedener Neigung. Die Arten der
Gattung. AcaUa tragen die Flügel sehr flach, wobei der eine Vorderflügel mit seinem Dorsalrand
weit über den anderen geschoben wird und bieten so je nach der Flügelform den Umriß eines Trapezes
bis kurzen Dreiecks. Die Tortrix arten haben mehr die Form eines steileren Daches, die Phaloniinen
und Epibleminen halten die Flügel sehr steil dachförmig und auch gegen die Spitzen hin eng aneinandergeschmiegt,
so daß sie fast wie um den Körper herumgerollt erscheinen, wodurch die Figur sehr
schmal wird. Dabei bilden die Vorderflügel besonders bei den Enarmoniaoxten und näheren Verwandten
noch eine Längsfalte, wodurch das Ganze noch schmäler und der Rücken flach wird. Bei den
Phaloniinen und manchen Tortricinen ist dabei die Fläche des Vorderflügels hinter der Querader
noch etwas einwärts geknickt, wodurch sich die Säume fest aneinander legen und das Dach auch
von hinten her abgeschlossen erscheint.
Man kann hier die Frage aufwerfen, ob die Wickler, welche die Gewohnheit haben, sich in der
Ruhe offen den Blicken auszusetzen, in besonderer Weise der gewöhnlichen Unterlage angepaßt sind
und dadurch Schutz genießen, oder durch eigenartige Färbung und Zeichnung für Tiere ungenießbare
Gegenstände vortäuschen und infolgedessen verschont werden. Es ist nicht zu leugnen, daß gar
manche dieser Arten unserem Auge wenig auffallend oder fast unbemerkbar sind, so die Tortrix viridand
auf Blättern, einige sehr helle oder beinahe weiße Arten, die sich mit Vorliebe an Birkenstämmen
niederlassen, weil die Raupe an diesem Baume lebt, oder eine ganze Reihe grauer, brauner, dunkelmoosgrünlicher,
in verschiedener Weise marmorierter Formen, die an rauhen Baumstämmen ruhen;
andere, wie die verschiedenen Argyroploce arten ähneln in ihrem Gemisch von braungrau, schwärzlich
und weiß so sehr kleinen Vogelexkrementen, daß sie von j ugendlichen Sammlern als „Spatzendreck-
chen“ bezeichnet werden. Aber an den gleichen Orten ruhen auch, alleT Augen leicht sichtbar, ganz
anders gefärbte und gezeichnete Arten. Unsere Unaufmerksamkeit, oft auch die unbewußt arbeitende'
Phantasie, noch häufiger aber guter Wille kann auch in solchen Fällen gar mancherlei Dinge ausfindig
machen, denen diese Tierchen gleichen mögen: eine dürre Blattstelle, eine Blattgalle, ein Rindendefekt,
oder ein Borkenriß, ein Holzsplitter und was dergleichen mehr ist. Ein Eichenstamm ist außerdem
so rauh, mit Moos und Flechten bewachsen und so mannigfaltig in seiner Oberflächenskulptur und
-Färbung, daß zu guter Letzt jedes kleine Tierchen daran ziemlich unauffällig sein wird, und man jeden
daran sitzenden Wickler mit irgend einem Ding der Umgebung wird vergleichen können; man schießt
hier oft weit über das Ziel hinaus. Es ist doch eine große Frage, ob die wahren Feinde und Verzehrer
solcher Tierchen eine ähnliche Phantasie haben wie wir, und sich in gleicher Weise täuschen lassen,
oder ob sie nicht vielmehr, unbeeinflußt von Vergleichungsbestrebungen, die Dinge sofort als das
erkennen, was sie sind. Eine Meise, ein Baumläufer, die jede Ritze durchspähen, die verborgensten
Püppchen und Insekteneier finden, werden sicher auch diese Schmetterlingchen bemerken und richtig
taxieren, und der aufmerksame Beobachter findet gerade an Baumstämmen oft genug derartig „angepaßte“
und „geschützte“ Wickler in den Klauen von Spring- und Wolfsspinnen, oder ihre Flügelreste
an dem Moos- und Flechtenüberzug hängen. Aber gesetzt auch, es handele sich dabei nur um
ganz ausnahmsweise gemachte Beute, die größte Mehrzahl werde dennoch übersehen, so genießen
die Tierchen doch nur solange den Schutz ihrer Umgebung, als sie sich völlig ruhig verhalten. Nun
gehören aber viele von den „bestangepaßten“ gerade zu den flüchtigsten Arten, die bei jedem Schatten,
der unversehens auf sie fällt, beim geringsten Geräusch oder der kleinsten Erschütterung auffliegen,
um sich an anderer Stelle niederzulassen. Dadurch erregen sie aber gerade die Aufmerksamkeit
nicht nur ihres natürlichen Feindes, sondern sogar des Sammlers. Jede ungewöhnliche Berührung
des Blattes, auf dem ein „Spatzendreckchen“ sitzt, scheucht dieses auf, und damit ist der „Schutz“
dahin. Ich habe einmal beobachtet, wie an einem sehr windigen Tage, an dem wenig Insekten flogen,
eine kleine Schar Schwalben den Saum des Waldes abstreifte, dabei absichtlich die Zweige der
Eichen berührte, aus denen dann Schwärme von Tortrix viridand aufschwirrten, unter denen die
Vögel reiche Beute machten.
. Weiterhin läßt sich leicht nachweisen, daß eine ganze Menge von Arten, die nach Färbung und
Zeichnung ganz ebensogut an der Baumrinde verborgen wären, oder auf Blättern sitzend Vogelexkre-
mehte vortäuschen könnten, stets sorglich die Unterseite der Blätter oder andere Verstecke auf-
suchen, sich nie freiwillig offen den Blicken zeigen, also offenbar der „schützenden Anpassung“
gründlich mißtrauen oder, um wissenschaftlicher zu reden, keinen ihrem Aussehen entsprechenden
Instinkt besitzen, wogegen andere offen dasitzen, ohne daß jemand eine Anpassung heraustüfteln
kann, und doch läßt sich kein Unterschied in der Häufigkeit nachweisen. Der Imagozustand, während
dessen der Schutz infolge von „Anpassung“ wirksam sein könnte, ist zudem so kurz im Verhältnis
zum Raupen- und Puppenstadium, das Geschäft der Fortpflanzung wird in der Regel so schnell absolviert,
daß als Imagines nur ein sehr geringer Prozentsatz der für die Erhaltung der Art noch in
Betracht kommenden Individuen vernichtet werden kann. Wenn man dagegen aufmerksam zugesehen
hat, wie kleine Vögel während der Zeit, wo sie Junge auf ziehen, die verborgensten Räupchen aus den
Blattrollen und Blattwickeln in Masse herausholen, oder sie durch Zupfen und Picken zum Verlassen
ihres Schlupfwinkels nötigen, um sie dann aufzuschnappen, der wird von dem Schutze, der dem Falter
durch gewisse Ähnlichkeiten geboten sein soll, nicht allzuviel halten, denn „geschützter“ als diese
verborgenen Räupchen werden die frei sitzenden Schmetterlinge nicht sein trotz täuschendster „Ähnlichkeiten“.
Im großen und ganzen haben die ausgebildeten Schmetterlinge, zumal die kleinen,
recht wenig Feinde, am wenigsten solche, die mit Hilfe des Gesichtssinnes ihre Beute suchen, und nur
Zoologien. He ft 51. 4