Die zum Sehnerv -vereinigten Fasern gehen eine Kreuzung ein, jedoch nicht schon im Bereiche
der Netzhaut, sondern erst nach erfolgtem Austritt aus derselben. Es betheiligen sich daran n u r die
central gelegenen Opticusfasern, während die peripheren davon unberührt bleiben.
Das durch die fötale Aügenspalte eingewanderte Bindegewebe wächst auch in den Opticus hinein.
Man sieht auf Horizontalschnitten grosse Massen desselben mit ungemein zahlreichen Kernen im Innern
der Sehnerven, und zwar ist dies Bindegewebe in unmittelbarem Zusammenhang mit demjenigen der
Glaskörperanlage geblieben. Auf Querschnitten (Fig. 43) durch den Opticus, an einer vom Auge ein
wenig entfernten Stelle, zeigt sich eine dichte Schicht Bindegewebszellen ventral und auf der äusseren
Seite zwischen die Masse der Nervenfasern und die Pialscheide eingelagert. Die Zellen senden gegen die
Peripherie hin feine Fortsätze, die in einzelnen Fällen die Pialscheide erreichen und sich, allerdings
ohne jede Spur von dreieckigen Füsschen, an sie ansetzen. Dies Auftreten von Bindegewebselementen
im Sehnerven erklärt sich m. E. folgendermassen:
Die Einstülpung der Augenblase h a t sich auch au f den Augenblasenstiel fortgesetzt, jedoch
nicht so weit, um auch noch das Centralnervensystem zu erreichen. Sie wurde vielmehr auf
dem Augenblasenstiel, je weiter von der Augenblase entfernt, desto flacher, und verschwand bald
gänzlich.
Die von den Opticusganglienzelleii ausgehenden Fasern haben alsdann die Substanz des Augenblasenstiels,
dessen primäre Höhle schon früh geschwunden war, durchwachsen und zwar unter gleichzeitigem
Verfall der denselben früher aufbauenden Elemente. Von den letzteren finden sich noch Spuren
in Gestalt einzelner, augenscheinlich in Auflösung begriffener Kerne im Endoneurium des Opticus (Fig. 43).
In die durch jene Einstülpung au f dem Augenblasenstiel gebildete Rinne ist das Bindegewebe des Bulbus
eingewandert. Es haben sich alsdann in den dem Auge zunächst gelegenen Partien des nunmehrigen
Sehnerven die Ränder der h ie r noch tiefen Rinne mehr und mehr genähert, bis zur endlichen Verwachsung,
und so eine secundäre Höhle im Opticus (Fig. 39) gebildet, die durch das eingewanderte
Bindegewebe ausgefüllt wird. Die Zellen des letzteren müssen hier also eine mehr oder weniger centrale
Lage haben, jedenfalls von der Nervenfaserschicht des Opticus rings umschlossen sein.
In den von der Augenblase entfernteren Theilen des Augenblasenstiels war die Einstülpung nur
noch ganz unbedeutend, die Rinne also sehr flach. Nach Umwandlung des Augenblasenstiels in den
Sehnerv ist es hier nicht mehr zu einer Verwachsung der Ränder der Rinne gekommen; die Bindegewebszellen
können im Opticus demnach keine centrale Lage haben, sie erscheinen demselben vielmehr
angelagert und nur durch die Scheiden, die sich erst später gebildet haben, mit ihm vereinigt.
Der Sehnerv besitzt die beiden typischen Hüllen, eine Pialscheide, die sich mit der zwischen
Pigmentepithel und Sclero-Chorioidea hinziehenden Zwischenmembran verbindet, und eine Duralscheide,
die, wie schon oben angeführt, in die äusseren Lagen der Sclero-Chorioidea übergeht.
Es ist also anch im Auge von Myxine, wie bei Petromyzon, jenes bindegewebige Netz wenigstens
in seinen Anfängen vorhanden, das die nervösen Theile von Retina und Opticus durchzieht. Freilich
ist von den Rahmen, zwischen denen es sich au sspannt,. n u r ein Theil, die Pialscheide des Sehnervs,
bereits nahezu fertig, während die Zwischenmembran noch aus einzelnen Faserzügen besteht und eine
Membrana limitans interna überhaupt noch nicht existirt.
Ich muss nu n noch auf einige abweichende Ansichten, die sich in den Schriften von W. M ü l l e r 5)
und W. K r a u s e 6) finden, kurz eingehen.
W. M ü lle r spricht von einem pilzförmigen Zapfen, der von der bulbus-umgebenden Kapsel in
das Innere des Auges hineingesandt werde, und durch welchen die Einstülpung der lateralen Wand der
ursprünglichen Augen blase bedingt sei. Es entwickelt sich daraus nach seiner Ansicht ein Schleimgewebe,
das der Glaskörperanlage der höheren Vertebraten entspricht. Dies ist im Wesentlichen auch
meine Auffassung, nur muss ich das Vorhandensein einer diesen Fortsatz abschliessenden Membran bestreiten.
Auch bei den von mir angefertigten Querschnittspräparaten*) zeigten sich häufig auf einzelnen,
aber immer nur ganz wenigen, durch die p e r ip h e r e n Theile jenes Zapfens geführten Schnitten der
betreffenden Serie feine Lamellen, die einen Abschluss des Fortsatzes darzüstellen schienen; die Vergleichung
mit Horizontalschnitten zeigte jedoch, dass man es hier nicht mit einer abschliessenden Membran,
sondern vielmehr mit Stücken der Opticusfasern zu thun hat, zwischen welchen hindurch sich die
Bindegewebszüge des Fortsatzes, deutlich erkennbar, nach dem Pigmentepithel hin fortsetzten.
Die Zellen an der Umschlagsstelle von Pigmentepithel in Retina, die nach W. M ü lle r die
Eigenschaft besitzen, „in ziemlich starre Fasern überzugehen, welche sämmtlich der Oberfläche des Vorsprungs
der Kapsel zustreben und sich an ihm befestigen“, habe ich ebenfalls gesehen. Sie setzen sich
mit ihren starren Faserfortsätzen aber nicht an die Oberfläche jenes Zapfens an, sondern sind vielmehr
als Fortsetzung der Bindegewebsmassen des Augeninnern, jenes pilzförmigen Zapfens, aufzufassen, mit
denen sie noch im ununterbrochenen Zusammenhang stehen. Es sind genau dieselben Gebilde, wie
die von W. M ü lle r in der äussersten Retinaschicht (sub b') beschriebenen kleinen Zellen, die nach ihm
ebenfalls Neigung zeigen sollen, in Fasern auszuwachsen und ihre Fortsätze auch zuweilen über die
Aussenfläche der Retina hinaus in Zusammenhang mit den Zellen des Pigmentepithels treten lassen.
Ferner gehören zu dieser Zellkategorie die von W. M ü lle r in der inneren Körnerschicht (sub b) beschriebenen
kleinen, mehr elliptischen Zellen mit Neigung, sich in radiäre Fasern auszuziehen. Alle
diese Gewebselemente sind m. E. Bindegewebszellen resp. -Fasern, die von den durch die Augenspalte
eingewanderten Massen abstanimen und mit denselben, wie ich immer wieder betonen muss, im Connex
verblieben sind. Dass die Fasern nicht in Zusammenhang mit den Zellen des Pigmentepithels treten,
sondern zwischen diesen hindurch ziehen und eine Vereinigung mit der nach Aussen folgenden Schicht
eingehen, wurde ebenfalls gezeigt.
Horizontale Fasern, abgesehen von den Opticusfasern, habe ich auch zuweilen gesehen, besonders
in der bei meinen Präparaten stets deutlich ausgesprochenen Zwischenschicht zwischen äusseren und
inneren Körnern, doch konnte ich weder ihren Zusammenhang mit den Stützzellen, noch mit den Stützfasern
nachweisen, so wahrscheinlich mir auch namentlich der letztere zu sein scheint.
Wie aus dem Gesagten hervorgeht, muss ich mich also entschieden gegen den von W. M ü lle r
als Ergebniss seiner Untersuchungen aufgestellten Satz erklären, dass die Retina von Myxine „bleibende
Bestandtheile, welche aus dem Mesoderm herzuleiten wären . . . . überhaupt nicht besitzt“. Mesodermale
*) d.h. der ganze Schädel quer geschnitten.
Bib lioteca zoologica. Heft X III.