
nach sistirter Weiterentwicklung des Opticus jene Reste allmählich vollends der Auflösung anheimfallen
müssen, doch kann man sich leicht vorstellen, dass dieser Prozess von dem Momente an, wo diese Elemente
anderen sich neubildenden oder wachsenden Gewebstheilen nicht mehr im Wege standen, ein langsameres
Tempo angenommen haben mag. Infolgedessen haben sich dann jene Überreste bei Myxine noch länger
erhalten können, als in normalen Augen wohl möglich gewesen wäre. Man hat es dabei also mit einem
R ü c k b i l d u n g s p r o z e s s zu thun, der aber eine Stufe der n o rm a l e n Entwicklung darstellt. Die besonderen
Yerhältnisse des Myxineauges kommen dabei nur insofern in Betracht, als sie etwas verzögernd
eingewirkt haben mögen.
Da bei Myxine das Stützgewebe des Opticus viel weniger entwickelt ist, die in der Axe des
letzteren gelagerten Bindegewebsmassen viel unbedeutender sind, als bei Ammocoetes^jsso wird die bei
letzterem hiedurch hervorgebrachte extrabulbale Auftreibung des Sehnerven für Myxine auch viel geringer
sein müssen. In der That ist der Opticus von Myxine ausserhalb des Auges kaum stärker, als während
seines Verlaufes durch den äussersten, proximalen Theil der Netzhaut und die Augenkapsel, während er ja
bei Petromyzon extrabulbal eine ganz bedeutende Stärkenzunahme zeigt.
Typhlichthys subterraneus.
Ehe ich auf Erklärung des Organes eingehe, möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass sich
meine Untersuchungen auf zwei Exemplare des Thieres von ungefähr gleichem Ausbildungsgrade beschränken
mussten. Die Resultate, zu denen ich in Bezug auf die Entwicklung des Typhliohthysauges gekommen bin,
beanspruchen daher lediglich den Werth von Hypothesen, die ihre Begründung in den Verhältnissen suchen,
welche sich in den Augen jener beiden Objekte vorfanden.
Das Auge von Typhlichthys ist danach nicht über die Stufe der eben in der Einstülpung zur
secundären begriffenen primären Augenblase hinausgekommen. Bei den erwachsenen Thieren liegt dasselbe
sehr tief unter der Körperoberfläche, bedeckt von den mannigfachsten Gewebstheilen. Es besteht nun m. E.
kein Grund zu der Annahme, dass das Organ sich anders angelegt und auf den frühesten Stufen anders
entwickelt haben sollte, als dies für alle Teleostier, ja alle Vertebraten überhaupt, typisch ist. Die primäre
Augenblase muss also einmal im Laufe der Entwicklung dem Körperepithel sehr nahe gewesen sein, denn
sonst wäre die Bildung der — unzweifelhaft vorhandenen — Linse unerklärlich. Kurz nach Abtrennung
dieser letzteren vom Ectoderm muss aber dann in der Entwicklung des Auges eine Hemmung eingetreten
sein, während das Thier im übrigen sich weiter fortbildete. Es legten sich in der Folge nach und nach
alle jene Gewebstheile zwischen Auge und Körperepithel, die sich beim erwachsenen Thiere hier vorfinden.
Die Folge dieser Hemmung scheint jedoch auch bei Typhlichthys nicht die gewesen zu sein, dass mit
einem Schlage alle und jede Weiterentwicklung in dem Organ aufgehoben worden wäre. Vielmehr haben
noch eine zeitlang nach jenem kritischen Momente Reste von Entwicklungsenergie fortgewirkt.
So erklärt sich mir vor allem der Zustand der Retinaanlage und des Opticus. Ich bin in Bezug
auf diese Theile des Auges von der Ansicht abgekommen, die ich früher*) ausgesprochen habe, denke mir
die Vorgänge vielmehr folgendermassen:
Der distale Abschnitt der primären Augenblase ist eben in der Einstülpung begriffen gewesen.
Bei normaler Entwicklung beginnt er während dieses Prozesses einen mehrschichtigen Bau anzunehmen,
und es war dies auch im Typhlichthysauge der Fall. Man sieht ja hier thatsächlich oft zwei, gelegentlich
drei Zellen der Netzhautanlage hintereinander liegen. Nun trat Hemmung ein. Im normalen Auge sind
die ersten Ganglienzellen, die auftreten, die Opticusganglienzellen. Bei Typhlichthys bildete sich ebenfalls
eine Anzahl der Elemente, welche die Retinaanlage aufbauen, zu Opticusganglienzellen um. Durch die
Hemmung ist aber in dem Entwicklungsplan für das Auge allenthalben eine Störung eingetreten, das
ganze System ins Schwanken geraten. Die Opticusganglienzellen kommen daher nicht mehr dazu, ihre
Hauptfortsätze so auszusenden, dass dieselben eine bestimmte Opticusfaserschicht zu bilden vermögen.
Der Rest der noch zur Verfügung stehenden Entwicklungsenergie wird vielmehr lediglich darauf verwendet,
noch eben thunlichst viel zu erreichen, d. h. also vor allem eine Verbindung mit dem Centralnervensystem
herzustellen. Daher suchen die Hauptfortsätze der Opticusganglienzellen ganz ähnlich,
wie sich dies für Myxine gezeigt hat — den direktesten Weg nach dem Augenblasenstiel hin einzuschlagen
und müssen dazu, so wie das Auge nun eben noch ist, sich durch die primäre Höhle
hinziehen.D
as erste Auftreten der S e h z e l l e n liegt im normalen Auge zeitlich etwas hinter dem der
Opticusfasern; im Sehorgan von Typhlichthys ist es infolge der Entwicklungshemmung dazu nicht mehr
gekommen, ebensowenig, wie zur Differenzirung sonstiger Netzhautelemente.
Wie sich nun weiterhin die Nervenfasern zum O p t i c u s gesammelt haben mögen, darüber giebt
das vorliegende Auge des erwachsenen Thieres keinen näheren Aufschluss: ein Augenblasen stiel war ja
jedenfalls vorhanden, doch lässt sich nicht mehr erkennen, ob sich ihm die von den Opticusganglienzellen
herkommenden Fasern dorsal oder ventral, oder sonst wie angelagert haben. Vielleicht nahmen sie auch,
da sie ja nun schon einmal in der Augenhöhle waren, ihren Weg direkt durch die mit letzterer com-
municierende Höhle des Augenblasenstieles.
Die L i n s e dürfte sich, wie gesagt, ebenfalls in der gewöhnlichen Weise angelegt haben und war
ihre Abschnürung vom Körperepithel augenscheinlich gerade erfolgt, als die Hemmung eintrat.
Zu der zweiten, ventro-dorsalwärts wirkenden Einstülpung der Augenblase scheint es nicht mehr
gekommen zu sein; es ist daher auch die Rinnenbildung auf dem Augenblasenstiel unterblieben.-
Das bulbusumhüllende Bindegewebe hatte bei Eintritt der Entwicklungshemmung begonnen, sich
zu einer Augenkapsel zu differenziren. Die Weiterbildung hörte in Bezug auf diese Theile augenscheinlich
auch nicht plötzlich auf, sondern es konnten sich wenigstens die äusseren Schichten dieser Kapselanlage
zu einer ganz deutlichen Sclera umbilden. Gerade der relativ hohe Ausbildungsgrad dieser Haut höher,
als der aller anderen Augentheüe — lässt auf eine noch eine zeitlang nach der Hemmung stattfindende
Weiterentwicklung schliessen. In bedeutendem Masse spielte hierbei freilich auch ohne Zweifel das
Andrängen jener im weiteren Umkreise des Bulbus lagernden Bindegewebsmassen eine Rolle. Dieselben
haben durch den von ihnen ausgehenden Druck auf die engere Lagerung der Fibrillen, auf Zustande*)
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Bibliotheca zoologica. Heft XIV.