infiziert, dass an einen aseptischen Heilverlauf nicht zu denken war.
Vor allem musste der Patient wieder zu Kräften kommen, dann
konnte man ihn, zwecks einer rationellen Behandlung, nach Putus Sibau
bringen lassen. Ich desinfizierte daher die Wunde so weit als möglich,
bestreute sie mit Jodoform, tamponierte sie gründlich und empfahl
den Taman, das Bein ständig hoch liegen zu lassen und gut für den
Patienten zu sorgen.
Dank seiner kräftigen Konstitution war der Mann nach zwei Tagen
bereits so weit, dass seine P'amilie ihn mir zur weiteren Behandlung
nach Putus Sibau bringen konnte. Nachdem ich schon gehofft, dass
keine Nachblutung den Heilprozess stören würde, rief man mich doch
sechs Tage darauf nachts, weil der Verband ganz mit Blut durchtränkt
war. E s blieb nun nichts anderes übrig, als die Galerie unserer Kaserne
zum Operationszimmer zu machen und den gewandtesten meiner Gehilfen
zum Assistenten zu promovieren. Zum Glück gelang es mir bald,
die Blutungsquelle zu entdecken. Ich hatte bereits vorher versucht,
die Wunde von dem nekrotischen Gewebe zu reinigen, aber die Infektion
hatte sich bereits zu sehr verbreitet. Sobald die Schlinge um
den Schenkel etwas gelockert wurde, quoll in rhythmischen Stössen
eine Blutmenge, augenscheinlich aus der arteria tibialis postica, hervor.
Beim Schein einiger Lampen entfernte ich so lange nekrotisches- G ewebe,
bis die Arterie bloss la g ; es zeigte sich, dass diese auf die
ungünstigste Weise beschädigt war, nämlich halb durchgeschnitten,
so dass die Enden sich nicht zurückziehen konnten und wegen der
Retraktion der Ränder ständig offen gehalten wurden. Mit einigen
Bedenken, wegen der stark entzündeten und infizierten Umgebung,
entschloss ich mich doch, das Gefäss zu durchschneiden und die beiden
Enden zu unterbinden. Glücklicher Weise schlossen sich die Ge-
fässe und eine Blutung trat nicht mehr ein, trotzdem sich die Entzündung
über den ganzen Unterschenkel verbreitete. Einige Einschnitte
bis in das subkutane Gewebe, zur Entfernung des Eiters, und eine
Ausspülung mit Borwasser übten eine gute Wirkung. Infolge unserer
sorgsamen Pflege kam der Taman bald wieder zu Kräften, und nachdem
-der Kontrolleur von Putus Sibau nach unserer Abreise noch einige
Zeit für ihn gesorgt hatte, konnte er wieder nach Hause gebracht
werden, wo er bald völlig genas.
Der langdauernde Aufenthalt in Putus Sibau hatte noch den grossen
Vorteil, dass wir uns über die aus Ja v a mitgenommenen und uns
grösstenteils fremden Leute ein Urteil bilden konnten. Bereits als ich
sie in Dienst nahm, hatte ich dafür gesorgt, dass Jeder von ihnen
einen Kameraden oder Verwandten bei sich hatte, damit er sich nicht
einsam fühlen sollte. Da eine gute Stimmung unter den Teilnehmern
einer .Expedition deren guten Erfolg wesentlich beeinflusst, freute es
mich sehr, zu bemerken, dass Zwistigkeiten unter unseren Leuten wenig
vorkamen. Nur der zweite Jäger, D ju m a t , erregte zu meiner Verwunderung
bei seinen mohammedanischen Glaubensgenossen durch seine
ständigen religiösen Uebungen 'Anstoss. Wie ich bei meiner Rückkehr
von den Kajan hörte, war er, ein europäisches Halbblut, zum Islam
übergetreten. Obgleich beinahe mein ganzes Geleite mohammedanisch
war, hatte ich doch von Beten und von anderen religiösen Verrichtungen
nie' etwas gemerkt; nur D ju m a t war hierin sehr eifrig und
ärgerte dadurch die anderen so sehr, dass, einer der Schutzsoldaten
zuletzt auf seiner Violine zu spielen begann, sobald D ju m a t seine Gebete
anfing. Wahrscheinlich geschah dies nicht wegen der Andachtsübungen
selbst, dazu waren meine Javaner und Malaien zu friedliebend,
sondern weil sie ihn besser kannten als ich. Bald hörte ich auch
einige Bemerkungen über D j u m a t , der sich viel mit den Chinesen auf
dem Markte abgab, und eines Morgens fand ich auf der Galerie'einen
zusammengefalteten chinesischen Brief, den ich aber nicht lesen konnte.
Etwas Besonderes vermutend, wollte ich meine farbigen Begleiter doch
nicht in die Angelegenheit einweihen, und da auch unsere Europäer
das Schreiben nicht lesen konnten, liess ich es unbeachtet. Der Schreiber
schien aber die Sache ernst zu nehmen; denn zwei Tage darauf erhielt
ich ein anderes Briefchen, diesmal malaiisch geschrieben. Der Inhalt
des Briefes war der, dass D ju m a t den chinesischen Frauen auf dem
p a sa r auf brutale Weise nachstellte und dass ein derartiges Betragen
meines Personals mir am Mahakam gefährlich werden konnte. Für
mich war diese Tatsache zu wichtig,- um ihr nicht Rechnung zu tragen.
Mit dem Kontrolleur B a r t h und dessen Kollegen von Putus Sibau
kam ich überein, dass wir gleich die Ankunft des kleinen Dampfers
„de Punan” , der uns die letzte Post und noch einige Güter bringen
sollte, benützen mussten, um uns dieses lästigen Reisegenossen zu entledigen.
Sobald denn auch der Dampfer angekommen war, erhielt
D ju m a t z u seiner Verwunderung den Befehl, sich bereit zu halten,
um sich zwei Stunden später nach Java einzuschiffen. Diese plötzliche
Entlassung musste ihn umsomehr in Erstaunen versetzen als er,