Eine vollständige Verdrängung der Linsenhöhle ist dann ebenfalls durch weiteren Fortschritt zu
erklären. Ein deutliches Zeichen einer Hemmung liegt dabei in dem Umstande, dass zuweilen, und
zwar bei Linsen, die nach sämmtlichen übrigen Merkmalen zu den höchstentwickelten gehören, ein Andrängen
der Linsenfasern gegen die Zellen des Linsenepithels, mit dadurch 'hervorgerufener theilweiser
Formänderung der letzteren, stattfinden kann. Es sind diese Erscheinungen augenscheinlich dadurch
bedingt, dass mit Eintreten der Störung Material für Weiterbildung und Entwicklungsenergie abnehmen.
Infolgedessen kann das Linsenepithel nicht mehr in dem Grade, wie vorher, seine Zellen vermehren, um den
Ersatz für die an der Auswachsungsstelle in Fasern umgebildeten zu liefern, und andrerseits seine durch
die Grössenzunahme der Linse nothwendig werdende Flächenvermehrung zu bewirken. Die Faserbildung
geht aber noch eine Zeitlang weiter, und zwar vorwiegend auf Kosten des vorhandenen Materials, was zur
Folge hat, dass die Linsenepithelzellen an Volumen, und zwar besonders an D ic k e , verlieren und
Plattenform annehmen. Während der Periode immer mehr verlangsamter Weiterentwicklung wachsen nun
die bereits zu Faserzellen umgebildeten Elemente immer mehr zu Fasern aus, und es setzt sich dieser
Process nach der ersten Hemmung noch erheblich länger fort, als die Bildung neuer Fasern, und als die
Flächenvergrösserung des Linsenepithels, da ja dazu eine Zuführung neuen Materials nicht erforderlich ist.
Für die sich immer mehr verlängernden Fasern genügt daher schliesslich der vom Linsenepithel umschlossene
Raum nicht mehr, und sie drängen infolgedessen gegen dasselbe an, bis endlich der inzwischen eingotretene
Stillstand der Entwicklung auch hiermit ein Ende macht. Es wird durch das nach erster Störung noch
fortgesetzte Auswachsen der Fasern in extremen Fällen dann auch die zuweilen sich findende starke Vorwölbung
der distalen Linsenpartie -bewirkt.
Die in den einzelnen Linsen bemerkliche Verschiedenheit im Bau ist somit nicht allein von dem
früheren oder späteren Eintreten der Entwicklungshemmung abhängig, richtet sich vielmehr in noch höherem
Grade darnach, ob zwischen diesem und dem vollständigen Aufhören alles Wachstbums in der Linse ein
längerer oder kürzerer Zeitraum liegt.
Theils in Verbindung mit jener aussergewöhnlich starken Vorwölbung des distalen Linsenpols, theils
aber auch ohne diese, zeigt sich bisweilen in der distalen Linsenhälfte eine Eindrückung der peripherischen
Partieen, die augenscheinlich durch Anpressen der Iris verursacht wird. Es ist diese Erscheinung aufzufassen
als eine Folge des Umstandes, dass in Bezug auf das Sehorgan nach Auftreten der Hemmung ein
fester Entwicklungsplan nicht mehr so ganz streng eingehalten wird. Es zeigt sich also auch hier wieder
der Einfluss jenes immer wieder zu Tage tretenden Schwankens in der Art und Weise der Weiterentwicklung.
Die Wachsthumsenergie ist nicht für alle Theile des Auges die gleiche, für die Linse z. B.
entschieden geringer, als für die Iris. Das Wachsthum der letzteren war daher in vielen Fällen mit Erreichung
der Linsenfläche nicht beendet, die Regenbogenhaut dehnte sich vielmehr noch weiter aus und
presste sich so gegen die Linse an. Die Folge war in extremen Fällen die Eindrückung einer flachen,
ringförmigen Rinne auf der letzteren. Wesentlich unterstützt wurde die Iris dabei durch den Zustand der
Linse, die sich noch mehr oder weniger aus zelligen Elementen aufbaute, in keinem Falle jedenfalls noch
das typische Gefüge von starren Fasern besass, und daher jenem Drucke nur geringeren Widerstand entgegenzusetzen
vermochte.
Als die Folge eines, und zwar hier recht bedeutenden Abgehens vom strengen Entwicklungsschema
stellt sich auch der Zustand jener Linsen dar, die, fast nur aus wenig veränderten Zellen aufgebaut, durch
ihre Grösse auf eine ziemlich hohe, durch ihre Zusammensetzung aber auf eine ungemein niedrige Entwicklungsstufe
hinzuweisen scheinen. Es braucht für derartige Linsen keineswegs ein sehr frühes Eintreten
der Entwicklungsstörung angenommen zu werden, wogegen ja ihre Dimensionen, weiterhin der Ausbildungsgrad
des Linsenepithels und die vom Aequator ziemlich weit proximalwärts gerückte Lage der Auswachsungsstelle
sprechen würden. Nach der Hemmung kam aber das Bestreben zur Geltung, mit den noch vorhandenen
Mitteln möglichst weit zu kommen , d. h. eine möglichst compacte Linse von ausreichender
Grösse herzustellen. Da nun die Umbildung in die typischen Fasern nur unter bedeutendem Volumverlust
sich vollziehen kann, und zu dessen Ersatz nicht mehr der nöthige Nachschub vom Linsenepithel her erfolgt,
so wurde von der weiteren Herstellung von Fasern überhaupt abgesehen, und der Linsenkörper lediglich
aus nur wenig ausgewachsenen Zellen aufgebaut. Dass es dabei zur Bildung einer Kernzone überhaupt
nicht kommen konnte, liegt auf der Hand.
Die so gearteten Maulwurfslinsen haben sich also augenscheinlich unter dem Einflüsse einer, noch
weiter, als gewöhnlich gehenden Verminderung der Entwicklungsenergie gestaltet. Für die letztere Thatsache
ist dann freilich als Erklärung wieder nur das sich in Bezug auf diese Augen immer wieder geltend
machende Schwanken, das bald da, bald dort unverkennbare Abgehen von einem strengen Entwicklungspläne
denkbar.
Fasst man nun das über die Linse Gesagte zusammen, so ergibt sich Folgendes: Das Organ hat
sich in normaler Art angelegt. Die Entwicklung geht bis zu den höheren Embryonalstadien hinauf in der
gewöhnlichen "Weise vor sich, höchstens könnte es sich vielleicht um ein etwas langsameres Tempo handeln,
doch fehlen davon Spuren, die keiner anderen Deutung fähig wären. Gegen Ende des Embryonallebens
frühestens, spätestens kurze Zeit nach der Geburt, kommt es nun zu einer Entwicklungshemmung, die aber
hier, ebensowenig wie für die übrigen wichtigeren Partieen des Auges, sofort in absoluter Sistirung, sondern
zunächst nur in einer Verzögerung, einer Verlangsamung besteht. Damit macht sich dann auch ein Nachlass
in der strikten Einhaltung des bisher ziemlich genau befolgten Entwicklungsplanes geltend. Der Zeitpunkt,
an welchem die Hemmung sich zuerst bemerklich machte, ist ein verschiedener, daher wurde die
eine Linse in mehr, die andere in weniger fortgeschrittener Ausbildung davon betroffen. Auch die verlangsamte
Weiterentwicklung dauert beim einen Exemplar längere, beim anderen kürzere Zeit a n ; die Entwicklungsenergie
ist bald grösser, bald geringer, daher vermag die eine Linse der typischen Vollendung
näher zu kommen, also z. B. in der Umbildung der Zellen in Fasern weiter fortzuschreiten, als die andere.
Daneben macht sich das Bestreben geltend, nach der ersten Hemmung, trotz der ungünstigen Bedingungen,
noch ein möglichst funktionsfähiges Organ zu schaffen und zwar, wo dies nach dem gewöhnlichen Entwicklungspläne
sich nicht mehr bewerkstelligen liess, nöthigenfalls auch unter ziemlich bedeutendem Abweichen
von diesem. Durch das Zusammenwirken aller der angeführten Momente kam im Maulwurfsauge
dann eine Linse zu Stande, die, im Allgemeinen nicht allzusehr vom gewöhnlichen Typus abweicht.
Iris und Ciliarkörper,
Die I r i s zeigt embryonale Spuren nur in dem Ausbildungsgrade ihres chorioidealen Blattes. Dieses
ist häufig gegen die Linse hin sehr weit vorgewachsen, oft, wie bei Betrachtung der letzteren gezeigt wurde,
bis zur aktiven Beeinflussung derselben in der Bildung ihrer Gestalt. In anderen Fällen wieder ist die
Bibliotheca zoologica. Heft XIV. 34