Auffallend ist weiterhin das Persistiren eines Bestes der Linsenhöhle in Form eines Spaltes zwischen
Körper und Epithel.
Das Bild, welches die Linse des erwachsenen Siphonops darbietet, wäre m. E. folgendermassen zu
erklären: Zunächst wäre wieder festzuhalten, dass die Hemmung, die auch die Linse betroffen haben muss'
nicht mit einem Schlage alle Weiterentwicklung aufgehoben haben kann. Es werden daher insbesondere
diejenigen Theile des Auges, die zur Erfüllung der demselben noch gebliebenen Aufgaben am Unentbehrlichsten
sind, auch nachher noch in der weiteren Ausbildung fortgefahren sein, solange es eben der B e s t
von Entwicklungsenergie erlaubte. Zu diesen wesentlicheren Theilen gehörte im Siphonopsauge, das ja
vor der Hemmung schon eine sehr hohe Stufe der Ausbildung erreicht hatte, nun auch dio Linse.
Als die Störung eintrat, war die letztere etwa in dem Stadium angelangt, in dem ihr Körper, noch
aus verhältnissmässig grossen Zellen mit rundlichen Kernen bestehend, bereits gegen das Linsenepithel hin
distalwärts gewachsen war. Nun galt es, mit den zur Verfügung gebliebenen Mitteln noch möglichst weit
in der Ausbildung zu kommen, und es war dabei das nächste Ziel einmal, die Durchführung einer passenden
Gruppirung der Elemente im Linsenkörper und dann auch die Erreichung von Dimensionen, die den
fürs Amphibienauge typischen möglichst nahe kommen möchten.
Erreicht wurde beides, einerseits durch Anordnung der bereits vorhandenen Körperelemente, andrerseits
aber, und zwar hauptsächlich dadurch, dass alle noch übrige Entwicklungsenergie auf Neubildung von
Körperzellen an der Wachsthumszone des Linsenepithels gieng. Ein weiteres Auswachsen der vorhandenen
oder neugebildeten musste unterbleiben, nicht 'sowohl desshalb, weil zu viel Material dazu erforderlich gewesen
wäre, sondern weil durch die Umbildung in Fasern die Zellen an Volumen erheblich hätten verlieren
müssen. Dadurch wäre aber der Linsenkörper kleiner, sein Gefüge lockerer geworden, da ja neue Zellen,
um jenen Ausfall zu decken, nicht in genügender Menge mehr gebildet werden konnten.
Da nun die Zellen sich, wie gezeigt, nicht in Fasern umwandelten, und die Elemente d | f Linsenkörpers
nur in verhältnissmässig geringem Masse vermehrt wurden, so war auch die Verdrängung der Linsen-
höhle nicht vollständig durchzuführen.
Auffallend ist die Dünne des Linsenepithels, die Kleinheit der dasselbe zusammensetzenden Zellen,
im Allgemeinen Zeichen einer hohen Entwicklung, die danach hier für diese Theile eine viel fortgeschrittenere
wäre, als für den Linsenkörper. Es ist diese Erscheinung dadurch zu erklären, dass das Linsenepithel sich
am längsten hat weiterentwickeln können. Vielleicht kommt aber auch der Umstand in Betracht, dass nach
der Hemmung an der Auswachsungsstelle ja noch relativ lange Zeit eine Neubildung von Elementen
des Linsenkörpers stattfand, ejü; Prozess, der, bei der sich ja mehr und mehr steigernden-Abnahme vom
Materialzufuhr, in immer höherem Grade auf Kosten des in den Epithelzellen aufgespeicherten -sich
vollziehen musste.
Die Linsenkapsel ist im Siphonopsauge fast fertig, d. h. zur vollkommenen Membran geworden.
Dass sie meist gerade ventral noch nicht ganz soweit gelangt ist, scheint mir bedeutungslos. Jedenfalls
dürfte diese Thatsache mit dem Vorhandensein von Bindegewebszellen in der Nähe nicht im ursächlichen
Zusammenhänge stehen. Die Linsenkapsel stammt ja zweifellos von Mesodermelementen ab, welche die
sich bildende Linsenblase vor sich hertreibt. Gleich nach Abschnürung der letzteren schliesst sieh dies
Bindegewebe dann um sie zusammen und setzt sich gegen die Massen der Nachbarschaft, an die es vielleicht
vorher eine Partie zur Verstärkung abgegeben hat, rasch aufs Schärfste ab, wenn auch noch eine geraume
Zeit vergeht, bis die Bindegewebsfibrillen der Kapselanlage sich zur typischen Kapsel umgebildet haben.
Iris und Ciliarkörper,
An der Iris ist es nicht zum Vorwachsen des chorioidealen Blattes über den Pupillarrand hinaus
gekommen, eine Erscheinung, die typisch ja sehr spät aufzutreten pflegt. Dagegen ist der Rest der primären
Augenhöhle, welcher sich als mehr oder weniger feiner Spalt zwischen dem retinalen und dem
Pigmentepithelblatte der Iris sonst oft noch auf relativ hoher Entwicklungsstufe erhält, im Siphonopsauge
vollständig geschwunden.
Ein Ciliarkörper ist nur in Anlage vorhanden, jedoch in allen Fällen unverkennbar.
Pigmentepithel.
Die Pigmentlamelle zeigt, da der bei verschiedenen Individuen verschiedene Grad des Pigmentreichthums
zweifellos von anderen Umständen abhängt, nur in der Ausbildung der gogen die Retina hin
gerichteten Fortsätze embryonale Spuren. Diese Ausläufer sind ziemlich wohl entwickelt, erreichen aber,
auch in den am weitesten fortgeschrittenen Partien des Augenhintergrundes, noch nicht die typische
Länge und Stärke. Im normalen Auge legen sie sich früh an, nehmen aber dann sehr langsam an Ausdehnung
zu, so dass der Zustand, in welchem sie im Siphonopsauge von der Hemmung resp. Sistirung
betroffen wurden, schon auf eine recht hohe Entwicklungsstufe hin weist.
Retina.
Die Retina besitzt normale Gesammtstärke, doch zeigt deren Yertheilung auf die einzelnen Schichten
einiges Bemerkenswerthe. Zum Vergleich mag, unter dem obenerwähnten Vorbehalte, die Retina von
Triton cristatus dienen, und sind dabei stets die durch Vergleichung mit der Gesammtstärke der Netzhaut
sich ergebenden Verhältnisszahlen als Massstab genommen.
Es ergibt sich so, dass die O p t i c u s g a n g l i e n s c h i c h t von Siphonops verhältnissmässig etwa
ebenso stark ist, wie die von Triton; letztere überwiegt ein klein wenig. Freilich ist die Anzahl der
Opticusganglienzellen bei Triton sehr viel bedeutender, als bei Siphonops, wo sie nur in einer einzigen
Reihe (Triton 2 — 3) gelagert und viel lockerer angeordnet sind. Die Hemmung in der Entwicklung muss
also bei Siphonops erfolgt s e in , ehe sich die Optiousganglienzellen in der normalen Anzahl hatten bilden
können, wobei auch der Mangel an den Vorbedingungen für ihre Entstehung, d. h. einer genügenden Anzahl
von Körnerzellen, in Rechnung zu ziehen ist. Letzterer Umstand erklärt sich ebenfalls aus dom
Hereinbrechen der Entwicklungshemmung.
Der Einfluss der Verhältnisse, unter welchen das Thier lebte, war aber ein derartiger, dass sich
auch nach ‘der Hemmung die Retina noch weiterbilden musste, soweit und solange eben der sich immer
steigernde Materialmangel diesem Bestreben nicht ein Ziel setzte. Hierauf dürfte dann die Erscheinung
zurückzuführen s ein , dass viele von den Ganglienzellen nicht, wie gewöhnlich, etwa kugelige Gestalt besitzen,
sondern in ihrer elliptischen Form den Körnerzellen noch sehr ähneln. Es sollten eben möglichst
schnell viele funktionirende Ganglienzellen in die Schicht aufgenommen werden, um eine ausreichende