Wir haben längst eine strenge Musterung vorgenom-
men, auch mit der modernen französischen Medaille.
W ir haben die Stücke durchgesiebt bis auf wenige, und
neigen nun dazu, einfach alles über Bord zu werfen.
Weil sie auf dem neuen Wege hergestellt waren, wurden
wertlose Stücke den guten gleichgeachtet. Sie trugen ein
gemeinsames Mal. W7eil sie auf dem neuen Wege hergestellt
sind, sollen nun auch die guten Medaillen, die
künstlerisch wertvollen, den schlechten gleich geachtet
und verworfen werden. Sie tragen ein gemeinsames
Mal, ein Brandmal : Mit Hilfe der Verkleinerungsmaschine
hergestellt — ein Surrogat.
Und nun vollzieht sich auf der anderen Seite der
analoge Vorgang. Einige sind zur richtigen Medaillenkunst
zurückgekehrt und schneiden ihre Stempel vertieft
in Stahl. Dieses Faktum allein genügt jetzt gleichfalls,
um jedes so entstandene Stück einer bestimmten
Gemeinde als Meisterwerk erscheinen zu lassen. Zur
Zeit entscheiden nicht die voraussichtlich dauernden
künstlerischen Werte, sondern es entscheidet die Gesinnung,
die Parteinahme. Diese Prinzipienreiterei ist das
Deutscheste, was die moderne Medaillenkunst bis jetzt
hervorgebracht hat.
Ist dieser Verlauf nicht bezeichnend dafür wie leicht
unser Blick an der Oberfläche der Erscheinung hängen
bleibt und unser Urteil durchdringenderer Erkenntnis
als Basis entbehrt? Neben den ästethischen Oberüächen-
werten, die allerdings von Kunstwerk nicht zu trennen
sind, gibt es doch die anderen, die eigentlichen künstlerischen
Werte, die ein Werk erst zum Kunstwerk
machen und ihm seinen Platz in der Rangordnung
anweisen.
Die künstlerische Anschauung, die einer lebenden
Generation oder Gruppe eignet, ist der Kunst der Vergangenheit
und Gegenwart gegenüber wie ein Scheinwerfer.
Eine Periode, der — aus sicher tiefen Gründen
— die Sympathie der Schaffenden zuströmt, wird grell
beleuchtet und hervorgehoben, alles andere versinkt in
Dunkel und Nichtachtung. In diesem Sinne werden bestimmte
Zeiten und Künstler Mode. Vor Jahren Botticelli
(für sich und als Bezeichnung für eine ganze Epoche)
heute die Primitiven. So wird auch eine Arbeitsart, eine
technische Eigentümlichkeit zu einer Mode, um wieder
zu versinken und durch eine andere abgelöst zu werden.
Aber gerade dieselbe technische Manier gibt selbst sehr
ungleichen Arbeiten ein gleiches Cächet, und da eine
bestimmte manuelle Art immer nur von einem Grossen,
einem Innovateur, zuerst gebracht wird, der sie
sich als das ihm eigentümliche Ausdrucksmittel geschaffen
hat, verknüpft sich diese technische Sprache in
der Vorstellung nun mit dem künstlerisch Guten. Aber;
dann wird das von der Eigenheit einer künstlerischen
Anschauung kreierte technische Mittel für sich zum
guten, besser zum modischen Gewände für einen
schlechten Kern.
Ein Beispiel : Rodin hat in einem Leben voll Arbeit
und Mühe für seine künstlerische Anschauung den passenden
Ausdruck erkämpft. Ich meine die ihm eigentümliche
Art der Behandlung der Form und der Oberfläche.
Das gab eine Epidemie. Arbeiten, die nicht die
geringste innere Verwandtschaft mit Rodin hatten,
erstrebten die äussere. Dann kam Maillol. E r hat seine
eigene künstlerische Anschauung, ihr entsprechend
seine eigene Formensprache und Oberflächenbehandlung,
ein ihm eigenes Körperideal : stark, fett, walzenförmig,
ein Minimum von Formen, ein Maximum von