III. Entwickelungsgeschichtlieher Theil.
A. Allgemeines.
Es sei mir g e sta tte t, ehe ich speciell a u f die Entwickelung der einzelnen Organsysteme
nach der Uebertragung der W ürmer an ih ren definitiven W o h n o rt eingehe, m it kurzen Wo rten
einiger Momente zu gedenken, die an dem Vorgänge der Uebertragung selbst von Interesse sind.
Die Uebertragung der Cercarien kann a u f verschiedene, wie man je tz t annimmt, a u f dreierlei
A r t und Weise erfolgen; durch active Einwanderung der- Cercarien in ih re neuen T räge r, durch
passive Uebertragung m it ih re n bisherigen W irth en , und endlich ebenfalls a u f passivem Wege
dadurch, dass die. Cercarien ausschwärmen, sich in irgend einen zweiten Zwischenwirth, den man
wohl besser als H i l f sw i r th bezeichnen könnte, einbohren, und nach erfolgter E n cy s tiru n g nun
mit diesem von dem definitiven T räg e r gefressen werden. D e r erste der drei genannten Modi,
den man z. B. fü r die Cercaria macrocerca in Anspruch genommen h a t, is t meines Wissens positiv
noch nirgends nachgewiesen worden; ich will auch gleich erwähnen, dass e r einmal n u r fü r im
W asser lebende, oder wenigstens gelegentlich dasselbe aufsuchende W irth e möglich erscheint,
nach den neueren Erfah ru n g en mir aber aus mancherlei Gründen ziemlich unwahrscheinlich geworden
ist. Auch der zweite Modus kommt wohl nicht allzuhäufig v o r ; dire c t nachgewiesen
is t e r bis heutigen Tages n u r bei der Cercarie des Distomum macrostomum, dem Leucochloridium
parcidöxum durch die Versuche Z eller’s *) und H eckert’s 2), und höchst wahrscheinlich gemacht
fü r ein Gercariaeum aus der Niere von Helix hortensis, das sich im Ig e l zu Distomum caudatmn
v. L instow entwickelt, durch B lochmann3). Wie es sich in diesen beiden Fä llen um typische
Landthie re h a n d e lt, so d ü rfte dieser Uebertragungsmodus übe rh au p t speciell fü r die landbewohnenden
A rte n von besonderer Bedeutung sein und in deren Kreise eine grössere Verbreitung
besitzen. F ü r die ursprüngliche und normale Ueberführungsweise aber h a lte ich die d ritte , dass
die Cercarien aus dem Zwischen wirthe, in welchem sie ih re Entsteh u n g nahmen, a u sw a n d e r n und
irgend ein anderes T h ier aufsuchen, in welchem sie sich provisorisch niederlassen, um mit ihm
schliesslich in ih ren richtigen T räg e r aufgenommen zu werden. Dieser neue W ir th spielt somit
im Leben der P a ra s iten eine ganz andere Rolle, als d e r eigentliche Zwischenwirth, der die
*) Z e l l e r , Ueber Leucochloridium paradoxum und die weitere Entwickelung seiner Distomenbrut. Zeitsclir.
f. wissen sch. Zool. 24. .1874. p. 564. «
2) H e c k e r t, Leucochloridium paradoxum etc. Bibliotheca zoologica v. Leuckart u. Chun. H. IV. 1889.
*) B lo c hm a n n , Ueber die Entwickelung von Cercariaeum aus Helix hortensis etc. Centralbl. f. Bakteriol.
Jugendformen z u r E n t w i c k e l u n g bringt, während es sich bei dem letzteren n u r um die Gewährung.
einer U n t e r k u n f t handelt, in welcher die Schmarotzer längere Zeit, aber normaler
Weise o h n e W e i t e r e n t Wi c k e l u n g , auszuharren vermögen. Aus diesem Grunde erscheint
mir die Bezeichnung „H ilfsw irth “ fü r den letzteren praktischer, als die Bezeichnung „zweiter
Zwischenwirth“, die eine G l e i c h s t e l l u n g mit dem ersten und eigentlichen Zwischenwirth in
sich einschliesst.
In manchen Fällen dringen die jungen Schmarotzer g a r nich t in das Leibesinnere dieses
Hilfswirthes ein, sondern sie lassen sich n u r ' äusserlich au f dessen H au t nieder (z. B. Amphist.
subclavatum nach L ang’s 1) Beobachtungen; in noch anderen, nach unseren gegenwärtigen Kenntnissen
nicht häufigen Fällen wird der H ilfsw irth durch eine Pflanze d a rg e ste llt (am bekanntesten
der Leberegel2) nach L euckart) und schliesslich kann e r ganz ausfallen, indem sich die Cercarien
frei einkapseln und dann mit dem Bodensätze der Gewässer übe rtragen werden {Amphist. subclavatum
8), fe rne r nach eigenen neueren Beobachtungen Amphist. conicum und Gastrodiscus polymastos).
P rincipiell dürften diese letztgenannten Uebertragungsmodi von dem erstangeführten, bei dem
ein thie rischer H ilfsw irth e in tritt, n ich t verschieden sein.
Ich w a r frü h e r der Meinung, dass ein solcher H ilfsw irth ziemlich willkürlich von den
schwärmenden Cercarien ausgewählt werde, und dass sie sich in alle T hiere einzubohren vermöchten,
denen sie au f ih ren Wanderungen gerade begegnen. Einige Versuche haben mich jedoch eines
anderen b e leh rt; manche Cercarien wenigstens treffen in Bezug auf ihren Hilfswirth eine ziemlich
s t r e n g e A u s w a h l . Ic h h a tte cercarienhaltige Schnecken (Limnaea und Planorbis),
aus denen die P a ra s ite n (Cercaria „armata“ und „ornata“) massenhaft ausschwärmten, um über
die Jugendformen der Froschdistomen womöglich L ich t zu bekommen, iso lirt und je eine Schnecke
in einem Glase mit Kaulquappen, kleinen Mollusken, Insectenlarven und Krebsen zusammengesetzt.
Es zeigte sich bei der folgenden Untersuchung, dass in den verschiedenen Fällen entweder n u r
die Kaulquappen oder n u r die Insectenlarven mit den en cy stirten P a ra s iten besetzt waren; in
einem besonders interessanten und m ir gegenwärtig noch ganz dunklen Fa lle w a r eine Infection
ü b e r h a u p t n i c h t eingetreten, obgleich es sich um eine Cercarie aus Limnaea stagnalis handelte,
welche ich ihrem Baue nach fü r identisch mit einer anderen aus dem gleichen Zwischenwirthe
stammenden ha lten musste, die massenhaft in Kaulquappen und auch häufig in kleine Mollusken
eingedrungen war. Es stehen diese Erfahrungen demnach in einem gewissen Widerspruche zu
den Angaben E rcolani’s 4), der die „Cercaria armata“ in Fröschen und Froschlarven, Tritonen,
Insectenlarven, Schnecken und Blutegeln zu r E n cy s tiru n g brachte. Augenscheinlich handelt es
sich h ie r um mehrere, aber ausserordentlich schwer unterscheidbare Species, die zu trennen
bis je tz t noch n ich t sicher gelungen ist. Dagegen bestätigen meine Beobachtungen n u r das, was
theilweise schon L euckart in seinem Para sitenwe rke über die in Rede stehenden Verhältnisse
ausgesprochen h a t 6). Leider habe ich die betreffenden Versuche n ich t weit fortsetzen können;
*) Lan g , Ueb. d. Cercarie d. Amphist. subclavatum. Ber. d. Naturi. Gesellsch. Freiburg i. Br. VI. H. 3. 1892. p. 81.
2) Leuckart, Parasiten d. M. II. Aufl. pag. 145 u. 285.
8) Amphist. subclavatum u. seine Entw. etc. 1. c. p. 166.
*) E r g o la n i , Dell’Adattamento etc. Nuove ricercbe etc. Mem. della R. Accad. di Bologna. Serie IV a. To 2.
1880. p. 256.
6) Leuckart, Parasiten d. M., 1. c. p. 141.