en lange Zeit allein die beiden /bekannten Schaustücke
Karls des Kühnen und seines Halbbruders Anton, des
grossen Bastard von Burgund, bis P. Valton diesen ein
nicht minder bedeutendes Stück hinzufügte in Gestalt
der charaktervollen Medaille auf Jacopo Galeota, den
seit 1474 in burgundisclien Diensten stehenden und
1488 in,der Schlacht bei Saint-Aubin-du-Cormier gefallenen
Feldhauptmann Herzog Karls.
Indem wir hier (Tafel VII, 1) eine bisher unbekannte
Medaille auf Johann Tourneur veröffentlichen, hoffen
wir, die kleine Gruppe um eine weitere nicht unwichtige
Arbeit zu bereichern.
J ohannis T o rnovr nennt die Medaille den Dargestellten,
einen aufmerksam und bedächtig vor sich hinblickenden
Mann in reifem Alter, dessen ausgeprägte Züge
kein Bart bedeckt, und der das straffe Haar nach bur-
gundischem Schnitt halblang trägt. Etwas von dem
gesammelten Wesen van Eyck’scher Porträts und Stifterfiguren
spricht aus dem Kopfe. Die Rückseite zeigt
innerhalb eines festgebundenen Blattkranzes ein grosses,
aus den Buchstaben M und J oder M und H zusammengestelltes
und durch eine künstlich geschlungene Schnur
verknüpftes Monogramm in gothischen Initialen. Links
und rechts im Felde wiederholen sich ausserdem die
Buchstaben I und K, diese in lateinischer Schrift. Der
Durchmesser des Stückes beträgt 44 *u|n - Das Original,
ein ausserordentlich scharfer Bronzeguss von schöner
warmbrauner Patina, befindet sich im Grossherzoglichen
Museum zu Darmstadt.
Ueber den Dargestellten, dessen Namen man in
gleichzeitigen .Geschichtswerken vergeblich sucht, verdanke
ich meinem Kollegen Herrn Dr. Viktor Tourneur
in Brüssel wertvollen Aufschluss. Der'Name «Tornour»,
dessen Form befremdet, ist offenbar verketzeit aus
Tourneur. Nach dem Stil der Medaille hat man seinen
Träger im Kreise Karls des Kühnen zu suchen. Hier
findet sich in der Tat ein « Jehan le Tourneur » als
« premier varlet de chambre » des Herzogs (i). Wörtlich
übersetzt würde dies « erster Kammerdiener »
bedeuten. Aber zieht man in Betracht, dass kein geringerer
als Jan vanEyck in seiner Eigenschaft alsHöfmaler
Herzog Philipps des Guten denselben Titel führte und
dass schon damals ein solcher Valet nehen einem Gehalt
von 100 Livres jährlich zwei Pferde und einen gallonier -
ten Diener als Besoldung erhielt, so wird man dieüeber-
setzung « Kammerhezr » vorziehen.
Wohnhaft war dieser Jehan le Tourneur wahrscheinlich
in Brügge, also am Hofe des Herzogs Karl. Er hatte
eine Tochter Jeanne, welche Marc de W u lf in Brügge
heiratete. In den Rentenrechnungen der Stadt liest man
« Marc de Wulf cochte 20 st(uivers) ten lijuen uan hem
en uan Janne f Jan Tourneurs syn wyf, 1478.
(d. h. M. de W ulf kaufte eine Lehensrente von noStu-
vers für sein Leben und dasjenige seiner Frau Johanna,
Tochter des Johan Tourneur.) (Ms. 21757. Bibliothèque
royalé de Belgique, Copie des XVII. Jahrhunderts.
Mitteilung von Dr. V. Tourneur.)
Nicht mit Gewissheit zu deuten vermag ich das Monogramm,
das, nach Analogien zu urteilen, vermutlich
die unbekannte Devise Tourneurs enthält. Die Buchstaben
I K bezeichnen, worauf mich wiederum Herr
Dr. Viktor Tourneur aufmerksam macht, im Flämischen
das Personalpronomen « ich».
Ueber die stilistische Verwandtschaft mit den drei
(iV Siehe Mémoires de Jean, sire de Haynin 'e t de Louvignies. Publ. par
D.-D. Brouwers. Liège, 1906, t, II, p. 38.