Solera thun, durch welche der Sehnerv sich gewissermaassen mit grösserer Anstrengung hindurchdrängen
muss, als durch die Retina,
Extrabulbal wird der Sehnerv dann wieder stärker, da ja die Pressung in dem Umfange, wie die
beiden äusseren Augenhäute sie ausiiben, nun wieder weggefallen ist. Diese Dickenzunahme ist freilich
individuell sehr verschieden. Es macht sich dabei der Zeitpunkt, in welchem die Entwicklungshemmung
eingetreten ist, m hohem Maasse geltend, doch weniger insofern, als bei einem spät gehemmten Auge in
den Sehnerven aus der Retina mehr Fasern haben gelangen können, bei einem frühe gehemmten weniger,
sondern vielmehr wegen der verschiedenen Beschaffenheit der Opticusscheiden.
Die erste Anlage derselben steht mit dem Verhalten des Sehnerven selbst in keinem ursächlichen
Zusammenhang, ist vielmehr auf den Druck zurückzuführen, den der Augenblasenstiel auf das ihn umgebende
lockere Bindegewebe ausübte, resp. den Widerstand, den er dem Andrängen des letzteren entgegensetzte.
Sie fällt also in eine Zeit, zu welcher von einem Sehnerven noch .gar, nicht gesprochen werden konnte, da
entweder im Augenblasenstil noch gar keine Nervenfasern vorhanden waren, oder dooh, was wahrscheinlicher,
das Heremwachsen derselben noch nicht in erheblichem Maasse stattgefunden hatte. Nach der ersten An!
läge entwickeln sich nun aber die Opticusscheiden typisch nur sehr langsam weiter; es muss daher beim
Maulwurfe sehr ins Gewicht fallen, wann die Entwicklungshemmung vollständig geworden ist, da die Scheiden
von diesem Ereigniss jedenfalls vor ihrer Vollendung betroffen werden. Is t es spät eingetreten, so hat das
Bindegewebe der Opticusumgebung Zeit gehabt, die Scheiden zu einem höheren Grade von Differenzirung.
zu bringen, wodurch auch eine bedeutendere Festigkeit derselben erreicht worden ist. Die Nervenfasern
werden dann durch die Scheiden einen Druck erleiden, der ihnen engere Schichtung und einen viel geA
streckteren Verlauf verleiht, als dies in einem früher gehemmten Auge der Fall sein kann, wo die weniger
entwickelten, daher unregelmässiger gebauten und nachgiebigeren Scheidenanlagen Sine solche Wirkung nur
in viel geringerem Maasse ausüben.
Auf der anderen Seite freilich werden sich in einem Auge, welches der Hemmung später unterlegen
ist, viel mehr Nervenfasern haben entwickeln und den Opticus verstärken können, doch fällt dieses
Moment entschieden weniger ins Gewicht: für die Gestaltung der Stärkenverhältnisse des extrabulbalen
Opticus ist in erster Linie die Art seines Baues — lockerer oder fester g eschichtetM maassgebend
Schon aus dem Gesagten geht hervor, dass die Opticusscheiden beim erwachsenen Maulwurf ziemlich
verschieden weit ausgebildet sein können. Sie zeigen jedoch stets eingn relativ hohen Entwicklungsgrad,
obgleich sie zur- Zeit des Hemmungseintrittes noch ziemlich tief gestanden haben. Sie konnten sich
nun aber .nach diesem Moment zweifellos noch lange weiterdifferenziren, da ja hierzu ein ziemlich geringes
Maass von Entwicklungsenergie, und wohl gar keine Materialzufuhr erforderlich war.
Die erste Anlage der Scheiden erfolgte, wie schon gesagt, durch den Druck des umgebenden Bindegewebes
auf den Augenblasenstiel und den Gegendruck des letzteren, die Weiterbildung, nach dessen Zerfall,
geschah unter dem Einflüsse des Druckes, den der wachsende Sehnerv auf das Bindegewebe der
mgebung ausubte. Dusb der Gegendruck, oder wenigstens der Widerstand des letzteren dann wieder auf
die Anordnung der Nervenfasern bestimmend eingewirkt hat, wurde ebenfalls gezeigt.
Nach der Hemmung hörte das weitere Anwachsen des Sehnerven durch Fasermehrung rasch auf
Die fernere Differenzirung der Scheiden vollzog sich dann lediglich noch durch den Druck, mit welchem das
Bindegewebe der weiteren Umgebung , sie gegen den Sehnerven hindrängte. Da diese mechanische Einwirkung
aber nur noch eine ganz geringfügige war, und ein activer Gegendruck seitens des Sehnerven aufgehört
hatte, so konnte ihr Einfluss auch nur noch in unbedeutendem Maasse sich geltend machen: jedenfalls
war er nicht im Stande, die Scheiden zu dem typischen Grade der Entwicklung zu bringen. Das
frühere, oder spätere Aufhören des Gegendruckes durch den wachsenden Opticus bestimmte also in letzter
Linie den verschiedenen Grad in der Vollendung der Opticusscheiden.
Ergebnisse.
Die Betrachtung der verschiedenen Sehorgane, die in den beiden ersten Theilen vorliegender Arbeit
behandelt wurden, hat zunächst gezeigt, dass man es dabei mit Augen zu thun ha t, die in Bau und
Entwicklungsgang mannigfach von dem gewöhnlichen Typus abweichen. Eine Ausnahme macht dabei nur
das Auge des erwachsenen Petromyzon Planeri.
Dieses Abgehen von dem Plane, dem das normale 'Wirbelthierauge sonst folgt, besteht nun eines-
theils darin, dass das sogenannte rudimentäre Auge von dem Höhepunkte der normalen Entwicklung sich
entfernt hält, und zwar immer tiefer steht, als dieses, also niemals etwa über jenen hinaus eine besonders
hohe Ausbildung erhalten hat. Andrerseits besitzen die hierhergehörigen Sehorgane dann aber zuweilen
besondere Einrichtungen; die sie in Berücksichtigung oder in Einwirkung der nun einmal für sie maassgebenden
eigenartigen Verhältnisse erworben haben.
Von diesen Neuanpassungen wird weiter unten die Rede sein. Weit häufiger tritt die Erscheinung
auf, dass das Auge lediglich auf einer niedrigeren Stufe steht, als normal. Es erhebt sich dann die Frage:
hat es einen höheren Standpunkt überhaupt nie errreicht, oder war es einmal höher entwickelt, ist aber
in der Folge wieder gesunken? Es handelt sich also mit anderen Worten darum, ob die „rudimentären“
Augen von einer Entwicklungshemmung betroffen oder rückgebildet sind.
Nach der in den vorhergegangenen Kapiteln niedergelegten Deutung meiner Befunde stellt sich
mir nun die Stammesentwicklung der hier in Betracht kommenden Sehorgane folgendermaassen d a r :
Die Ahnen der Thiere lebten unter normalen Verhältnissen, d. h. der Lichtstrahl wirkte uneingeschränkt
auf sie und sie hatten demgemäss zu dessen Perception einen entsprechenden Apparat, das Sehorgan
entwickelt resp. zu entwickeln begonnen. Nun trat eine Änderung in den Existenzbedingungen in
der Art ein, dass die Thiere in Umstände geriethen, unter welchen der Einfluss des Lichtes mehr oder
weniger ausgeschlossen war. Die ersten in diesen Verhältnissen lebenden Generationen werden dabei ihre
für uneingeschränkte Lichtempfindung eingerichteten Sehorgane behalten haben, ohne sie indessen jetzt mehr
im vollen Umfange verwerthen zu können. Infolge dessen bildeten sieh dann im Verlaufe der Artentwicklung
andere Apparate aus, um das in seiner Bedeutung zurückgetretene Auge zu ersetzen. So wurde in
erster Linie der Tastsinn herangezogen (Myxine, Siphonops), doch mag in anderen Fällen auch eine Verstärkung
des Gehörsinnes (sicher bei Talpa, vielleicht bei Typhlichthys) eingetreten sein.
Das Auge war nun für seine ihm noch gebliebenen Funktionen gleichsam unnöthig hoch entwickelt.