Das Auge von Typhlops vermicularis.
A u t o r e n :
1) G. B o r n . Die Na senhöhlen u n d d e r T h rän en n a sen g an g d e r am n io ten W irb e lth iere . in : Morphol.
J a h rb . Bd. V. 1 8 7 9 . p. 63 ff. u n d p . 401 ff.
2) B. H o f fm a n n . Die Thränenwege d e r Vögel u n d Reptilien', in : Ze itsch r. f. Na tu rw iss. H a lle .
Bd. LV . 1882.
Arbeiten, die sich eingehender mit dem Sehorgan von Typhlops beschäftigen, sind mir keine
bekannt geworden, ich schreite daher sofort zum Bericht über die Resultate meiner eigenen Untersuchungen.
(Tafel V III und IX.)
Die von mir untersuchten Exemplare von Typhlops vermicularis hatten alle ungefähr dieselbe
Körperlänge, durchschnittlich 18,5 cm, standen also, soweit hieraus ein Schluss gezogen werden darf, auf
der nämlichen Stufe der Entwicklung. Alle von mir im Folgenden angegebenen Maasse beziehen sich,
wie ich betonen möchte, soweit das Gegentheil nicht ausdrücklich angegeben ist, auf Objecte von der
bezeichneten Länge.
Das Auge war äusserlich stets deutlich erkennbar als kleine glänzend schwarze Scheibe, in deren
Innerem sich häufig die Linse in Form eines feinen helleren Punktes verrieth, während im Umkreis
noch der vorderste Theil der Sclera als heller Ring durchschimmerte.
Die mikroskopische Untersuchung ergab Folgendes.
Eine O r b i t a existirt nicht; die Augen liegen gänzlich ohne Schutz durch knöcherne öder knorpelige
Skelettheile zu beiden Seiten der Gehimkapsel.
Der B u lb u s (Fig. 78, 816) h a t eine Tiefe von 0,4399 mm, eine Höhe von 0,3622 mm, die Länge
der Augenaxe verhält sich somit zu derjenigen des ganzen Thieres wie 1 : 420. Die Dicke des Augapfels
entspricht der Höhe, derselbe stellt also ein Ellipsoid und zwar die Form eines Rotationsellipsoids
dar, in welchem sich die Axen verhalten wie 1 : 1,21. Das Augenvolum beträgt, hieraus berechnet,
0,0302 cbmm.
—m 117 m—
Mit Ausnahme seines vordersten distalen Sechstels wird der Bulbus zunächst von einer schmalen
Schicht lockeren Bindegewebes umhüllt, das zahlreiche feine Gefässe, niemals aber Fettzellen, in sich
birgt. Im weiteren Umkreis wird das Auge, ebenfalls wieder mit Ausnahme seines distalen Sechstels,
von der unten zu besprechenden grossen Drüse umschlossen.
Das Auge ist nicht direkt lateralwärts, sondern stark naeh oben gerichtet: die Augenaxe bildet
mit der Horizontalebene einen Winkel von ca. 40°.
Gegen Aussen wird das Sehorgan von Typhlops durch die allen Opliidiern e ig en tüm lich e „ B r i l i e “,
die aus einer Verwachsung der Augenlider entstanden ist, abgeschlossen. Bemerkenswerth sind hierbei
vor Allem die Stärken Verhältnisse. Bei Typhlops vermicularis hat die Brille eine Gesammtdicke von
0,0408 mm, dieselbe verhält sich also zur Länge der Augenaxe wieJi 5 10,77. Bei einem mittelgrossen
Tröpidonotus natrix mit einer Augentiefe von 2,5541 mm (Bulbusvolum 10,19 cbmm) hat die Brille eine
Mächtigkeit von 0,033 mm, verhält sich also zur Länge der Augenaxe wie 1 : 77,4.
Die B r i l l e (Fig. 78, 84) setzt sich, von Aussen nach Innen betrachtet, zusammen aus Epidermis,
Cutis und Conjunctiva, welch letztere ja ebenfalls als hereingewachsenes Integument, also auch wieder
Epidermis und Cutis, freilich beide stark modificirt, aufzufassen ist. Die Stärkenverhältnisse dieser
Schichten sind: Epidermis 0,298 mm, Cutis 0,0091 mm und Conjunctiva 0,00195 mm. Betrachtet man
dieselben Schichten an einer etwas höher am Kopfe gelegenen Stelle, so ergeben sich dort die Maasse:
Epidermis 0,0397 mm, Cutis 0,0354 mm. Um eine Conjunctiva kann es sich hier selbstverständlich nicht
handeln, dagegen tritt wieder das in der Brille fehlende subcutane Biudegewebe in einer Mächtigkeit
von 0,0283 mm auf. Vergleicht man nun die Dicke der Brille, exclusive Conjunctiva, mit der Stärke
von Epidermis plus Cutis aus jener höher gelegenen Hautstelle, so ergibt sich das Verhältniss 1 : 1,88 ;
Cutis und Epidermis sind also vor dem Auge, d. h. in der Brille, auf nicht ganz die Hälfte ihrer sonst
am Kopf gewöhnlichen Stärke zurückgegangen. Zieht man zum Vergleich wieder die Verhältnisse bei
jenem Tropidonotus heran, wo sich für Epidermis plus Cutis an einer höher gelegenen Kopfstelle eine
Dicke von 0,1417 mm ergibt, so stellt sich das Verhältniss der Brillendicke zur Mächtigkeit der gewöhnlichen
Kopfhaut au f 1 : 4,29; die Stärke der Brille beträgt somit nicht den vierten Theil von derjenigen
der sonstigen Kopfbedeckung.
Wie bekannt, ist die Brille aus einer Verwachsung der Augenlider entstanden. Der zwischen
diesen und dem Bulbus gelegene, bei anderen Wirbelthieren durch die Lidspalte nach Aussen mündende
Raum ist somit- ganz abgeschlossen. Es ist dies der sog. Conjunctivalsack (Fig. 84 CS), eine Bezeichnung,
die darauf zurückzuführen ist, dass der’ ganze Hohlraum von der Conjunctiva ausgekleidet wird. Diese
ist eine Fortsetzung des Integuments, das sich au f früher Entwicklungstufe, vor Verwachsung der Augenlider
— und ein solches Stadium ist bei den Typhlopiden wohl ebenso gut vorauszusetzen, wie bei den
übrigen Ophidiern — um den Lidrand herumgeschlagen hat und dann zunächst die innere Fläche der
Lider, weiterhin auch noch die distale Fläche der Cornea überzogen hat. Bei Typhlops vermicidaris
betrug in meinen Fällen die Stärke der der Brille anliegenden Conjunctiva 0,0019 mm, während der die
Cornea überziehende Theil 0,0011 mm dick war.
Im Fornix conjunctivae nimmt die Schicht an Ausdehnung bedeutend zu und verändert auch
ihren histologischen Bau, wie unten gezeigt werden soll.