anderen Medaillen der Gruppe, die in Revue Numismatique
française, 1887, Tafel IIL mustergültig abgebildet
sind, bedarf es keines Wortes. Die Uebereinstimmung
ist im Zuschnitt, in der Modellierung, in der Ausstattung
wie in den Schriftzügen, ja selbst in der Grösse
eine derartige, dass man geradezu von einer Serie zu
sprechen versucht ist. Ein Vergleich der vier Porträts
untereinander fällt zu Gunsten des Johann Tourneur aus.
Die formale Behandlung ist hier nicht nur exakter, sondern
auch detaillierter und noch lebensvoller als auf
den übrigen drei Stücken. Man hat den Eindruck, der
Künstler habe bei dem Kopf des einfachen Bürgers
mehr Freiheit und Musse gehabt, sich mit der Natur
abzufinden, als bei den Porträtsitzungen, die ihm die
beiden Fürsten und der Heerführer gewährten und
deren künstlerisches Resultat zwar ein hohes, aber doch
mehr summarisches geblieben ist.
Was lehrt nun die neue Medaille für den Künstler?
-AI War es ein Vlame oder ein Italiener? — Ohne diese
vielerörterte, zuletzt von J. Simonis ausführlich behandelte
Frage von Neuem aufrollen zu wollen,gestehe ich
an die früher angenommene Autorschaft von Niccolö
Forzore Spinelli ebensowenig glauben zu können wie an
die des Candida, die Heiss verteidigte, oder die Guazza-
lottis, wie Simonis will. Hier wie dort fehlen mir die
Verbindungslinien mit den gesicherten Oeuvre der italienischen
Meister. Was Friedländer, Pinchart, Heiss
und Simonis bei ihrer Zuteilung täuschte, war lediglich
eine gewisse Gleichartigkeit der Mache, eine rein äusser-
liche Uebereinstimmung, die sich aber vollauf erklärt
aus der gemeinsamen Technik, der die Medaillen entsprangen.
Die vier burgundischen Medaillen lassen
nämlich den gleichen Arbeitsvorgang erkennen wie die
italienischen Medaillen des Quattrocento : sie sind nicht
modelliert, sondern in harter Masse vertief t geschnitten.
Aus dieser sehr simplen, aber höchst künstlerischen
Methode, die sich naturgemäss aus der Arbeitsgepflogenheit
des Siegelstechers ab!eitet, ergibt sich von selbst der
improvisierte Charakter namentlich im Ornament und
in der Schrift, was leicht zu falschen Schlüssen bezüglich
der Hand des Meisters verleitet. Angesichts der drei
bisher bekannten Stücke Karls, Antons und des Galeota
wird die Annahme des italienischen Ursprungs immerhin
begreiflich, obwohl die Eigentümlichkeit der « Fabrik
», so die Umrahmung der Porträtseite mit dem
dünnen, scharfen Linienkreis, das Verhältnis des Kopfes
zum ganzen Feld sowie der nach Art der römischen
Kaisermünzen gehaltene Halsabscbnitt ohne jede Analogie
in der italienischen Medaillenkunst sind.
Die neue Medaille gibt nunmehr der italienischen
Hypothese einen starken Stoss. Abgesehen davon, dass
ein Aufenthalt des Dargeslellten in Italien weder nachgewiesen
noch wahrscheinlich ist, macht die Rückseite
mit dem vortrefflich stilisierten, die gothischen Initialformen
durchaus beherrschenden Monogramm einen
ausgesprochen unitalienischen und — setzen wir gleich
hinzu — niederländischen Eindruck ( i \ Dazu kommt
der sogenannte « Liebesknoten », ein Motiv, das für Italien
ebenso ungewöhnlich wie für Frankreich und Burgund
charakteristisch ist. Auf den Medaillen des Hauses
Savoyen bat der Liebesknoten symbolische und heraldische
Bedeutung (2). Als raumfidlendes Ornament ist
(1) Die deutsche Schrift aufder Medaille .eines italienischen Meisters wäre
an sich nicht unerhört, wie das vereinzelte Beispiel der M.iette-Medaille von
Candida {Revue N u m .f r a n g 1890, Tafl. XIII, 1) beweist; aber von da bis
zum stilisierten Monogramm ist noch ein grösser Schritt.
(2) Vgl. die Medaille von Philipp und Margarethe von Savoyen, Friedländer,
Italienische Schaumünzen, Taf. XVII, 2.