
V e r d a u u n g s o r g a n e . A u f den k rä ftig en Mundsaugnapf folgt fa s t u nmittelbar ein
ebenso k rä ftig e r P h a ry n x von ungefähr cylindrischer G estalt, der im Leben durch eine sehr
bemerkenswerthe Durchsichtigkeit sich auszeichnet. Man kann in Folge dessen in seinem Inneren
die in le tz te r Z e it viel umstrittenen, grossen Zellen der Saugnäpfe und des P h a ry n x sehr schön
beobachten; ich komme bei der Besprechung des Darmsystemes im zweiten Theil au f sie zurück.
Infolge seiner Durchsichtigkeit is t der P h a ry n x übrigens schon den ä lte ren Beobachtern aufgefallen,
besonders B l o c h , der ihn fü r den Magen des Thieres h ä lt. A u f den P h a ry n x folgt
ein s eh r kurzer, muskulöser Oesophagus (Fig. 54, Taf. III), der in die beiden Darmschenkel sich
spaltet. Dieselben ziehen, wenn der W u rm nich t völlig ausgestreckt ist, nich t wie sonst üblich,
d irek t nach hinten, sondern biegen e rs t nach vorn, um von da nach hinten zurückzulaufen. Sie
reichen in ungefähr gleicher Dicke bis fa s t in das Hinterende des Körpers und zeigen während
des Lebens ziemlich lebhafte peristaltische Bewegungen, durch die der D arminhalt auf- und abgetrieben
wird. Lange Z e it w a r ich a u f Grund zahlreicher Beobachtungen der Ueberzeugung,
dass das Distomum tereticolle sich n u r von dem M a g e n in h a l t des Hechtes e rn ä h re ; ich h a tte in
seinem Darme niemals gefärbte Inhaltsmassen angetroffen, sondern immer n u r blasse, farblose*
die in der Hauptsache aus einer mit F e tttrö p fch en durchsetzten Flüssigkeit zu bestehen schienen.
Ziemlich am Ende meiner Untersuchungen fand ich aber in einem Hechtmagen eine grössere
Gesellschaft von Würmern, deren Darmschenkel insgesammt schon mit blossem Auge als intensiv
ro th ge fä rbte Linien kenntlich waren. In der T h a t zeigte die mikroskopische Untersuchung,
wie zu e rw a rte n war, unverkennbare Reste von B lu t in dem Verdauungskanale dieser Thiere.
Dabei w a r es aber w e ite r sehr auffallend? dass der W ir th selbst in seinem Magen keine Spur
von In h a lt zeigte, n ich t einmal den sonst fa s t nie fehlenden Schleim; es konnte kaum zweifelhaft
sein, dass e r einer längeren und ziemlich intensiven Hung e rk u r wohl unfreiwillig sich h a tte
unterwerfen müssen. Ich habe solche b lutha ltige Wü rm e r nich t wieder zu Gesicht bekommen,
ebenso finde ich in der ä lte ren L i tte r a tu r n u r bei V. N o r d m a n n , die Angabe (1. c.), dass der
In h a lt „ rö th lich “ sei. Es lä ss t sich aus allem schliessen, dass unser P a ra s it demnach fü r gewöhnlich
n i c h t von B lu t sich n ä h rt, sondern n u r gelegentlich, und zwar dem oben angeführten
Fa lle nach dann, wenn seine gewöhnliche Nahrung nich t vorhanden ist, also im Nothfalle.
Das N e r v e n s y s t e m zeigt einen überraschend complicirten Bau, der im Princip durchaus
mit dem von G a f f r o n l) bei dem Distomum isostomum beschriebenen un d kürzlich von . mir
auch bei dem Amphistomum subclavatum aufgefundenen übereinstimmt (Fig. 64, Taf. IV u. 54 u. 55
Taf. III). Der C entra ltheil w ird d a rg e ste llt von einem ziemlich ansehnlichen Querband, welches
über den P h a ry n x k u rz h in te r dem Mundsaugnapfe dorsal hinwegzieht. Die Commissur v e rbindet
die beiden Gehirnganglien, die äusserlich als die Vereinigung der verschiedenen in sie
e intre tenden, resp. von ihnen ausgehenden Nervenstämme erscheinen. Diese Stämme haben
sämmtlich einen longitudinalen V e rlau f und werden, je nachdem sie von dem Gehirne nach vorn
oder nach hinten laufen, als vordere oder h in te re bezeichnet, E s sind jederseits d re i vordere
-und d re i h in te re Längsnerven vorhanden, die paarweise einander entsprechen, und je nach ih re r
Lage die Namen Rücken-, Seiten- oder Bauchnerven führen. Von den vorderen Längsnerven
is t der seitliche der am s tä rk ste n entwickelte, e r zeigt ausserdem von dem Punkte, an welchem
e r den Seitenrand des Leibes erreicht, ausgehend eine Verbindung nach rückwärts, nach dem
*) G-affron. Zum Nervensystem d. Trematoden; Zool. Beitr. v. A. Schneider, I. 1884. p. 109.
h in te ren Seitennerven hin, den w ir einfach als Seiten- (Lateral-)commissur oder Commissur der
Seitennerven bezeichnen wollen (Fig. 54 CL, Taf. III). Die vorderen L a teralnerven sind es auch,
die nach P o ir i e r ’) bei dem grossen Distormm clavatum in der vorderen Circumferenz des Mundsaugnapfes
sich wieder v e r e i n i g e n und so eine vollständige Schlinge um denselben herum bilden.
Es scheint mir höchst wahrscheinlich, dass eine solche Umfassung auch bei dem Distomum tereticolle
sta ttfin d e t; wenigstens habe ich beobachtet, dass die betreffenden Nerven jederseits bis fa s t unm
itte lb a r an die Mittellinie des Körpers um den Saugnapf herum sich verfolgen lassen, und
dass n u r die verschwindend kleine Strecke von 0,03—0,05 mm zwischen ihnen undeutlich ist.
Ausserdem is t die S tä rk e der Nerven au f ihrem ganzen sichtbaren Verlaufe kaum verringert,
so dass es sich im F a lle eines Aufhörens n u r um eine ganz plötzliche Unterbrechung handeln
könnte. Z u r E rk lä ru n g dieser Unsicherheit der Beobachtung will ich noch hinzufügen, dass das
Erkennen der z a rten Nerven in der direkten Nähe des Mundsaugnapfes und seiner s tark en Musku
la tu r-d u rch au s nich t leicht ist, und zw ar um so weniger, je ä lte r die Thiere werden. Es is t
mir e rs t ziemlich gegen Ende meiner Untersuchungen hin gelungen, jüngere Exemplare des
Wurmes zu bekommen, bei denen ich das eben geschilderte Verhalten feststellen konnte. Vorher
h a tte ich den Nerven kaum ein kurzes Stück zwischen K ö rp e rran d und Saugnapf hinein sich
erstrecken sehen, und ich vermuthe deshalb, dass es n u r der Verwendung genügend junger Thiere
bedürfen wird, um die ganze Verbindung ausser Zweifel zu stellen. Mit Hilfe der Schnittmethode
is t selbst an sonst vorzüglich conservirten und gefärbten P räp a ra te n von diesen Nerven
nichts zu sehen; schon in ganz k u rz e r Entfe rn u n g von ih re r Ursprungsstelle verlieren sie sich
völlig in den Maschen des Parenchyms und n ich t eine Spur mehr is t von ihnen zu erkennen.
Im Vergleich zu dem Seitennerven sind die beiden anderen, nach vorn verlaufenden
Längsnerven, der dorsale undvder ventrale, n u r schwach entwickelt zu nennen; sie ziehen von
ih re r Ursprungsstelle in dem Gehirne aus mehr oder minder d ire k t nach dem Saugnapfe hin,
in dessen Muskulatur sie sich alsbald verlieren, u n te r Umständen nach vorheriger Gabelung in
mehrere Aeste.
Die d re i h i n t e r e n L ä n g s n e r v e n durchziehen von dem Centraltheile aus die gesammte
Länge des Thierkörpers bis in das Hinterende hinein und von ihnen fä llt nun besonders der
v en tra le durch seine beträchtliche Dicke in die Augen. Dieselbe b e trä g t bei a lten Würmern
bis über 0,06 mm, das Dreifache von der durchschnittlichen Dicke der beiden anderen Längsnerven.
Im Schwanzende gehen Rücken- und Bauchnerven sicher ineinander über, betreffs ihres
specielleren Verhaltens aber und desjenigen der Seitennerven bin ich h ie r nicht zu völliger K la rh
e it gekommen, da es re c h t schwer ist, das besonders bewegliche Hinterende des auch sonst sehr
lebhaften und k rä ftig en Thieres ohne allzustarken Druck so zu fixiren, wie es zu r Beobachtung
dieser z a rte n S tru c tu ren unbedingt E rforde rniss ist.
Zwischen den sechs Longitudinalnerven spannt sich nun bei dem D. tereticolle ein ausserordentlich
reiches Netz von querverlaufenden Nervensträngen aus, das au f den ersten Blick jeder
Gesetzmässigkeit zu entbehren scheint. Das is t aber nich t der F a l l ; bei genauerer B etrachtung
e rk en n t man zunächst, dass die s tä rk e ren u n te r den queren Nervenästen nich t n u r zwischen je
zwei Längsnerven ausgespannt sind, sondern dass sie sich auch jenseits derselben in annähernd
*) P O I R I E R , Contributions à l ’histoire des Trématodes. Arch. de Zool. expérim. etc. II. Sér. Vol. III. 1885.
pag. 135 d. S.-A. Pl. 31. Fig. 1.
Bibliotheca zoologica. Heft 16. 2