wiesen, Babelon erwähnt u. A. auch ein im Inventar
der Schatzkammer Karls des Kühnen beschriebenes
Kleinod, dessen Entstehung noch auf Philipp den Guten
zurückzuführen ist und das in Kameenschnitt einen
Löwen inmitten von drei Feuereisen, den Ejnblemen Philipps,
auf goMtauschierter Eisenplatte aufgesetzt zeigte.
In unserem Fall vertritt der Chalkedon lediglich das
opake Weiss des Emails in edlerem Material: eine Verwendung
des Halbedelsteins, die ganz im Geiste der auf
reiche Farbenwirkung ausgehenden Goldschmiedekunst
des flandrisch-burgundischen Quattrocento ist.
Einigermassen aus seiner Isoliertheit heraus tritt unser
Medaillon, wenn wir uns seiner kunstgeschichtlichen
Vorläufer erinnern, der bekannten flämischen Medaillen
der Kaiser Konstantin und Heraklius, die aus dem letz^
ten Jahrzehnt des XIV. Jahrhunderts stammen. Freilich
nicht die kahlen Nachgüsse in Silber oder Blei, in
welch fragwürdiger Gestalt sie allein auf uns gekommen
sind, darf man zum Vergleiche heranziehen, sondern
man muss sich die ursprüngliche kostbare Aufmachung
vergegenwärtigen, wie sie in der Sammlung ihres ersten
Besitzers, des Herzogs von Berry lagen : « joyaux d’or »
so nennt sie das Inventar, reich mit Rubinen, Saphiren
und Perlen eingefasst und an einem Kettenwerk aus
runden Goldkügelchen aufgehängt. Noch näher kommt
indes unserem Medaillon eine ebenda beschriebene, eng
zu den genannten Stücken gehörige Goldmedaille des
ersten christlichen Kaisers Philippus ( j ). Auch hier
waren reichlich Edelsteine verwandt und nicht nur als
Fassung, sondern, wie in unserem Falle, in s Reliefbild
eingesetzt. Man sah da ein Bildnis Unserer Lieben
(i) s. J. v o n S c h l o s s e r , Jahrbuch d. Kunstsammlgn. d. a. Kaiserhauses.
Wien, 1897, XVIII, S. 82.
Frau in Halbfigur mit ihrem Kinde ". Ihre Krone
war mit Smaragden und Granaten besetzt und darüber
et ein Stein von grüner Farbe, darauf in erhobener
Arbeit eine Halbfigur Gott Vaters abgebildet ist. »
Als gleichzeitige Arbeit eines burgundischen Goldschmieds
von Schlage jenes Gérard Loyet, dessen berühmte
in Goldemail ausgeführte Votivgruppe Karls
des Kühnen in der Kathedrale von Lüttich einen
zwingenden Beweis von der Befähigung der burgundischen
Goldschmiedkunst im Porträtfach erbringt (1),
werden wir unser Kleinod anzusprechen haben. Wie
die dünne, zum Tragen wenig geeignete Kette verrät, war
auch dieses kostbare Stück ursprünglich der Kirche
geweiht, nämlich offenbar dazu bestimmt, als Votiv
an einer Heiligen- oder Madonnenfigur aufgehängt zu
werden.
Was dem Münchener Medaillonseinen älteren Gegenstücken
gegenüber besonderes Interesse verleiht und
dasselbe zum Vorläufer der eigentlichen Medaille, der
ikonischen Schaumünze stempelt, ist das Bildnis. Wäre
das Stück zufällig in Nachgüssen aus Metall verbreitet
wie jene Kaisermedaillen, so würde es gewiss in keinem
alten Münzwerk fehlen und als Vorstufe zur Porträtmedaille
der Renaissance, als ein erstes medaillenarliges
Bildnis diesseits der Alpen längst nach Gebühr gewürdigt
worden sein.
II.
J ohannes T o u r n eu r .
Im Anfang der hurgundischen Medaillenkunst stand-
(1) s. H e l b i g , Revue de l’A r t chrétien, i883, S. 271. Uebei zwei weitere
Votivbildnisse aus Edelmetall ebenda Seite, 277.