Nicht im geringsten anders liegen die Verhältnisse da, wo w ir am männlichen Leitungs-
weg einen besonderen Copulationsapparat entwickelt vorfinden. Wie dieser durch Weiterbildung
aus dem einfachen En d ap p a ra t der oben bezeichneten A rten entstanden ist, so h a t an • dieser
Weiterbildung auch der weibliche Endtheil, die Vagina, theilgenommen, und sich zu einem dem
männlichen Copulationsapparat adaequaten Organe umgeformt. Die Aehnlichkeit beider, namentlich
in Bezug au f ih re innere Au ssta ttu n g , is t dabei e rhalten gebliehen und zw ar in dem Maasse,
dass sie bereits früheren Beobachtern auffiel, und neuerdings besonders von B raun (1. c. p. 729 f.)
wieder betont wurde. In der T h a t is t es eine bei unseren Distomen ganz allgemein nachweisbare
Eigenthümlichkeit, dass die inneren Auskleidungen des C irrus und der Vagina durchaus
dieselbe S k u lp tu r aufweisen. In die Augen springend is t dies hei dem Distomum pei'latum
(Fig. 82—84, Taf. IV), welches durch jenen Besatz mit langen Stacheln ausgezeichnet is t; dasselbe,
was w ir an diesem sehen, zeigen auch die anderen, in ihren Genitalwegen stacheltragenden
Arten, wie Dist. hispidum A bildg, nach S tossich *), Dist. pristis2) und Dist. monorchis8), nach demselben
Autor, Dist. oculatuni L ev. nach L evinsen 4) u. a. Aber auch da, wo solche auffällige Ausrüstungen
fehlen, bleibt die Uebereinstimmung beider Körpertheile bestehen. In der Mehrzahl
der Fä lle wird, wie w ir schon in dem ersten, beschreibenden Theile der A rb e it sahen, ih re Auskleidung
gebildet von filie r eigenthümlichen, cuticulaähnlichen Substanzlage, in welcher sich
besonders bei jüngeren Individuen deutliche, flache Kerne nachweisen lassen, und welehe nach
innen zu in eine Unsumme dicht gedrängt stehender, feiner Zäpfchen und Zöttchen ausläuft, die
dem Ganzen ein weiches, pelziges Aussehen verleihen. Von der inneren Bekleidung des Genitalsinus
hebt sich diese Zöttchenschicht in vielen Fällen deutlich ab (cf. z. B. Fig. 104, Taf. V,
Fig. 147, Taf. V II, u. a.) während sie in anderen m it derselben mehr Uebereinstimmung z e ig t5).
Wo nun in dem Endtheile des männlichen Leitungsweges diese Zäpfchen und Zöttchen vorhanden
sind, sind sie auch in der Vagina zu finden; wo sie in dem e rsteren besonders s ta rk
auftre ten (z. B. Dist. isoporum Fig. 104, Taf. V), th u n sie dies auch in der le tz teren u. s. w. u. s. w.
Mir is t bis je tz t keine Form bekannt, wo männliche u n d ’ weibliche Copulationstheile in Bezug
au f diese Verhältnisse abweichend von einander gebaut wären. N a tü rlich e rs tre ck t sich die
Uebereinstimmung nich t n u r au f die innere Auskleidung, auch die Muskulatur nimmt an derJ)
St o s s ic h , Bollett. della soc. adriatica di sc. nat. Vol. IX. 1885. Taf. IV, Fig. 17.
2) Ibid. Vol. IX. No. 2. 1886. Tab. VIII, Fig. 33.
3) Ibid. Vol. XII. . . .
4) L e v in s e n , Oversigt over de K. Danske vidensk. Selsk. Förkd. Kjobenb. 1881. Taf. II, Fig. 7.
5) Mo n t ic e l l i erklärt in durchaus irrthüralicher Weise, auch diese Auskleidung der Vagina (cf. oben pag. 189
Anm.) für eine Einstülpung der äusseren Körperhaut (1. c. p. 104 ff.): „Nell’ultima porzione dell’utero l'epitelio si tra sforma
nuovamente in un evidentissimo sincìzio contenente grandi ed evidenti nuclei con distinti nucleoli e perpendicolarmente
striato (diese Streifung ist nichts anderes, als der optische Ausdruck des Zerfalles in die oben beschriebenen Zöttchen),
che s i c o n t i n u a c o l l ’e c t o d e r m a e s t e r n o . In molti casi, per altro, c ome n e l l ’e c t o d e rma , i
nuclei possono mancare di tutto, ma essere a n c h e s t r i a t o perpendicolarmente . . . . . Questa ultima porzione, che è
in diretta connessione di continuità con l ’ectoderma ed il sacco muscolare cutaneo, mostra i d e n t i t à di s t r u t t u r a
del sincizio di rivestimento interno con l'ectoderma, tanto da avere in certi casi, come questo degli aculei impiantati nel
suo spessore, questa porzione; dico, è d a c o n s i d e r a r s i c ome u n a d i p e n d e n z a ed, i n s i eme , u n a c o n t i n
u a z i o n e d e l l ’e c t o d e r m a e • del sacco muscolare cutaneo, che s i è r i p i e g a t o ed i n t r o f l e s s o per incontrare
l’utero ed aprirgli il varco allo esterno“. Ich gedenke auch für diesen Theil des weiblichen Leitungsapparates
— ebenso wie für den LAURER’schen Canal, den Mo n t ic e l l i gleichfalls (1. c. p. 107) von einer „introflessione dell’ectoderma“
ausgekleidet sein l ä s s t ^ später den Nachweis zu liefern, dass er genetisch mit der Körperhaut in keiner Beziehung
steht (Nachtr. Zusatz).
selben Theil; und endlich is t es noch ein bemerkenswerthes Factum, dass die Weiten Verhältnisse
der Stücke, namentlich aber die des ausgestülpten Cirrus zu dem Hohlraum der Vagina, eine
bestimmte Gleichheit nicht verkennen lassen.
E s is t von vom herein nicht anzunehmen, dass eine so weitgehende und so auffällige
Uebereinstimmung n u r ein Spiel des Zufalles sei. In der T h a t werden w ir binnen kurzem sehen,
dass sie zum guten Theil herbeigeführt wird durch die Entwickelung beider Organe; e rk lä rt
werden-kann sie schliesslich aber n u r dadurch, dass die betreffenden Organe in Beziehungen zu
einander stehen, welche n u r bei einer gleichen A u ss ta ttu n g die Erfüllung ihres Zweckes in vollkommener
Weise sichern. Diese Beziehungen dürften in den geschlechtlichen gegeben sein.
E s mag noch e rwähnt werden, dass die Vagina wohl überall scharf und deutlich gegen
den Uterus abgesetzt is t: nicht n u r dadurch, dass an ih r die llingmuskeln bedeutend mächtiger
ausgebildet sind, als im Uterus, dass h ie r zu diesen noch eine ebenso starke, aussen aufliegende
Lärigsfaserlage kommt, und dass die T ex tu r der Innenwand eine bei beiden verschiedene ist,
sondern auch durch eine fa s t überall deutlich auftretende ringförmige Einschnürung muskulöser
Natur. Bis hie rhe r re ich t meist auch jener Mantel körniger Zellen unbestimmter Function, die
w ir bereits bei den anderen A rten in der Umgebung der Vagina kennen lernten. Mitunter
(z, B. F ig .-169, Taf. V III ) is t derselbe sogar ziemlich sch a rf gegen das Parenchym abgesetzt, es
haben die Zellen seihst auch eine mehr flaschenförmige Gestalt, ohne dass sich dabei aber auch
h ie r eine Drü sen n a tu r an ihnen bestimmter nachweisen liesse *);
li) Fnnction der weiblichen Genitalien.
Es wären nunmehr noch einige W o rte ü b e r ' die Function der eben beschriebenen
einzelnen Theile des weiblichen Genitalapparates am Platze. Dasjenige histologische Element
der Eier, aus dem der spätere Embryonalkörper entsteht, die Eizelle, oder, wie man je tz t sagt,
die Keimzelle, wird geliefert von dem Keimstock. In der beschriebenen Hervorragung desselben
trifft man s te ts eine Anzahl dieser Keimzellen an , die im Bedarfsfälle durch den Sphincter-
muskel hindurch in den Befruchtungsraum übergeführt werden müssen. An dieser Ueberführung
d ü rfte nun jene buckelförmige Hervorragung mit ih ren muskulösen Wandungen einen nicht
unwesentlichen An th e il nehmen. Es erinnert mich zunächst die ganze Bildung lebhaft an den
von P intner am Ausgange des Keimstockes der Bandwürmer entdeckten S c h l u c k a p p a r a t 2),
*) Mo n t ic e l l i hat die betreffenden Zellen bei den von ihm untersuchten Würmern ebenfalls angetroffen, in dem
einen Falle nur wenige und kleine (Dist. calyptrocotyle, nigrovenosiim; in den gegebenen Abbildungen erscheinen die Drüsen
als kleine, runde Zellen), in dem anderen (Dist. frnctum, betencourti) in grösseren Anhäufungen, wo sie dann auch, den
Zeichnungen nach zu schliessen, als flaschenförmige Elemente mit deutlichen Aasführungsgängen sich präsentiren (1. c. p. 113 f.).
Mo n t ic e l l i fasst unsere Gebilde als „glandole glutinipare“ auf und homologisirt sie den von We b e r beschriebenen Kittdrüsen
der Teinnocephala&i'ten, welche die gallertige Hülle um die Eier herum abscheiden sollen. Trotzdem unter den
hier beschriebenen Distomen mehrere Arten mit Gallerthülle um ihre Eier sich finden (Dist. tereticolle, medians, clavi-
gerum), so habe ich doch auch bei diesen keine stärkere Ausbildung der fraglichen Drnsenzellen constatiren können; was
aber in unserem Falle noch mehr gegen die Deutung jener Zellen als Kittdrüsen spricht, ist die leicht zu constatirende
Thatsache, dass die Eier bereits ziemlich w e i t h i n t e n im U t e r u s ihre G a l l e r t h ü l l e w o hl a us g e b i 1 d e t
zeigen (Nachtr. Zusatz).
2) P in t n e r , Neue Beiträge etc. 1. c. p. 18 ff. Nachtr. Zusatz: E r ist, wie schon oben, pag. 200 kurz erwähnt
wurde, neuerdings auch von Mo n t ic e l l i aufgefunden und seiner Function nach richtig erkannt worden (I. e. pag. 115 ff.).
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