ist. Unten -wird das Brustbild eingefasst durch einen in
feiner Goldschmiedarbeit naturalistisch ausgeführten
Rebenzweig. Der Eindruck, der von diesem kleinen Meisterwerk
der Goldschmiedkunst ausgeht, ist ebenso reich
wie vornehm : der Zusammenklang der ruhigen, matt-
weissen Fläche des opaleszenten Steins mit dem Rubinrot,
Türkisblau und Smaragdgrün der Schmelzfarben,
wozu das gediegene Gold die edelste Folie bildet, hat
etwas von dem schimmernden Juwelenreiz und der
durchsichtigen Tiefe altflandrischer Tafelbilder.
Ueber die Person des Dargestellten geben schon die
alten Inventare der Schatzkammer die richtige Auskunft,
dass es sich um Herzog Philipp III. von Burgund ( i 3g6-
1 4 6 7 ) , den berühmten Gründer des Goldenen Vliessor-
dens handelt. Ein Vergleich mit den zahlreichen Porträts
des Fürsten bestätigt dies. Schon von dem früheren
Direktor der Schatzkammer E. von Schauss, wurde auf
eine physiognomiseli und kostiimlich fast ganz übereinstimmende
Darstellung des Herzogs in einem Codex der
Münchener Staatsbibliothek, betitelt -.Livre du Toison
d’o7'(Cod.Monogr. 285)hingewiesen. Auch die herrliche,
offenbar auf sehr gute gleichzeitige Vorbilder zurückgehende
Bronzebüste im Museum zu Stuttgart lässt sich
zum Vergleich heranziehen. Abgesehen von der Ordenskette
gehört auch die Mütze mit der seitlich herabfallenden
Purpurbinde zur Ordenstracht.
Handelt es sich hierum eine gleichzeitige authentische
Porträtdarstellung oder um eine posthume Schöpfung?
In München war man bisher geneigt, das Werk in eine
spätere Zeit zu rücken, nämlich in den Anfang des
16. Jahrhunderts, da um diese Zeit der bayerische Herzog
Älbrecht IV. sich für den Orden historisch interessierte
und sich auch Bildnisse der Ordensritter beschaffen
liess. Bei unbefangener Betrachtung des allerdings
sehr vereinzelt stehenden Stückes und seines Stils kann
jedoch kein Zweifel bestehen, dass es sich hier um eine
Arbeit des i 5. Jahrhunderts, wahrscheinlich burgundi-
sclier Herkunft, handelt. Die Tracht ist durchaus cha-
rakteristisch für die Mitte des Jahrhunderts ujid zeigt
nichts von jenen Missverständnissen, die sich Bei späteren
Nachahmungen so leicht einschleichen. Besonders
bezeichnend aber für diese frühe Zeit ist ein auffallendes
Missverhältnis, das zwischen Kopf und Büste besteht.
Diese Verkümmerung des Körpers zu Gunsten des
Kopfes fhidet sich grade bei Porträts in Brustbildformat
in der altflämischen Malerei nicht selten. Selbst van
Eyck hat diesen archaischen Zug noch nicht ganz überwunden.
Im übrigen lässt nichts in der äusseren Ausstattung.
weder im Ornament noch in der Farbe, den
Gedanken an die Renaissance des 16. Jahrhunderts
aufkommen.
Die reichliche Verwendung der schönen Schmelzfarben,
die dünne, spitzige Zeichnung sowie die fein-
gliedrige Umrahmung sind spezifisch kennzeichnend für
den gothischen Geschmack: ein echt spälgothisches
Element ist auch der ganz realistische Reben-Zweig am
unteren Abschnitt.
Auffallend, weil ohne Analogie,bleibtdie Verwendung
des Halbedelsteins für das Antlitz. Dass aber die Glyp-
tik in den französischen und burgundischen Landen des
r5 . Jahrhunderts einer solchen Arbeit sehr wolil fähig
war, beweisen ohne weiteres die erhaltenen Gemmen
und Kameen teils religiösen, teils mythologischen
Gegenstands zu Genüge: es sei hier nur auf Bahelons
zusammenfassende Ausführungen in seiner Histoire de
la Gravüre sur Gemm.es en France (Paris, 1902) ver