Lin3 e ein Zeichen embryonalen Verhaltens darstellt. Demnach wäre umgekehrt die verhältnissmässig kleine
Linse von T. vermicularis als auffallend hoch entwickelt zu betrachten. Es ist dabei jedoch Folgendes
zu bedenken:
Im normalen Wirbelthierauge ist auf embryonaler Stufe die Linse allerdings relativ gross. Im
Laufe der Weiterentwicklung vergrössern sich, absolut genommen, ihre Dimensionen noch weiter, jedoch
n ic h t—-.und zwar je länger die Entwicklung fortgeht, desto weniger —1- in demselben Maasse, wie das
übrige Auge. Die Linse wird also, trotz absoluter Grössenzunahme, relativ kleiner. Wie nun bei Betrachtung
anderer in dieser Arbeit behandelter Augen gezeigt wurde, tritt die ev. Entwicklungshemmung
nur für wenige Theile des Sehorgans plötzlich, in Form von Sistirung, auf. Für die anderen, darunter
gerade die für die Functionsfähigkeit dos Auges wesentlichsten, erfolgt der Stillstand der Weiterentwicklung
nur allmählich. Es tritt eine Entwicklungshemmung ein, nach welcher die Abnahme der Energie, der
Materialzufuhr, dann immer weiter um sich greift. Stets zeigt sich dabei das Bestreben, nach erfolgter
Hemmung das betr. Organ wenigstens in seinen wesentlichsten Beziehungen noch so weit, als möglich zu
Erfüllung seiner Aufgaben tauglich zu gestalten. Für die Typhlopslinse war aber das Wichtigste augenscheinlich
die Erreichung eines bestimmten Grades von Vollkommenheit im B a u , selbst auf die Gefahr
hin, deshalb von den typischen G r ö s s e n v e r h ä l t n i s s e n weiter entfernt zu bleiben.*)
Ist also die Linse von T. vermicularis, verglichen mit dem Bulbus,, kleiner, als z. B. diejenige von
Tropidonotus, so tritt im Auge des T. braminus das umgekehrte Verhältniss zu Tage. Es erfolgte ja für
dieses Sehorgan die Entwicklungshemmung früher, als für dasjenige von T. vermicularis, zu einer Zeit, wo
die Linse, ganz wie im normalen Auge, noch grösser war. Auch die Sistirung erfolgte hier entsprechend
früher, und zwar zu einer Zeit, in welcher der normale Reduktionsprozess der relativen Linsendimensionen
noch nicht soweit sich hatte geltend machen können, wie in dem später gehemmten Sehorgane des T.
vermicularis.
Iris und Ciliarkörper.
Die I r i s ist bei beiden Typhlopiden hoch entwickelt, doch fehlt die Vorwachsung des chorioidealen
Blattes über den Pupillarrand. Diese kommt ja typisch immer erst sehr spät zu Stande und wurde hier
ohne Zweifel eben wieder durch den früher erfolgten Eintritt der Entwicklungshemmung verhindert.
Der C i l i a r k ö r p e r ist vollständig entwickelt. Zurückgeblieben ist nur der zu ihm in Beziehung
stehende Muskel, der Muse, ciliaris und, im Zusammenhänge damit, die Ausbildung eines Adaptionsapparates,
von welchem sich bloss Anfänge zeigen. Die geringe Entwicklung des letzteren ist dann wieder durch das
Verhalten der Linse bedingt.
Pigmentepithel,
Das Pigmentepithel zeigt in seiner verhältnissmässig bedeutenden Stärke embryonales Verhalten
und zwar, wie zu erwarten, bei T. braminus in noch höherem Masse, als bei T. vermicularis. Folgerichtig
*) Eb liegt hierin ein Widerspruch gegen das für die Biphonopslinse Gesagte. Zur Lösung desselben verweise ich
auf die Zusammenfassung d e r Ergebnisse vorliegender Betrachtungen.
sind auch die von den Pigmentepithelzellen distalwärts abgesandten Ausläiifer im ersteren Auge kürzer,
als im zweiten; Dass sie in diesem gegenüber dem Verhalten bei Tropidonotus ebenfalls zurückstehen,
findet durch die Annahme der Entwicklungshemmung ausreichende Erklärung.
In einem einzigen der von mir untersuchten Sehorgane # von T. vermicularis sind Fortsätze der
Pigmentepithelzellen überhaupt nicht nachweisbar, doch scheint mir diese Thatsache nicht ins Gewicht zu
fallen: es kann ja hier das auch sonst so reichlich vorhandene Pigment noch massenhafter äufgetreten sein
und die, möglicherweise existirenden Fortsätze mit verdeckt haben. Thatsächlich besitzt das in Frage
kommende Auge auch die weitaus stärkste Pigmentlamelle unter allen untersuchten Exemplaren, ein Umstand,
der mit obiger Annahme sehr wohl übereinstimmen würde.
Retina.
Die Retina besitzt, verglichen mit der Augentiefe, eine weit bedeutendere Stärke, als bei Tropi-
donotns, und zwar gilt dies für T. braminus wieder in höherem Grade, als für T. vermicularis.
Was die Mächtigkeit der einzelnen Netzhautschichten im Auge von T. vermicularis betrifft, so verhalten
sich dieselben im Vergleiche zur Gesämmtstärke der Retina grösstentheils fast genau so, wie im
Tropidonotusauge. Eine Ausnahme machen nur Granulosa externa und äussere Körnerschicht, ein Verhalten,
dessen Erklärung bei Betrachtung dieser Lagen versucht werden soll.
Die O p t i c u s f a s e r s c h i c h t des Typhlopsauges zeigt niohts Besonderes. Infolge ihres weniger
regelmässigen Baues erscheint sie bei T. braminus, trotz der entschieden geringeren Anzahl der sie bildenden
Fasern, im Verhältniss znr Retinadicke etwas stärker, als bei T. vermicularis.
Die O p t i c u s g a n g l i e n z e l l e n breiten sich bei beiden Typhlopiden in meist einfacher Lage aus,
nur selten finden sich auf kurze Strecken einige Elemente mehr in die Tiefe gerückt und schaffen so zweischichtige
Anordnung. Auch in der distalen Schicht liegen indessen die Elemente niemals dicht gedrängt,
lassen vielmehr oft bald grössere, bald kleinere Zwischenräume zwischen sich, eine Erscheinung, die bei
T. braminus viel mehr hervortritt, als bei T. vermicularis. Das Tropidonotusauge dagegen besitzt zwei,
stellenweise sogar 3 Lagen von Opticusganglienzellen, was mit der dichteren Anordnung sämmtlicher gang-
liösen Elemente zusammenhängt. Die letzteren sind in der Netzhaut der Typhlopiden überhaupt nicht so
zahlreich, da die Hemmung ihre Vermehrung, bei T. braminus früher, bei T. vermicularis später, zunächst
eingeschränkt, bald aber ganz verhindert hat. Somit haben auch die Opticusganglienzellen nicht in dem
Maasse, wie in normalen Augen, sioh vervielfältigt, eine Anordnung derselben in zwei, oder gar noch mehr
vollständige, gedrängte Lagen ist daher nicht nöthig geworden.
Die Gesammtschicht ist bei T. braminus verhältnissmässig etwas stärker, als bei T. vermicularis,
aus demselben Grunde wie die Opticusfaserschicht, weil nemlich ihre Elemente vor der Sistirung dort nicht
in demselben Masse eine regelmässige Anordnung haben gewinnen können, wie hier.
Die G r a n u l o s a i n t e r n a hat bei Typhlops vermicularis im Vergleiche zur Retmadioke etwa dieselbe
Mächtigkeit, wie bei Tropidonotus, die Hemmung mag für sie also zu einer Zeit eingetreten sein, wo
sie die normale Stärke bereits erreicht hatte. Die Granulosa interna von T. braminus dagegen is t, verglichen
mit der Retinadicke, erheblich schwäoher, was sioh daraus erklärt, dass für diese Netzhaut die
Entwicklungshemmung schon auf früherer Stufe ihre Wirkung ausgeübt, jene Schicht also nicht laage^genug
Bibliotheca zoologica. Heft XIV.