Verdünnung der die Brille bildenden Hautscbichten (Epidermis und Cutis; von der Brillenconjunctiva ist hier
abgesehen) gegenüber denselben Gewebslagen an einer anderen Stelle des Kopfes leicht erkennen. Bei
T. vermicularis kommt diese Stärkenabnabme ausschliesslich auf Kosten der Epidermis zu Stande, und zwar
ist von dieser wieder das Rete Malpighii am Meisten dabei betheiligt. Bei T. braminus zeigt-die Epidermis
nur eine geringe relative Verdünnung und zwar ebenfalls auf Kosten des Rete Malpighii. Hier ist jedoch
auch die Cutis in Mitleidenschaft gezogen.
Zur Erklärung dieser Verhältnisse ist Folgendes z u . berücksichtigen: Während der Lidbildung, die
ja schliesslich zur Entstehung der Brille führt, verlieren im normalen Schlangenauge Epidermis und Cutis,
verglichen mit der Augentiefe oder auch mit der übrigen Kopfhaut, an Stärke. Es findet dies jedoch in
sehr ungleichem Masse statt, und auch der Zeitpunkt, von welchem an diese Abnahme datirfc, ist ein verschiedener,
liegt nemlich für die Epidermis viel weiter zurück, als für die Cutis, die zunächst noch, auch
absolut genommen, zunimmt. Bei den Typhlopiden findet nun zu irgend einer Zeit für das Auge und
die mit diesem direct in Beziehung stehenden Gewebstheile eine Entwicklungsstörung statt. Durch diese
wird die Weiterbildung auch der Brille beeinflusst und zwar hier in Form einer Aufhebung des alten Entwicklungsplanes.
Dieser hatte aber eine im Verlaufe der Weiterentwicklung erfolgende (und zwar ungleich-
massige) relative Verdünnung der Brille bedingt und eine solche kam dann infolge7 der Störung in Wegfall*
Die Entwicklungshemmung tritt mm aber für T. braminus entschieden früher ein, als für T. vermicularis.
Bei letzterem hat daher einerseits die Epidermis dem alten Plane länger folgen, d. h. sich verdünnen,
die Cutis aber, die zur Zeit des Hemmungseintrittes noch nicht in das Stadium ihrer Verdünnung
eingetreten war, fast ungestört weiterwachsen können.
Anders hei T. braminus. Hier trat die Störung sehr früh ein, zu einer Zeit nemlich, wo die
Epidermis noch wenig in der Verdünnung fortgeschritten, die Cutis aber noch weit davon entfernt war. selbst
in der Stärke zurückzugehen, vielmehr noch lange nicht das Maximum ihrer relativen Stärke erreicht hatte.
Im ferneren Verlaufe der Entwicklung wuchs dann die sonstige Epidermis des Kopfes bei beiden
Typhlopiden weiter, diejenige der Brille blieb steh en : die erstere wird dann die letztere natürlich bei
T. vermicularis an Stärke mehr überragen, als bei T. braminus, oder umgekehrt, die Brillenepidermis von
T. vermicularis wird gegenüber der sonstigen Oberhaut mehr verdünnt erscheinen, als bei T. braminus.
Die Cutis dagegen ist bei T. braminus schwächer g e b l i e b e n , als bei T. vermicularis, da ihre
Abnahme bei letzterem vor Eintritt der Hemmung nicht soweit hat gedeihen können, um ihre Starke auf
das Maass zurückzuführen, auf dem die Cutis von T. braminus, zur Zeit der für sie sehr früh eintretenden
Hemmung noch in der Verstärkung begriffen, e r s t a n g e l a n g t war.
Was ihren B a u betrifft, so zeigt die Epidermis der Brille bei beiden Typhlopiden embryonales
Verhalten insofern, als sich in ihr noch eine Trennung des stratum corneum in zwei, durch den Grad der
Verhornung verschiedene Theile, ein tieferes (proximales) weniger, und ein oberflächlicher gelegenes, mehr
verhorntes unterscheiden lässt (stratum relaxatum und stratum corneum), was in der sonstigen .Oberhaut
von Typhlops nicht mehr möglich ist.
Weiterhin ist das Auge von T. braminus noch ausserdem von den Rändern zweier Schuppen bedeckt.
Diese fehlen bei T. vermicularis. Es ist nun nicht anzunehmen, dass dieselben bei ihrer geringen Durch-,
sichtigkeit sich über ein normales Organ hergelegt haben würden; sie haben also zur Voraussetzung
ihres Daseins die Abnormität des ihnen unterliegenden Auges, die ihrerseits ja wieder durch eine Entwicklungshemmung
versohulde.t ist. Das Sehorgan von T. vermicularis ist zwar ebenfalls von einer solchen
Störung betroffen worden, ohne dass jedoch über dieses sich Schuppen gelégt hätten. Es bleibt somit für
die Thatsache ihrer Anwesenheit -ttèi T. braminus nur die Erklärung, dass hier die Entwicklung des Auges
früher eine Hemmung erfahren, die Schuppen also länger Zeit gehabt haben, nachher darüber hinzuwachsen,
als bei dem später gehemmten Sehorgan von T. vermicularis, wo jener Zustand nicht mehr erreicht wurde.
Augendrüsen.
Die H a r d e r s c h e Drüse hat ihre Beziehungen «um Auge vollständig verloren,,d. h. sie besitzt
keine Verbindung mehr mit dem Conjunctivalsack. Letztere Bezeichnung der Thatsache scheint mir die
richtigere, da d i|; ®unction der Drüse als Hilfsorgan für das Auge schon bei den mit normalen Sehorganen
versehenen Ophidiem eine zweifellos nur ganz geringfügige ist. Mit dem Zurücktreten des Typhlopsauges
in seiner Bedeutung wurde nun auch noch der Best von Hilfeleistung überflüssig,, und so gieng denn auch
jene Communication, in der früher*) geschilderten 'Weise, verlorerff Man hat es also auch hier mit einer
— indirecten — Folge der Hemmung zu thun.
Bis zu einem gewissen Grade mag als Ersatz für den Verlust der Harderiana die drüsige Um-
bildung der Conjunctiva un Fornix .eingetreten' sein. Viel zu leisten vormochte ja dieses secundäre Drüsen-
organ h.ei seiner geringen Entwicklung wohl schwerlich, doch sind ja auch die Anforderungen, die bei dem
allseitig geschlossenen Conjuhotivaisaok an dasselbe gesiellt werden, jedenfalls nur unbedeutend.
Augenmuskeln.
Die Stärkenverhältnisse. der Augenmuskeln: lassen sich wegen der Ungewissheit hinsichtlich der
Gontractionszustände. schwer beurtheilen. Sicher ist jedoch immerhin, dass bei T. vermicularis der Ge*
s a m m tm u s k e l im Vergleich zu den Grössenverhältnissen dès Bulbus immer schwächer ist, als der entsprechende
von Tropidonotus,,. ein. Umstand, der auf embryonales Verhalten hinweist.- Ebenso ist die Anwesenheit
einer abnormen Menge von Bindegewebe in ihm zu erklären.
■Was die einzelnen M u s k e l f a s e r n betrifft, so fällt die grosse Zahl von anscheinend absolut
g l a t t e n auf, die man b e i T. vermicularis antrifft. Ich. trage indessen Bedenken, auch diese Thatsache
ausschliesslich durch die Wirkung einer Entwicklungshemmung zu erklären. Bis zu einem gewissen Grade
mag eine solche hier ja mitsprechen; die Anzahl der anscheinend n o c h glatten Muskelfasern- ist aber
viél zu bedsutend, als dass diese Erklärung ausreichend wäre. Die Augenmuskeln legen sich typisch
freilich sp ä t'a n , immerhin aber nicht so spät, dass im Typhlopsäuge nicht voj Eintritt des vollständigen
Entwicklungsstillstandes (zu dem es ja, wie die Betrachtung anderer Augentheile lehrt, ziemlich spat kommt)
eine ganze Anzahl-von Fasern eine höhere Ausbildung hätten erreichen müssen. Es bleibt daher nur die
schon für die Augenmuskeln von Pefcromyzon gegebene Erklärung übrig, dass nemlich das ungestreifte
Aussehen vieler Fasern mit dem Contractionszustaade derselben zusammenhängt. Es soll damit für das
Typhlopsäuge freilich nicht gesagt sein, dass die Augenmuskeln nicht gebraucht würden, sondern nur, dass
sie im Augenblicke des Todes des Thieres eben nicht in der Weise contrahirt gewesen sind, die als Quer-
streifung zum Ausdrucke kommt.
*) Theil I pag. 120.