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Feierlichkeit, für die man sie anfertigte. Diese Erkenntnis
lehrt uns, dass die Zeit: niemals von einer Kunst und
sei sie noch so klein und ein Falbes Jahrhundert gehegt
und gepflegt, gesund entbunden werden kann, wenn
nicht eine auf ethischen und menschlischen Grund-
principien aufbauende Keimkraft dem Erreger innewohnt.
Der PersönlichkeitPonscarme und der um ihn herum,
in glücklichem Zufallsspiel der Zeit zusammengetragenen,
gleichstrebenden Begabungen, war es Vorbehalten,
die alten Dämme durchzureissen und den brausenden
Strom neuen Lebens mitten in die allgemeinen
menschlichen Freuden und Leiden des Alltags hineinzuleiten.
So sehr ich sie auch sonst schätze, die grossen
technischen und künstlerischen Umwandlungen, die
Ponscarme um das Jahr 1867 der bekannten Naudet-
Medaille einleitete, und die im Weiteren dazu führten,
die französische Medaillenkunst um eine grosse Anzahl
von Arbeiten persönlicher Eigenart zu bereichern, so
liegt doch, nach meinem Dafürhalten, die Hauptbedeutung
und der Erfolg in dieser geistigen Befreiung. Dem
grossen Formenreichtum des Weltalls, an dem sich
auch sonst unser Auge täglich erfreut, ward Tür und
Tor geöffnet. Wenn in eine Kunst alle die Dinge einziehen,
die wir lieben, dann lieben wir auch diese
Kunst, insbesondere, wenn sie uns, durch ein Temperament
gesehen, verklärt und geläutert erscheinen.
Hochzeit- undTaufmedaillen, Bilder aus dem Arbeitsleben
der Menschen, sie wechseln, mit dem ewig schönsten
Beginnen aller Kunst, den Menschen selbst in
körperlich nackter Schönheit in den Mittelpunkt der
Darstellung zu stellen. Der Stempelschneider ist wieder
Künstler geworden und wartet nicht mehr auf das gegebene
Thema. Er geht seinen Sympatien nach und führt
so die Kunstmedaille durch die Unterstreichung des
Selbstzwecks zum neuen Leben. Neben diesem belebenden
Element spielt in Frankreich noch ein zweiter günstiger
Faktor, der darin besteht, dass hinter den Künstlerisch
schaffenden Persönlichkeiten, gleichsam wie eine
mächtige optische Linse, die Weltstadt Paris liegt die
nun alle diese Strahlen sammelt und im richtigen Winkel
wirkungsvoll eingestellt, in alle Welt rechtzeitig
hinaussendet. Wären diese Bestrebungen, die sich auf
diese Weise leicht gegenseitig belichten konnten, in ganz
Frankreich zerstreut gewesen, so wäre die Wirkung
wahrscheinlich nur in die halbe Helle der Erscheinung
getreten. Ich möchte auch an dieser Stelle nicht unerwähnt
lassen, dass die französische Kunstmedaille dieser
Zeit in Deutschland eine hohe BewunderungÖ Öeefunden
und heimische Federn waren es, die den Arbeiten
alle ehrende Anerkennung teilhaft werden Hessen.
Wenn ich hier an dieser Stelle etwas tiefer in die
Tinte tauche und sage : Schade, dass nicht auch französische
Federn dem tüchtigen, gleichstrebenden Nachbar
dieselbe Ehre erwiesen, so kann ich mir vielleicht als
Ursache denken, dass es für den Fremden schwer ist,
in unsere, noch teils begrabenen Schatze einzudringen
und sie kennen und schätzen zu lernen.
In einem kleinen Buch, dem die französische Medaille
viele-Förderung in Deutschland verdankt und das vor
etwa ¡2 Jahren erschien, kam unsere eigene Produktion
so schlecht weg, dass ich es den, mit den deutschen
Verhältnissen wenig Vertrauten, nicht übel nehmen
kann, wenn ihre Aufmerksamkeit dabei ungeweckt
blieb.
Wenn ich nun an der Stelle angelangt bin, wo ich