folgt, halte ich hier fest. Und dochhietet die Steinbearbeitung
ein Beispiel auch für dem arbeitenden Werkzeug
a nhaftende Eigenschaften .die ästethisch gewertet werden
können. W ir wissen, dass beim Arbeiten in Marmor die
Formen mit dem Spitzeisen grob herausgearbeitet, dann
mit dem Zahneisen zusammengezogen, mit dem glatten
Eisen weiter bearbeitet und schliesslich geraspelt und
geschliffen werden. An einigen Skulpturen Michelangelos,
z. B. dem « Abend », sehen wir am Fuss und Kopt
Formen mit dem Zahneisen vorgearbeitet, die ausgefuhr-
ten Partien der Figur ohne Meisseispur, und die Unterlage
vom Spitzeisen weg gelassen, Bei Michelangelo nun
wissen wir, dass es nicht seine Absicht war sich der
körnigen Oberfläche, die das kreuzend geführte Zahneisen
gibt, als eines künstlerischen Mittels zu bedienen;
er war unzufrieden mit seinen Gehilfen wenn sie
die geraspelten Partien nicht sorgfältig genug schliffen.
Die Glätte der Oberfläche war seine Absicht und die
vollendeten Skulpturen bezeugen es.Wir erblicken hingegen
in der körnigen Oberfläche oder der immer noch
flimmernden, die der Hieb des glatten Meisseis hinterlässt,
einen Reiz mehr, wie ja auch in der Unfertigkeit.
Das Wort « Glätte » bezieht sich nicht mehr allein aut
die Oberfläche, sondern ist zu einem Ausdruck des Tadels
für ein Kunstwerk überhaupt geworden. Diemoderne
Skulptur nutzt die Spur des Werkzeugs als Reizmittel
aus, weil sie von unserer Anschauung als solches gewertet
wird W ährend früher der Künstler als Arbeitender
möglichst hinter dem W erk zurücktrat, das fertige Werk
möglichst alle technischen Vorgänge vergessen lassen
sollte, weil es der Anschauung der Zeit so entsprach,
wünschen wir möglichst viel von der arbeitenden Hand
im Werk zu sehen. Die Vorliebe für den rohen Bronzeguss
ist etwas durchaus unserer Zeit eigentümliches.
Rodin lässt eine Portraitbüste, wie sie aus dem Guss
kommt, bisweilen selbst ohne die Näte fortzunehmen,
und mit den Farben, wie sie der Guss oder der Glüh-
prozess hervorgebracht hat. Die modellierende Hand
soll in ganzer Treue erhalten bleiben. Der Bronzeguss
wird zu einem Umsetzungsprozess derselben Form aus
einem weichen in ein festes Material, um alle Reize, die
eine nervöse Hand einem impressioniblen, weichen
Material zu verleihen wusste, für die Dauer zu erhalten,
nach Möglichkeit unzerstörbar zu machen. Der ästethische
Reiz der, wenn auch patinierten, Oberfläche des
Bronze-Rohgusses ist eine Entdeckung unserer Zeit. Das
hängt zusammen mit unserer Vorliebe für technische
Zufälligkeiten, z. B. in der Keramik, wo wir nicht selten
ein vom Fachmann als fehlerhaft bezeichnetes Stück
dem einwandfreien vorziehen. Bei der Bronze ist nun
der geschilderte Oberflächenreiz des Rohgusses nur zu
erreichen durch Verzicht auf den,'früher wenigstens so-
angesehenen. eigentlichen M-^terialcharakter : die übef
arbeitete, geglättete, leuchtende Oberfläche, das brio des
Metalles; denn um diese Oberfläche zu erzielen, muss
die von der modellierenden Hand herrührende, mit
Zufälligkeiten durchsetzte zerstört werden. Nicht dass
wir nicht auch « glatte » Bronze hätten und liebten, aber
schon dass wir beide Arten nebeneinander mögen ist
bezeichnend.
Die geschilderte Vorliebe für den Materialcharakter
und den Abdruck‘des Werkzeugs --- die Spur der arbeitenden
Hand — können bei der Malerei und bei der
Plastik in Stein und Holz in eins zusammeufliessen, an
einem Werk in gleicherweise ihre Befriedigung finden.
Die aufgetragene Farbe, die Pinselhiebe, die beschwingte