die man mir auf diesen Gebieten daher in den Weg legte, waren
sehr grosse. Zum Glück Hessen sich die beängstigten Seelen der Bahau
meist mit allem, was diese selbst schön fanden, wie hübsches Zeug,
Perlen und Geld, beschwichtigen. In bezug auf Mitteilsamkeit in religiösen
Angelegenheiten machte sich übrigens, je nach Veranlagung
und Höhe der geistigen Entwicklung bei den einzelnen. Personen, Vem
schiedenheiten geltend. Während die einen sich völlig unzugänglich
zeigten, konnte ich von den anderen doch mit Hilfe von allerhand
Mitteln einiges erfahren. Indessen wären mir die religiösen Vorstellungen
der Kajan am Mendalam auch nach elfmonatlichem Aufenthalt
in ihrer Mitte ein Buch mit sieben Siegeln geblieben, wenn nicht gerade
die Oberpriesterin von Tandjong Karang, U s u n , eine rühmliche
Ausnahme gemacht und sich in allem, was ihre heilige Wissenschaft
betraf, zugänglicher gezeigt hätte. Trotz mancher unangenehmen Eigenschaften
meiner alten Freundin kann ich nicht umhin, gerade an
dieser Stelle mit Dankbarkeit ihrer zu gedenken.
U s u n gehörte zu den wenigen Bewohnern deS langen Hauses; die
den ganzen Schatz der Ueberlieferungen von der Geisterwelt und der
Stammesgeschichte kannten. Nach der Ueberzeugung der Kajan war
ihr Tun und Lassen daher für die Gesinnung der Geister, somit für
das Wohlergehen und den Gesundheitszustand des ganzes Stammes,
massgebend. Durch aussergewöhnliche Handlungen, wie es ihre Unterhaltungen
mit meiner profanen Person über Religionsangelegenheiten
waren, schadete U s u n also nicht nur sich selbst, sondern ihrer ganzen
Umgebung; begreiflicher Weise sah man unseren Verkehr daher nur
sehr ungern. U s u n selbst stand ihren Stammesgenossen durchaus nicht
furchtlos gegenüber, auch spielte die Besorgnis um das Wohl und
Wehe ihrer eigenen Seele bei ihr eine grosse Rolle; ich musste daher
jedesmal, wenn sie mir etwas Besonderes erzählt oder gebracht hatte,
ihre bruwa mit etwas Geld, Kattun oder Perlen besänftigen, um bösen
Träumen oder gar Krankheiten zuvorzukommen. Den Geldstücken schien
dabei eine besonders beruhigende Wirkung eigen zu sein, auch wurden
sie, um in innige Berührung mit ihrer Seele gebracht zu werden von
der Alten beim. Abschied gebissen. Auch ihr Enkel, ein ungezogener
zwölfjähriger Knabe, beängstigte ihr Gemüt; denn er wollte, wie die
übrigen Kajan, nichts von ihrem gefährlichen Umgang mit mir wissen;
Gegen alle diese Schwierigkeiten kämpften in U s u n s Seele eine
sehr entwickelte; Habgier und Eitelkeit auf ihre Wissenschaft und
Stellung und, wenn ich mir schmeicheln darf, eine grosse Eingenommenheit
für meine Person.
Unter diesen Verhältnissen entwickelte sich unser Verkehr derart,
dass U s u n , um ihre Umgebung irre zu führen, abends, wenn alle
Hausbewohner schliefen, zu mir schlich. Dann packte sie ihrepemuli',
die heiligen Gerätschaften, die sie für mich verfertigt hatte, aus und
steckte die erhaltene Belohnung ein. Wenn sie sich im Dunkeln hie
und da fürchtete, nahm sie den Enkel mit, der für die ausgestandene
Seelenangst stets auch etwas bekam.
In der Stille meiner Hütte, nur unterbrochen von einzelnen Lauten,
die von dem schlummernden Kajanhause herüberdrangen und von dem
Gezirp der ewig munteren Grillen, vernahm ich in einem entsetzlichen
Gemengsel von Kapuas-Malaiisch und Busang die Geschichte von
U s u n s Geisterwelt. Das energische Gesicht der alten Dajakfrau gab
dem Bilde noch ein besonderes Gepräge. Wurden wir durch Neugierige
gestört, so hatte_die Alte sogleich ein harmloses Thema bei der Hand
und fand sie bei ihrem Kommen meine Hütte besetzt, so schob sie
das Mitgebrachte - von aussen durch die Mattenwand der Hütte auf
meinen Schlafplatz — die Rechnung blieb später nicht aus.
Tagsüber liess U s u n ihren Gefühlen freieren Lauf, sprach öfters
beim Doktor vor und liess sich zum Gaudium der ringsherum stehenden
Jugend bald hier bald da auf allerhand Leiden untersuchen.
Der pekuniäre Vorteil, den U s u n aus ihrem Handel mit ihrer priester*
liehen Wissenschaft zog, weckte den Neid und die Konkurrenz ihrer
Kolleginnen und; diesem Umstande habe ich es zu verdanken, dass
mir auch von anderer Seite religiöse Gegenstände geliefert wurden,
von deren Existenz ich sonst nie etwas erfahren hätte.
Die Schöpfungsgeschichte der Mendalam Kajan, wie ich sie aus dem
Munde der alten U s u n vernommen, möge dieses Kapitel abschliessen.
D i e S c h ö p f u n g d e r E r d e , G e i s t e r u n d ' M e n s c h e n .
Eine Spinne liess sich einst vom Himmel an einem Faden herab.
Diese Spinne wob ein Netz, in welches ein Steinchen von der Grösse
einer sehr kleinen Perle fiel. Das Steinchen wurde grösser und grösser,
erst wie eine ow%r ane (besondere Perlenart), dann wie eine ketobong
apo p a r e i (besondere Perlenart), dann wie eine kleine Muschel, wie ein
Nagel ’ (hulo), wie -eine aus einer Muschelschale geschnittene Scheibe