Wenn ich die grosse Anzahl von Arbeit und Begabung
betrachte, die die erste Hälfte des vergangenen Jahrhunderts
in den kleinen Broncewerken der Kunstmedaille
uns hinterlassen hat, so will es mir scheinen, als wären
wir endlich verpflichtet,mit dem lebendigen Empfinden
unseres heutigen, kunstfreundlich forschenden Lebens,
auch einmal digse uns zeitlich so nahestehenden Arbeiten
an das Sonnenlicht zu nehmen, um uns von ihnen
erzählen zu lassen, was die Männer bewegte, die soviel
Liehe und Zeit daran gesetzt haben, um sie hervorzubringen.
,
Da diese Zeitgeschichte nicht zu betrachten ist, ohne
erst seinen Blick auf Frankreich zu werfen, so muss ich
dementsprechend auch erst der grossen Anzahl von
Künstlern gedenken., die der Napoleonischen Gloire
ihre Dienste widmeten.
Der Sieg bei Marengo, die Taufe des Königs von Rom,
Napoleons Rückkehr aus Aegypten, seine Krönung,
Napoleons Salbung durch Pius VII, und, unter Ludwig
XVIII, der iS'i4 geschlossene Frieden, die heilige
Alliance, der Tod des Herzogs von Berry u. S. w., sie
geben die Leitmotive, die den kiinstlern vorgelegt würden,
um darauf, sei es in allegorisirender oder erzählender
Form, ihre Gedankengerüste aufzubauen. Def
Maler Jacques-Louis David schwingt das mächtige
Scepter der .Geschmacks und alles Rüstzeug eines l ängst
verblassten herzlosen Cäsarentums wird zusammengesucht,
um daraus den benötigten Styl zu zimmern, der
dann bald, seines Hauptakteurs beraubt, durch beinahe
5o Jahre in ganz Europa, alle lebendige Keimkraft eines
naiven Gestaltend im Kunstleben erdrückte.
Rom, das grosse und auswahlreiche Antiquariat, dem
die, dem Geiste der Zeit entsprechenden Vorbilder
bequem zu entnehmen waren, bildete den Mittelpunkt,
wo unter David sich auch die bedeutenden Künstler
anderer Länder den alle Weit besiegenden Geschmacks-
einflüssen anschliessen.
Es genügt die Nennung der Namen : Canova, Thor-
waldsen, Schinkel und Rauch, um damit denjFaden in
der Hand zu halten, der in seinen Endpunkten die
Produktion der Kunstmedaille auf das Empfindlichste
berührte.
Das blendende Unternehmen, aller Kunst von vornherein
einen allgemein gültigen Stempel der Schönheit
aufzudrücken, war zu verfänglich, um widerstehen zu
können und danken wir diesem Hinweis auf die monumentalen
Gesetze grösser Vergangenheit auch eine
Summe von Gesichtspunkten, so hemmte die Anwendung
dieser nur ererbten und nicht geistig erworbenen
Culturgüter doch auf lange Zeit allen organischen Trieb
der künstlerischen Gestaltung. Am schlechtesten aber
kam dabei die Medaille weg. So eindringlich man wieder
die Proportionen der antiken Säulenordnungen studiert
und es versucht, ihre strengen Glieder mit neuem spie-
lenderem Decor,ernst und weniger ernst, abzuslimmen,
so sehr hat man das intimere Studium der edlen Münzkunst
der Griechen und Römer vernachlässigt. Man
hatte kein Herz, um die frohe, harmlos spielende Impression
wahrzunehmen, der diese kleinen Kunstwerke
ihre Existenz verdanken und da man nun einmal das
monumentale Pathos im Munde führte, so giebt die
kleine concentrierle Form um so deutlicher die Phrase
wieder, die man so unbarmherzig auch in die Werkstatt,
des Stempelschneiders hineingerufen hatte.
Welch natürlicher Reiz spricht noch zu uns aus den
Schöpfungen des letzten Drittels des 18. Jahrhunderts,